Manchester United:Ein Zerwürfnis bahnt sich an

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Nanu, da waren wir doch schon einmal: Uniteds Trainer Erik ten Hag startete vergangenes Jahr schlecht in die Saison und muss nun wieder der Konkurrenz hinterherlaufen. (Foto: Glyn Kirk/AFP)

Manchester United wollte die Lücke zum Stadtrivalen City schließen. Doch Trainer Erik ten Hag kämpft nach Transferausgaben von einer halben Milliarde Euro mit alten Problemen - und befindet sich zudem im Streit mit Jadon Sancho.

Von Sven Haist, London

Wie in der Vorsaison ist Manchester United der Saisonstart misslungen. Damals verlor der erfolgsverwöhnte Verein zum Auftakt gegen Brighton und Brentford. Nach den peinlichen Niederlagen verordnete Trainer Erik ten Hag seinem Team ein Straftraining. Die Spieler mussten mit ihm zusammen jene 14 Kilometer nachlaufen, die sie im Vergleich zum Gegner Brentford weniger gelaufen waren.

Nun steht das auf Platz elf klassifizierte United nach vier Premier-League-Spieltagen sogar noch mieser da als zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres. Dem früheren Seriensieger gelangen zwar zwei späte Pflichtheimsiege gegen Wolverhampton und Nottingham. Aber die Auswärtspleiten in London, bei Tottenham Hotspur und beim FC Arsenal, sind zwei Schläge für die Ambitionen des Klubs, die Lücke zu Dauerchampion Manchester City zu schließen.

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Gerade Uniteds 1:3 bei Titelkandidat Arsenal am Sonntag förderte ernüchternde Statistiken zutage, zum Beispiel 3:12 Ecken, 19:42 Ballkontakte im Strafraum und 47:168 Pässe im Offensivdrittel. Nach der eigenen Führung durch Marcus Rashford (27. Minute) setzte es im Gegenzug den Ausgleich (Martin Ödegaard, 28.) - und in der Nachspielzeit den K. o. durch Tore von Declan Rice und Gabriel Jesus. Damit hat der Rekordmeister zuletzt neun von elf Liga-Auswärtsspielen gegen einen in der oberen Tabellenhälfte positionierten Klub verloren.

Nach der Arsenal-Niederlage war eine erneute Reaktion des Trainers quasi unvermeidlich. Auf der Pressekonferenz trug ten Hag eine ausführliche Mängelliste vor. Allerdings richtete sie sich nicht gegen seine Spieler und auch nicht gegen den eigenen Klub - sondern gegen Schiedsrichter Anthony Taylor. Dieser habe eine nachträgliche gelbe Karte für Arsenals Kai Havertz wegen Schwalbe nicht gegeben (nach korrigierter Elferentscheidung), einen Strafstoß für United sowie ein Foul an einem United-Verteidiger vor Arsenals Führung übersehen, klagte ten Hag. Und der Videoreferee habe seinem Team zudem den vermeintlichen Siegtreffer verweigert. Die Begründung des Niederländers: Die Abseitslinie sei "im falschen Winkel" gezogen worden.

Mittelfeldabräumer Amrabat kommt - dabei hat United schon zwei Spieler dieses Typs

Seiner Elf bescheinigte er hingegen eine "korrekte" Darbietung und eine Einstellung, wie sie "benötigt" werde. Die Zeitung Times amüsierte sich, dass United wirklich "in Schwierigkeiten" sei, wenn ten Hag eine verdiente Pleite als Fortschritt verkaufe. Allerdings dürfte die eigenartige Spielbewertung des eigentlich seriös analysierenden Trainers eher Selbstschutz gewesen sein. Denn anders als in seiner Debütsaison steht ten Hag jetzt weitaus mehr in der Verantwortung für eine in dieser Transferperiode mindestens seltsam anmutende Kaderplanung.

Knapp eine halbe Milliarde Euro hat der 53-Jährige seit seinem Amtsantritt bei United im Sommer 2022 ausgegeben, etwas weniger als die Hälfte in diesem Sommer. Während ten Hag im Vorjahr vor allem ihm bekannte Spieler mit durchaus achtbarem Erfolg bei United integrierte, wirkt es, als wäre es ihm jetzt nicht gelungen, darauf aufzubauen. So verpflichtete der Klub kurz vor Transferschluss auf Leihbasis den umworbenen Mittelfeldabräumer Sofyan Amrabat aus Florenz. Dabei besitzt Manchester in Casemiro und Scott McTominay bereits zwei Spieler derselben Kategorie für diese Position. Stattdessen fehlt der Mannschaft nach dem Abgang des Brasilianers Fred ein dynamischer Verbindungsspieler in der Zentrale. Der für stattliche 64 Millionen Euro von Chelsea abgeworbene und nun verletzte Mason Mount konnte die Rolle bisher ebenso wenig ausfüllen wie der Ballverteiler Christian Eriksen.

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Immerhin der neue Torjäger kommt zu seinem ersten Einsatz

Die Dysbalance im Manchester-Mittelfeld erinnert an den ersten Champions-League-Gegner FC Bayern, nur umgekehrt: Die Münchner verfügen zwar über eine Reihe an vielseitigen Mittelfeldprofis, die Manchester benötigt. Aber nicht über einen sogenannten Sechser, den die Engländer wiederum im Überangebot haben.

Ähnlich gestaltet sich die Lage bei United in der Abwehr und im Angriff. Obwohl der an sich zum Verkauf stehende Harry Maguire den Verein nicht verließ, verpflichtete der Klub kürzlich den vertragslosen Abwehrveteranen Johnny Evans für ein Jahr. Dadurch hat United sechs Innenverteidiger im Kader (fünf davon 29 Jahre und älter) - nur kaum brauchbare Spieler für die Außenpositionen in der Abwehrkette. Und in der Offensive stapeln sich beinahe die Flügelangreifer. Immerhin: Der neu geholte Torjäger Rasmus Höjlund (75 Millionen) wurde nach Rückenproblemen gegen Arsenal erstmals eingewechselt.

Sancho widerspricht seinem Trainer, ohne ihn beim Namen zu nennen

Zusätzlich zu den dürftigen Ergebnissen und der Kaderunwucht eskalierte nach dem Arsenal-Spiel auch noch ein sich anbahnendes Zerwürfnis zwischen Jadon Sancho und ten Hag. Der Coach erklärte das Fehlen des Offensivspielers mit dessen Trainingsleistungen in der Vorwoche. Dieser Darstellung widersprach der in den ersten drei Spielen jeweils eingewechselte Sancho sofort energisch. "Bitte glaubt nicht alles, was ihr lest", teilte der 23-Jährige in den sozialen Medien mit. Er habe sich im Training "sehr gut" präsentiert und werde daher nicht zulassen, dass "vollkommen unwahre" Dinge über ihn gesagt werden. Aus seiner Sicht gäbe es "andere Gründe" für seine Nichtberücksichtigung, auf die er jedoch "nicht eingehen" wolle. Er sei schon "seit langer Zeit der Sündenbock" bei United, behauptete Sancho. Den Namen seines Trainers nannte er nicht, er schrieb von "Leuten" ("people").

Die Vorwürfe dürften für den hochbegabten Sancho, der in seiner Karriere immer wieder mit Disziplinlosigkeiten aufgefallen ist und im Sommer 2021 für 85 Millionen Euro von Borussia Dortmund zu United wechselte, wohl nicht ohne Konsequenz bleiben. In der Vorsaison strich ten Hag nach schlechtem Start den damaligen Kapitän Maguire und auch Cristiano Ronaldo aus der Startelf. Ronaldo löste wenige Monate später im Streit seinen Vertrag auf. Die Maßnahmen schienen zu wirken: United legte anschließend eine vernünftige Spielrunde hin, inklusive League-Cup-Gewinn.

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