FSV in Pokal und Bundesliga:Mainz verzwergt sich selbst

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Beim FSV Mainz klappt derzeit überhaupt nichts mehr. (Foto: Torsten Silz/dpa)

Das katastrophale Pokal-Aus des FSV Mainz 05 gegen Bochum wird zum Spiegelbild einer missratenen Saison. Jetzt hoffen sie im Klub, dass sich Christian Heidel über die Festtage zu einer Rückkehr entschließt.

Von Frank Hellmann

Immerhin der Ablauf für die nächsten Tage steht beim FSV Mainz 05 fest. Am Montag sollen die Spieler am Bruchweg zum Corona-Test antreten, Dienstag steht das erste Training an. Ansonsten aber befindet sich der Bundesligist, wie der ehrenamtlich tätige Vereinschef Stefan Hofmann, 57, sehr passend sagt, "komplett im Krisenmodus". Hinter ihm liegt "kein normales Weihnachten". Der selbst ernannte Karnevalsverein ist kurz vor dem Jahreswechsel in den Chaos-Zustand gelangt: Sportvorstand Rouven Schröder, 45, ist schon weg, Trainer Jan-Moritz Lichte, 40, steht vor der Ablösung. Nachfolger für Manager und Trainer sind aber noch nicht gefunden. Diese wichtigen Personalentscheidungen würden frühestens nach den Feiertagen getroffen, bestätigten die Rheinhessen am Samstag.

Hofmann hatte kurz vor Heiligabend im Anschluss an das peinliche Pokal-Aus gegen den VfL Bochum (2:2, 0:3 im Elfmeterschießen) angekündigt: "Wir werden die Köpfe zusammenstecken und viel telefonieren." Vor allem mit dem Mann, der zwischen 1992 und 2016 die Mainzer Geschicke leitete: Christian Heidel. Der ehemalige Manager ist als Heilsbringer auf Besserung auserkoren. Dass Heidel durchaus erhebliche Verantwortung für eine verfehlte Kaderplanung beim FC Schalke 04 trug, hinderte die Mainzer Vereinsführung nicht daran, ihn zum Erlöser zu verklären. Heidel war schließlich derjenige, der in Notlagen die Trainer-Ikonen Jürgen Klopp und Thomas Tuchel entdeckte und aus einem biederen Zweitligisten irgendwann einen etablierten Erstligisten gemacht hatte. Fast alles hängt für den Fußballverein in seiner Heimatstadt jetzt an seinem Ja-Wort.

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Der Erstligist scheitert dramatisch am VfL Bochum, Viertligist Essen wirft Fortuna Düsseldorf aus dem Pokal. Stuttgart, Bremen und Wolfsburg stehen im Achtelfinale.

Hofmann findet die rückwärtsgewandte Suche nach einem Retter ganz normal: "Wir sind sportlich seit eineinhalb Jahren sehr instabil und müssen damit leben, dass sich viele Fans abwenden. Dass wir uns Gedanken machen, wie wir dem entgegenwirken können und welche Menschen die dafür nötige Expertise haben - und dann auf den Namen Christian Heidel kommen -, ist wohl nachvollziehbar." Das Problem: Der 57-Jährige hat sich über die Feiertage noch Bedenkzeit erbeten. Der zwischen seinen Wohnsitzen auf Mallorca und Mainz pendelnde Heidel will eigentlich nicht wieder als Allesmacher agieren, bei dem alle Strippen vom Scouting über die Kaderplanung bis zur Öffentlichkeitsarbeit zusammenlaufen. Er hätte es gut gefunden, mit Schröder zusammenzuarbeiten, den er selbst als seinen Nachfolger ausgesucht hatte.

Doch der Sportchef wertete die hinter seinem Rücken eingefädelte Rückholaktion Heidels als Misstrauensvotum und löste seinen Vertrag auf. Die Mainzer Vereinsführung stände schlecht da, wenn sich jetzt auch Heidel ziert. Hofmann sagte: "Ich glaube, den Plan B brauchen wir nicht." Und wenn doch? Aufsichtsratschef Detlev Höhne richtet in der Führungskrise mit ständiger Kompetenzüberschneidung wohl mehr Schaden als Nutzen an. Derweil bettelt die in Fraktionen zerfaserte Mannschaft um den Abstieg. Sie schaffte es in einer gespenstisch anmutenden Nacht vor Heiligabend, im Pokal gegen den Zweitligisten Bochum in fast schon tragikomischen Zügen auszuscheiden: eine 2:0-Führung in der vierten Minute der Nachspielzeit verspielt, die Überzahl in der Verlängerung nicht genutzt und dann gleich alle drei Elfmeter vergeben. Das Spiel und der Verlauf, konstatierte Hofmann anschließend zerknirscht, "spiegelt diese Saison beziehungsweise dieses Halbjahr genau wider".

Auch der am zweiten Spieltag beförderte Assistenztrainer Lichte erkannte darin "ein Sinnbild von dem, was wir über Wochen erleben". An der dramatischen Selbstverzwergung trägt der in zwölf Pflichtspiele nur einmal siegreiche Coach eine Mitschuld. Hofmann hat bereits angekündigt, sich in der Trainerfrage mit Heidel abzustimmen. Der habe schließlich "genügend Expertise und ein Netzwerk, um das zu beurteilen und danach entscheiden wir". Der eine Kandidat soll Bo Svensson, 41, sein, derzeit beim österreichischen Zweitligisten FC Liefering tätig. Der ehemalige Mainzer Profi würde eine Ablöse kosten. Der zweite Kandidat kommt schon nicht mehr infrage.

Der von Heidel geschätzte Domenico Tedesco, 35, teilte über seinen Arbeitgeber Spartak Moskau am ersten Weihnachtstag offiziell mit, dass man sich auf eine Zusammenarbeit bis zum Vertragsende im Mai 2021 geeinigt habe. Aus privaten Gründen will Tedesco zwar nicht den Vertrag verlängern, aber den russischen Hauptstadtklub auch nicht vorher verlassen.

Der Handlungsdruck auf die Nullfünfer ist durch die kurze Pause immens: Sogar Lichte hat die Klubführung zum Handeln aufgefordert: "Es ist jetzt ganz wichtig, dass klare Entscheidungen getroffen werden." Am 3. Januar geht es für Mainz zunächst zum FC Bayern, dann warten im Januar die Bundesligapartien gegen Eintracht Frankfurt, Borussia Dortmund, VL Wolfsburg, RB Leipzig und VfB Stuttgart. Aus Mainzer Sicht könnte man dieses Auftaktprogramm für einen schlechten Faschingsscherz halten.

"Wir haben seit anderthalb Jahren eine sportliche Krise, durch die Corona-Zeit kommt eine wirtschaftliche dazu", sagt Hofmann. Ihm macht vor allem der fehlende Zusammenhalt zu schaffen: "Uns fehlen die sozialen Kontakte, das Miteinander. Wir haben kein Gefühl, die Rückmeldungen in den sozialen Medien sind fatal." Die Gesamtentwicklung wird unter der Anhängerschaft längst mit Galgenhumor quittiert. Aus der Fanszene heißt es, die emotionale Distanz habe sich ausgehend von dem absurden Spielerstreik kurz nach Saisonstart von Spieltag zu Spieltag vergrößert. Der Klub könne froh sein, dass die Pandemie aktuell kein Publikum erlaubt - sonst würde Mainz 05 vor weitgehend leeren Tribünen spielen.

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Als möglicher Nachfolger kommt Ex-Manager Christian Heidel infrage, er erbittet sich Bedenkzeit. Linus Straßer glänzt beim Slalom in Madonna di Campiglio.

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