Mainz - Bochum:Ein Mann sieht Gelb

Lesezeit: 2 min

Glanz und Elend, so nah beieinander: Jeremiah St. Juste (rechts) erzielte bei seinem Comeback nach über einem Vierteljahr Verletzungspause das Siegtor für Mainz - Sebastian Polter vergab per Strafstoß die Führung für Bochum. (Foto: Alex Grimm/Getty)

Drei Tage vor ihrem Duell im DFB-Pokal sehen Mainz und Bochum beim 1:0, woran sie noch arbeiten müssen: FSV-Trainer Svensson an seinem Temperament, der VfL an seinen Elfmetern.

Von Frank Hellmann, Mainz

Vor einigen Wochen ermahnte Bo Svensson sich selbst zu erhöhter Aufmerksamkeit. Die Hinrunde war noch in vollem Gange, da hatte der an der Seitenlinie verdächtig an die impulsive Anfangszeit seines prägenden Lehrmeisters Thomas Tuchel erinnernde Trainer des FSV Mainz 05 bereits drei Gelbe Karten eingesammelt. Wegen Reklamierens bei den Schiedsrichtern oder Streitereien mit der gegnerischen Bank. Nun ist ausgerechnet der öffentlich so besonnene Däne der erste Bundesliga-Coach, der nach der vierten Gelben Karte einmal aussetzen muss. Jener nicht unumstrittene Passus war 2019/2020 in den deutschen Lizenzligen eingeführt worden. Selbst ein emotionaler Einpeitscher wie Steffen Baumgart blieb in jener Spielzeit beim SC Paderborn bei drei Verwarnungen stehen. Svensson holte sich nun beim schwer erkämpften 1:0-Heimerfolg gegen den VfL Bochum nach einem kurzen Disput mit dem Vierten Offiziellen Florian Heft von Schiedsrichter Frank Willenborg seine vierte Verwarnung ab - und fehlt am Samstag bei der SpVgg Greuther Fürth.

Sein Fehlverhalten basiere zwar diesmal auf einem "Missverständnis", beteuerte der Nullfünfer-Coach, räumte aber ein: "Das ist keine Ausrede. Das ist nicht eine Gelbe Karte, sondern es sind vier - das ist nicht so optimal." Der 42-Jährige nimmt sich selbst ins Gebet, in der Coaching Zone eine bessere Balance zu finden. "Ich bin als Trainer immer noch am Anfang, muss auch Sachen lernen, habe Bereiche, in denen ich mich verbessern muss. Das ist einer davon", hatte er bereits nach dem zwölften Spieltag zugegeben. Die Freude über den Arbeitssieg gegen robuste Gäste trübe seine nun als Novum in den Annalen verewigte Sperre "Null Komma null", betonte Svensson noch.

Ähnlich äußerten sich seine Spieler: Ihr Trainer sei inzwischen schon lange genug da, jeder wisse, was zu tun sei. Wie zum Beleg hatte der mehr als ein Vierteljahr wegen einer schweren Schulterverletzung fehlende Jeremiah St. Juste beim Comeback nicht nur eine tadellose Leistung gezeigt; der aufgerückte Verteidiger erzielte nach Vorlage des angeblich unverkäuflichen U21-Nationalstürmers Jonathan Burkardt auch das einzige Tor (48.). "Ich bin schneller zurück als erwartet - und mit der Schulter ist alles fein", freute sich der Niederländer, der zum Beleg vor dem Reporterpulk den Hampelmann machte.

Vor Bochums Strafstoß gibt es Streit zwischen Milos Pantovic und Schütze Sebastian Polter

Nicht minder fidel kam auch Torwart Robin Zentner daher, der bei einem Elfmeter von Sebastian Polter ins richtige Eck abtauchte (32.). Vor der Ausführung hatten beim ansonsten so auf Harmonie bedachten Klassenneuling zwei Offensivkräfte wie Kinder auf dem Schulhof gestritten. Zunächst schnappte sich Milos Pantovic den Ball. Die Reihenfolge sei "nicht klar definiert: Ich hätte gerne geschossen." Der gefoulte Polter nahm seinem Mitspieler das Spielgerät mit dem Argument aus den Händen: "Ich will Tore schießen, ich bin Stürmer! Elfmeter ist nun mal der schnellste Schuss zum Tor." Dumm nur, wenn solch ein schwaches Schüsschen herauskommt.

Einen festen Schützen, erklärte Bochums Trainer Thomas Reis hinterher, gebe es tatsächlich nicht. Ausdrücklich festgelegt habe er nur, wer bitte nicht mehr antritt: Torwart Manuel Riemann, der in einem Heimspiel gegen die TSG Hoffenheim den Ball über die Latte drosch wie einst Uli Hoeneß im EM-Finale 1976. Reis befleißigte sich einer recht pragmatischen Sichtweise auf die Posse: "Ich bin froh, dass wir viele mündige Fußballer haben. Vielleicht brauchen wir am Dienstag mehrere Elfmeterschützen." Bochum und Mainz treffen dann nämlich im DFB-Pokal-Achtelfinale gleich wieder aufeinander. Im Ruhrstadion erwartet der VfL-Coach "ein ähnliches Kampfspiel mit einem engen Ergebnis." Dass es zum Elfmeterschießen kommt, scheint tatsächlich nicht völlig abwegig: Einen Tag vor Heiligabend 2020 setzte sich Bochum auf diesem Weg im Pokal bei den Rheinhessen durch. Der damals schwer kriselnde Karnevalsverein brachte nicht einen einzigen Versuch aus elf Metern im Tor unter. Daraufhin machten die Mainzer über den Jahreswechsel die Rückholaktion von Bo Svensson perfekt.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: