Mainz 05 gegen VfL Bochum:Bo Fantastic und der furchtlose Johnny

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Wer zwei Tore schießt, kann auch mal nach dem Spiel auf den Zaun klettern: Jonathan Burkardt stimmt das obligatorische Humba-Täterä an. (Foto: Torsten Silz/dpa)

Auch unter Trainer Henriksen sieht der Mainzer Fußball nicht hübsch aus, dafür aber gewinnt das Team wichtige Spiele. Beim 2:0 gegen den Abstiegskonkurrenten Bochum überzeugen Doppeltorschütze Burkardt und das hart arbeitende Kollektiv.

Von Frank Hellmann, Mainz

So unaufhörlich sich Bo Henriksen am Spielfeldrand durchs lange Haar streicht, so unablässig redet dieser Fußballlehrer auf Pressekonferenzen von Dingen, die ihm "fantastic" vorkommen. Nur einmal hat der vorzugsweise in Englisch kommunizierende Trainer des FSV Mainz 05 nach dem Heimspiel gegen den VfL Bochum (2:0) seinen fortwährenden Lobeshymnen unfreiwillig widersprochen: "Die Qualität des Spiels war nicht gut, aber das ist uns egal."

Tatsächlich hatte der Mainzer Fußball über weite Strecken nicht so fantastisch ausgesehen, aber die Herangehensweise der Mannschaft diente als Lehrbeispiel für jene viel zitierte "Worker-Mentalität", mit der auch die deutsche Nationalmannschaft angeblich schon bald Werke gehen soll. Der Lohn eines "zu 100 Prozent verdienten Erfolgs" (Henriksen) ist vor der Länderspielpause aus Mainzer Sicht der Sprung auf den Relegationsrang. Die Befürchtung, dass die 1:8-Pleite in München den Nullfünfern mehr als das Torverhältnis vermasseln würde, ist zerstreut.

Gleichwohl hatte Sportdirektor Martin Schmidt beobachtet, dass "wir 40 Minuten einen Riesenstein herumgetragen haben: Mut und Selbstbewusstsein haben gefehlt." Heraus kam ein unansehnlicher Abstiegskick, bei dem gefühlt nur jeder zweite Pass beim Mitspieler ankam. Mitunter stöhnten viele der 33 000 Zuschauer, wenn das ständig durch die Luft gebolzte Spielgerät im Sekundentakt den Besitzer wechselte. Einzig ein minderjähriger Flitzer, der schwerfälligen Ordnern mit seinen hasengleichen Haken davonrannte, sorgte einmal für Unterhaltung.

So umstritten es war, dass Schiedsrichter Matthias Jöllenbeck nach einem leichten Fußtreffer von Bochums Verteidiger Bernardo ("mein erster Kontakt ist am Ball") gegen den Mainzer Jae-Sung Lee auf den Elfmeterpunkt zeigte: Der von Jonathan Burkardt souverän verwandelte Strafstoß (45.+3) sorgte wenigstens bei den Rheinhessen für eine gewisse Befreiung. Und weil der ehemalige U21-Nationalmannschaftskapitän nach Lee-Vorlage noch einmal traf (71.), sah das Resultat letztlich besser aus als das Spiel. Den Verantwortlichen imponierte, wie der wegen eines Knochenmarködems im linken Knie zwischenzeitlich für mehr als ein Jahr fehlende Spieler aus der eigenen Jugend die vermaledeite Serie von vier verschossenen Elfmetern in Serie durchbrach. "Herausragend" fand es Schmidt, "dass der junge Kerl in dieser Situation, nach seiner langen Verletzung, die Verantwortung übernimmt." Und Henriksen hielt nicht minder begeistert fest: "Johnny hat vor nichts Angst. Das ist es, was wir in unserer Situation brauchen."

Erst im Abschlusstraining hatte Henriksen noch einmal Elfmeter üben lassen, dann die Nummer 18 (Nadiem Amiri) und 29 (Burkardt) als Schützen auf die Tafel geschrieben. Burkardt bat Amiri vor der Ausführung erst artig um Erlaubnis. "Er hat mir gesagt: Schieß den Ball rein! Dann hat's noch gefühlt drei Stunden gedauert. Schön, dass er drin war." Klar, dass der Doppeltorschütze für die in Mainz übliche Humba-Täterä-Zeremonie auf den Zaun kletterte. "Ich hoffe, die Leute haben gesehen, was auch uns dieser Sieg bedeutet", berichtete der 23-Jährige angemessen erfreut. "Ich habe das erste Mal in dieser Saison mit der Mannschaft gewonnen, da ist einiges von mir abgefallen." Seine Saisontore drei und vier könnten der Anfang einer Aufholjagd sein: "Es ist noch nichts vorbei und noch nichts entschieden."

Der gefeierte Matchwinner stritt nicht ab, dass es dem impulsiven Einpeitscher Henriksen gelingt, zumindest einen Teil seiner positiven Energie aufs Team zu transferieren. Der 49-Jährige hat in fünf Spielen nun bereits öfter gewonnen (zweimal) als seine Vorgänger Bo Svensson und Jan Siewert zusammen. Die Zuversicht ist zurück. "Hauptziel ist es, Köln zu überholen - und dann die Gegner davor zu verunsichern", kündigte Sportchef Schmidt an. Bei den nur noch sechs Punkte entfernten Bochumern scheint das bereits zu wirken. "Dass gerade ein paar Prozent fehlen, sehen wir", sagte Sportdirektor Marc Lettau. "Die Länderspielpause tut uns jetzt ganz gut. Dann starten wir am Ostersonntag gegen Darmstadt in die heiße Phase der Saison." Auch Trainer Thomas Letsch gab eine Warnung aus: "Mit 25 Punkten blieb noch keiner in der Liga." Im Gegenzug solle niemand tief im Westen Untergangsszenarien entwerfen: "Wir sind in einer Ausgangsposition, die leider nicht so komfortabel ist, wie wir uns das gewünscht hätten. Sie ist aber auch nicht so, dass wir morgen von der Brücke springen."

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