FSV Mainz 05:Der höchst mögliche Nostalgiefaktor

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Sportvorstand Christian Heidel (li.) und Sportdirektor Martin Schmidt (re.) hielten bis zuletzt an Bo Svensson fest. (Foto: Marcel Lorenz/dpa)

Als Spieler nahm er von Klopp und Tuchel einiges mit - nun komplettiert Bo Svensson als neuer Trainer das Triumvirat der Ehemaligen beim Bundesliga-Vorletzten. Sein Vertrag gilt auch für die zweite Liga.

Von Frank Hellmann, Mainz

Niemand muss Bo Svensson erklären, an welchen prominenten Figuren jeder Trainer gemessen wird, der beim FSV Mainz 05 die Verantwortung übernimmt. In seiner aktiven Spielerzeit zwischen 2007 und 2014 hat der Däne selbst die prägende Arbeit von Jürgen Klopp und Thomas Tuchel erlebt: "Ich habe von beiden viel mitgenommen. Ich wäre blöd, wenn ich das nicht gemacht hätte. Mir ist inhaltlich und menschlich sehr viel geblieben, wie man eine Mannschaft führt - und die Art und Weise zu spielen", sagte der Däne bei seiner Vorstellung als Chefcoach, "natürlich hat das auch ein Stück in mir diese Lust geweckt, Trainer zu werden."

Svensson, 41, abgeworben vom österreichischen Zweitligisten FC Liefering, ist nach Achim Beierlorzer, Jan-Moritz Lichte und Jan Siewert bereits der vierte Trainer beim Tabellenvorletzten Mainz, für den am Samstag das Nachbarschaftsderby gegen Eintracht Frankfurt ansteht. Er komplettiert das Triumvirat der Ehemaligen bei 05, nachdem bereits kurz nach Weihnachten Ex-Manager Christian Heidel, 57, als Vorstand Strategie, Sport und Kommunikation und Ex-Trainer Martin Schmidt, 53, als neuer Sportdirektor anheuerten. Der höchst mögliche Nostalgiefaktor in der sportlichen Leitung soll dem selbst ernannten Karnevalsverein neben Frohsinn auch wieder Kontinuität bescheren.

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"Wir wollen mit Bo ein neues Projekt bei Mainz 05 starten", sagt Heidel, der einst auf unkonventionellem Weg mitten im närrischen Treiben 2001 aus dem Spieler Klopp einen Trainer machte und 2009 kurz vor Saisonbeginn den Jugendtrainer Tuchel zu den Profis holte. Der frühere Autohändler Heidel platzierte damit charismatische Persönlichkeiten auf der Trainerbank, die dem Standort Mainz und der Bundesliga längst entwachsen sind. Der bei seiner Präsentation sehr bodenständig wirkende Svensson soll seinen berühmten Vorgängern folgen. Wenn von Klopp und Tuchel die Rede ist, verhält es sich allerdings bei den Nullfünfern wie beim Scheinriesen Herr Tur Tur in dem Kinderbuch "Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer": Je weiter weg deren Wirken liegt, desto größer strahlen deren Verdienste für den kriselnden Klub, der mit allen Mitteln die besseren Zeiten wieder zum Leben erwecken möchte.

Heidel sicherte dem neuen Trainer "grenzenlose Unterstützung" zu, das habe früher ja auch geklappt, "und das wird auch der Ansatz bei Bo Svensson sein". Deswegen sei dessen Vertragslaufzeit "hoch ausgefallen": Mal gleich für dreieinhalb Jahre gilt das Arbeitspapier, ausdrücklich auch für die zweite Liga. "Ich bin nur hier, weil es um eine längerfristige Herausforderung geht", betonte Svensson, der mit seinem früheren Mainzer Jugendtrainer Babak Keyhanfar noch ein bekanntes Gesicht an den Bruchweg zurückbringt.

Als Heidel an Heiligabend bei Svensson anrief, weilte der noch in seiner Heimatstadt Kopenhagen, aber große Überredungskünste waren offenbar nicht vonnöten: "Seit 13 Jahren wohne ich in Mainz, mein kleinster Sohn ist hier geboren, meine Kinder gehen zur Schule. Das hat eine große Rolle gespielt." Im Sommer 2019 hatten die Mainzer für den damals im FSV-Nachwuchsleistungszentrum tätigen Svensson von RB Salzburg rund 1,5 Millionen Euro Entschädigung bekommen. "Jetzt haben wir das Geld mit einem kleinen Schnapsglas obendrauf einfach zurückbezahlt", verriet Heidel.

Svenssons fehlende Bundesliga-Erfahrung empfindet der alte und neue Macher Heidel nicht als Nachteil. Viel wichtiger sei doch: "Wir müssen ihm Mainz 05 nicht erklären. Und er weiß, welchen Fußball wir spielen wollen." Am besten so leidenschaftlich wie unter Klopp und so listig wie unter Tuchel, den Svensson bei seiner Präsentation eigens grüßte. Ihr Verhältnis war aber nicht immer ungetrübt. Als der dänische Nationalspieler zum Ende seiner Karriere häufiger auf der Bank saß, kritisierte er Tuchel heftig: Die Wortwahl des Trainers sei oft unangemessen, die Ansprüche zu hoch. Wohl auch deshalb gibt es zwischen den beiden keinen Kontakt mehr.

Svensson weiß, dass er den Rollenwechsel vom Lieferinger Entwicklungstrainer - für ein im Schnitt 19 Jahre junges Farmteam unter dem Red-Bull-Dach - zum Nothelfer einer in verschiedene Fraktionen zerfallenen Bundesliga-Mannschaft schnell bewältigen muss: "Das ist etwas anderes". Sein Versprechen: "Ich stehe für die Mainzer Tugenden." Er werde die nächste Zeit an vielen Schrauben drehen, "das wird knallhart und konsequent durchgezogen." Die Herangehensweise ist ausgemacht: den Gegner unter Druck setzen, mit viel Tempo umschalten. So wie das eine Halbzeit bereits beim FC Bayern (2:5) geklappt hat, soll es auch gegen Frankfurt gehen. Pikant ist, dass vor fünf Jahren Svenssons neuer Vorgesetzter Schmidt mit einem 3:1-Heimsieg gegen die Eintracht seinen Einstand als Trainer feierte. Einige Mainzer Spieler behaupteten damals, diese prestigeträchtige Partie hätte man damals gar nicht verlieren können, so fest habe das Messer zwischen den Zähnen geklemmt. Svensson sagte zu jener Episode nur: "Das muss jetzt der Anspruch für jedes Spiel sein."

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