Lukas Podolski im DFB-Team:Löws liebstes Sorgenkind

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Beim Testpiel in Danzig gegen Polen tritt Lukas Podolski zum ersten Mal als Nationalspieler im Land seiner Geburt an. Doch es liegt nicht an seiner Herkunft, dass der 26-Jährige noch immer dabei ist. Auch wenn alle zweifeln, Bundestrainer Joachim Löw glaubt an seinen linken Fuß.

Boris Herrmann

Es muss kein schlechtes Zeichen sein, dass Lukas Podolski inzwischen wie Joachim Löw aussieht. Er trägt eine edle blaue Stoffhose, dazu ein helles Hemd mit gestärktem Kragen, einen stilvoll zerknitterten Sommerschal sowie ein anthrazitfarbenes Westchen, die Kenner sagen dazu: Cardigan.

Wenn es eng wird um ihn, spielt er in der Nationalmannschaft immer gut: Lukas Podolski, beim Torjubel nach seinem 3:0 gegen Österreich, zusammen mit Vorlagengeber Holger Badstuber. (Foto: Oliver Hardt/Getty Images)

Man sollte jedoch dazu sagen, dass Podolski seine Garderobe nicht alleine ausgesucht hat. Als sich am Dienstag um kurz nach 12 Uhr mittags in Danzig die Türen der Lufthansamaschine LH 3085 öffneten, entstiegen ihr neben dem Original-Löw 18 weitere kleine Löws, alle mit Schal und Cardigan ausgestattet. Der Bundestrainer ist ja gerade auf bestem Wege, eine neue Spielergeneration nach seiner Fußball- und Lebensphilosophie zu formen. Und das geht offenbar soweit, dass er sie jetzt seinem Ebenbild anpasst.

Der Löw-Klon mit Namen Podolski hat auf dem Rollfeld in Danzig in seiner offiziellen EM-Zivilkluft noch eben einen offiziellen EM-Fußball signiert, dann ist er mit allen anderen Löws im offiziellen deutschen EM-Bus verschwunden, der bereits mit dem Slogan "Cieszymy sie na rok 2012" (Wir freuen uns auf 2012) beschrieben ist. So deutlich wie in diesem Moment war der ganzheitliche Ansatz selten zu erleben, mit dem der DFB seine Generation der Hochbegabten ins Unternehmen Zukunft schickt.

Der polnische Kölner

Das Besondere an Podolski ist nun, dass er dieser neuen Spieler- und Modekennergeneration eigentlich gar nicht mehr angehört. Er ist im vergleichsweise biblischen Alter von 26 Jahren. Er entstammt der Ära der WM-Patrioten von 2006, von denen die meisten ihre Zukunft bereits hinter sich haben. Vor allem aus dem offensiven Mittelfeld, wo sich der Nachwuchs besonders aufmüpfig zeigt, wurden die meisten von ihnen nach und nach verdrängt.

Der offensive Mittelfeldspieler Podolski ist noch dabei - trotz Schürrle, trotz Götze, trotz Müller, Großkreutz, Reus und wie sie alle heißen. Podolski ist eines der letzten Dokumente dessen, dass die nächste Generation doch noch nicht alles bekommt, auch wenn sie talentiert ist. Er steht bei Löw unter Artenschutz. Kein anderer deutscher Spieler hat in den vergangenen fünf Jahren so viele Länderspiele gemacht wie der polnische Kölner.

Jetzt könnte man natürlich böse sein und sagen: An seinen Vereinsleistungen kann es nicht liegen. Und vermutlich stimmt das sogar. In seiner Zeit beim FC Bayern lief es überhaupt nicht, und nach seiner Rückkehr zum 1. FC Köln nicht viel besser. Unter dem neuen Trainer Stale Solbakken wurde dem Stadtheiligen gerade schamlos die Kapitänsbinde entzogen. Podolski sagt: "Verschiedene Themen, die um den Verein passieren, sind nicht gut für die einzelnen Personen." Bei der einzelnen Person kann es sich nur um ihn selbst handeln. Und um die verschiedenen Themen alle aufzuzählen, bräuchte man ein sehr dickes Buch.

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Mit dem Testspiel am Dienstagabend gegen Polen weiht die DFB-Auswahl das neue Stadion in Danzig ein. In dem Land, in dem Podolski geboren wurde, findet im kommenden Jahr bekanntlich auch die EM-Endrunde statt. Manch einer mag es als einen folkloristischen Akt der Gnade begreifen, dass Podolski da aller Voraussicht noch einmal dabei sein darf. Wer Löw kennt, weiß allerdings, dass er so nicht denkt.

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Er setzt nicht auf den Klubspieler, sondern auf den Nationalspieler Podolski, und man kann nicht oft genug erwähnen, dass es sich dabei um zwei grundlegend verschiedene Menschen handelt. Dem einen werden in schöner Regelmäßigkeit die torlosen Bundesliga-Minuten vorgerechnet, der andere hat seinem Land stets treue Dienste erwiesen. Bei den zurückliegenden drei Großturnieren (WM 2006, EM 2008, WM 2010) schoss Podolski insgesamt acht Tore. Dazwischen hing er auch im DFB-Dress öfter mal durch, aber er begeisterte immer dann, wenn es für ihn eng zu werden drohte. So wie am Freitag beim 6:2 gegen Österreich.

Löw ist mit Podolski vor diesem Spiel hart ins Gericht gegangen, öffentlich und intern. Er hat ihm Videos vorgeführt und seine Fehler veranschaulicht. "Gerade, wenn man mit Bildern arbeitet, ist Lukas empfänglich", hatte der Bundestrainer etwas großväterlich mitgeteilt. Nach dem Schlusspfiff stimmte er dafür einen umso schöneren Lobgesang auf sein liebstes Sorgenkind an: "Er ist viel in die Tiefe gegangen und weniger entgegen gekommen. Wenn er aus der Bewegung spielt, ist er klasse."

Prima Kontermaschine

Im Unterschied zu so manchem Klubtrainer hat Löw offenbar ein klares Bild von den Stärken und Schwächen Podolskis. Wenn er mit dem Rücken zum Tor steht, fällt ihm wenig ein. Wenn er aber das Feld vor sich hat, wenn man ihm Raum zum spielen gibt, dann ist er immer noch eine der besten Kontermaschinen weit und breit.

Sein linker Fuß produziert aus vollem Lauf nicht nur fulminante Torschüsse, sondern auch präzise Flanken -, und wenn die ganze Nation ihn fallen ließ, Löw hat immer an diesen Fuß geglaubt. Er mag in den engen Partien gegen absolute Topgegner auf Augenhöhe nicht immer seine volle Wirkung entfalten, aber er ist und bleibt eine zuverlässige Waffe, wenn es gegen Mittelkräfte und Fußballzwerge geht.

Und so wie sich die europäischen Machtverhältnisse aus Sicht der kleinen deutschen Riesen im Moment darstellen, wird der Fuß von Lukas Podolski bei der Mehrheit der Spiele im kommenden Jahr durchaus gebraucht.

© SZ vom 06.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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