Beachvolleyball:Ein My zu wenig für Ludwig und Kozuch

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"Batterien aufladen": Laura Ludwig (im Bild) und Margareta Kozuch lassen die EM in Wien aus. (Foto: Daniel Leal-Olivas/AFP)

Die Beachvolleyballerinnen verlieren ihr olympisches Viertelfinale - und müssen mit der Erkenntnis leben, dass ihnen auf allerhöchstem Niveau die Konstanz gefehlt hat.

Von Sebastian Winter

Laura Ludwig freut sich jetzt natürlich auch, auf zu Hause, auf Teo, ihren Sohn. Sie lässt die Welt in den sozialen Medien und in Interviews ja teilhaben an ihrem Familienglück, zugleich haben sie und ihr Ehemann, der Bundestrainer Imornefe Bowes, den Dreijährigen nun seit mehr als drei Wochen nur virtuell gesehen, per Videoschalte zu den Großeltern in Berlin, die sich kümmerten. Nur: In die Freude mischt sich maßlose Enttäuschung, denn die erhoffte Medaille kann die Beachvolleyball-Olympiasiegerin von Rio 2016 und anschließende Bambi-Gewinnerin dem kleinen Wuschelkopf nach ihrer Rückkehr nicht um den Hals hängen.

Zu stark waren die US-Amerikanerinnen April Ross und Alexandra Klineman, die das Viertelfinale im Shiokaze Park nahe der Rainbow-Bridge gegen Ludwig und ihre Partnerin Margareta Kozuch mit 2:0 (21:19, 21:19) gewannen. Die Mitfavoritinnen auf Gold bleiben damit ohne einen einzigen Satzverlust in Rio.

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Es war schon deshalb ein spannendes Aufeinandertreffen, weil sich in Ross und Ludwig zwei hochdekorierte Weltklasse-Spielerinnen im Sand begegneten. Ross, inzwischen 39, war 2009 Weltmeisterin, 2012 in London gewann sie Olympia-Silber, 2016 in Rio mit Kerri Walsh Bronze. Ein Jahr später verlor sie das WM-Finale in Wien mit Walsh gegen Ludwig und Kira Walkenhorst. Ludwig hat Walsh, die dreimalige Olympiasiegerin, immer als Vorbild betrachtet, weil diese noch nach der Geburt ihrer Kinder die bedeutendsten Titel gewann. Auch das blieb der deutschen Abwehrkünstlerin in Tokio verwehrt, was sie schmerzen wird.

Es gab in diesem Viertelfinale in Tokio aber eine weitere, noch interessantere Konstellation: Welche der beiden früheren Hallenspielerinnen würde den besseren Eindruck machen? Gewissermaßen war es auf beiden Seiten auch ein gewagtes Experiment. Denn während Ross und Ludwig im Sand sozialisiert wurden und dort seit weit mehr als einem Jahrzehnt spielen, sind Klineman und Kozuch Hallenspielerinnen, die erst 2017 in den Sand wechselten. Sie waren Spezialistinnen, auf eine bestimmte Position fixiert. Nun mussten sie eine völlig neue Disziplin lernen, universelle Spielerinnen werden, die aufschlagen, annehmen, abwehren, zuspielen und blocken können. Und zusätzlich den Spielwitz, das Ballgefühl und die Intuition verinnerlichen, die im Sand unerlässlich sind.

In den entscheidenden Momenten macht Kozuch die Fehler

Kozuch war oft dafür kritisiert worden, manche dieser Attribute vermissen zu lassen, zu inkonstant zu spielen, Fehlerserien aneinanderzureihen, die zwei Jahre an Ludwigs Seite erinnerten an eine ständige Berg- und Talfahrt, mit mehr Tälern als Bergen. Wenn eine Fehler macht, im Aufschlag, in der Annahme, im Angriff, dann Kozuch. So war jedenfalls oft der Eindruck. Dann kam am vergangenen Sonntag das olympische Achtelfinale gegen die Brasilianerinnen Agatha/Duda, die Mitfavoritinnen auf Gold. Und Kozuch machte - bei ihrer ersten Olympiateilnahme - ein Weltklasse-Spiel, abgeklärt, souverän, gewitzt, selbst beim gegnerischen Matchball. Sie schien bereit für den nächsten Berg.

Doch im Viertelfinale fiel ihr Spiel wieder etwas zurück. Kozuch reihte nicht mehr Fehlerserien aneinander, wie früher ab und an. Aber in den entscheidenden Situationen war sie es dann doch, die nervös wurde und Fehler machte. Klineman machte fast keine Fehler - genauso wie Ross, die auf der Jagd nach ihrem ersten Olympiagold endlich erfolgreich sein möchte.

Laura Ludwig und Margareta Kozuch scheiden im Viertelfinale aus. (Foto: Tom Bloch /imago images/Beautiful Sports)

Dabei waren die Deutschen gut ins Spiel gekommen im ersten Satz, als der Regen kam und immer stärker wurde. 11:8 führten sie. Ludwig hatte gerade mit einem ihrer von Gegnern gefürchteten "Laura-Laser"-Abwehrbälle gepunktet, die sie immer wieder einstreut und direkt in die andere Feldhälfte baggert. Dann wurde Kozuch zweimal von Klineman geblockt, die Führung war dahin. Beim 18:19 geriet ein Angriff von Kozuch zu lang, beim 19:20 spielte sie den Ball zu harmlos auf Ross, die den Satzball verwandelte.

Auch danach war das Spiel sehr ausgeglichen, doch Kozuch bekam Annahmeprobleme, 3:5. Es waren Nuancen, die die Partie entschieden, wie beim 18:19, als Kozuch den Aufschlag ins Netz setzte und so jene beiden Matchbälle für die US-Amerikanerinnen heraufbeschwor, deren zweiten diese nutzten. Ludwig wäre das wohl nicht passiert. Sie sagte später: "Es ist bitter, weil es zwei, drei Phasen gibt, wo man weiß, da hätte man ein My mehr machen können". Die Statistik sprach am Ende ebenfalls gegen die Deutschen: 1:3 Blocks, 6:10 Abwehrbälle, 1:3 Asse. Auch Ludwig hatte Fehler gemacht - nur eben nicht in den Schlüsselmomenten.

Der fünfte Platz in Tokio ist das beste Ergebnis von Laura Ludwig, 35, und Margareta Kozuch, 34, seit Ende 2019 auf weltweiten Beachvolleyball-Turnieren, gemessen daran ist er ein Erfolg. Er ist das zweitbeste Ergebnis eines deutschen Frauenduos im olympischen Sand - mit dem fünften Platz, den Ludwig 2012 in London mit Sara Goller erreichte. Aber wer Ludwig kennt, die Olympiasiegerin, die Fahnenträgerin von Tokio, die Weltmeisterin und viermalige Europameisterin, die vielleicht beste Abwehrspielerin der Tour und Mutter eines Sohnes, der weiß, dass sie wie Kozuch auch als Geschlagene nach Hause zurückkehren wird.

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