Trent Alexander-Arnold:Heimlicher Spielmacher

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Hauptdarsteller auf einer wenig galmourösen Position: Rechtsverteidiger Trent Alexander-Arnold. (Foto: Rui Vieira/dpa)
  • Fast uneinholbar liegt der FC Liverpool von Trainer Jürgen Klopp an der Spitze der Premier League.
  • Auch dank des brillanten Rechtsverteidigers Alexander-Arnold, der davon profitiert, dass sich die Rolle seiner Position verändert hat.

Von Christian Zürcher

Es ist höchste Zeit, über einen Rechtsverteidiger zu sprechen. Über einen Mann aus Liverpool auf einer Position, die gerne unterschätzt wird. Rechtsverteidiger gehen gewöhnlich am günstigsten über die Transfertische. Wer wenig kann, wird rechter Abwehrmann, lautet ein bitterböses Sprichwort. Zu viele gibt es von ihnen, zu wenige sind spektakulär. Doch in Liverpool spielt nun einer, der zu den wenigen Besonderen gehört: Trent Alexander-Arnold.

4:0 gewann seine Mannschaft, das Team von Trainer Jürgen Klopp, am Donnerstag im Spitzenspiel gegen Verfolger Leicester. Der 21-Jährige an allen vier Toren beteiligt. Und auch in der Partie gegen die Wolverhampton Wanderers an diesem Sonntag (17.30 Uhr) wird er wieder gefragt sein, so viel ist nach seinen Leistungen zuletzt sicher. Beim ersten Tor gegen Leicester schlug er die Flanke hoch auf den Torschützen Roberto Firmino, beim zweiten provozierte sein Eckball den Handelfmeter, beim dritten flankte er erneut auf Firmino, flach und wuchtig, in den Rücken der Abwehr. Und beim vierten Treffer, da war er selbst das Ende der Liverpooler Wertschöpfungskette.

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Die Mannschaft um Trainer Jürgen Klopp hat jetzt 13 Punkte Vorsprung auf die Tabellenzweiten - und träumt von der ersten Meisterschaft seit 30 Jahren.

Auf der linken Seite startete der FC Liverpool aus der eigenen Hälfte den Angriff. Alexander-Arnold stand tief in der eigenen Platzhälfte und rannte an den Kollegen vorbei, Rechtsaußen Sadio Mané legte ihm den Ball in den vollen Lauf. Alexander-Arnold zog ab und traf zum Prachttor in die Ecke. Der Engländer baute sich vor den Fans auf, mit verschränkten Armen und finsterem Blick. Die Aussage: Seht her, da bin ich.

Die Rolle des Rechtsverteidigers hat sich gewandelt

Alexander-Arnold profitiert davon, dass sich die Rolle des Rechtsverteidigers gewandelt hat. Früher hatten die zentralen Mittelfeldspieler die meisten Ballkontakte, beim FC Barcelona brillierte vor einigen Jahren etwa das Duo Xavi und Iniesta. Mittlerweile sind die Außenverteidiger zu heimlichen Spielmachern geworden. Gegen Leicester spielte Alexander-Arnold 60 Pässe, davon 37 in der gegnerischen Hälfte, 17 davon waren Flanken. Der Mann drängt nach vorne, aber hinterlässt - oftmals noch zum Ärger der ­Liverpool-Fans - dabei auch Lücken.

Sobald er aber zu passen beginnt, verschwindet aller Gram. Alexander-Arnold kann flanken, scharf und präzise. Er kann die Flanke aus dem Halbfeld, er kann sie an der Grundlinie, unter ­Bedrängnis. Und er kann den Pass aus der eigenen Hälfte, einen Meter über dem Boden, über 40 Meter, punktgenau zum Kollegen. Dazu gehören natürlich auch Freistöße, die er perfekt in den Strafraum serviert.

Nach dem Sieg über Leicester hat Liverpool 13 Punkte Vorsprung auf die Konkurrenten, die erste Meisterschaft seit 1990 ist sehr nah. Liverpool dominiert, es hat mit dem Torwart Alisson Becker, Verteidiger Virgil van Dijk, Mittelfeldspieler Jordan Henderson und den Stürmern Mo Salah, Mané und Firmino wunderbare Fußballer im Kader.

Ein Beispiel, weshalb dieses Liverpool gerade so gut funktioniert, ist aber auch James Milner, der häufig eingewechselt wird und das Team trotzdem trägt. Gegen Leicester versenkte er mit der ersten Ballberührung den Strafstoß. Mit ihm hat Liverpool jüngst bis 2022 verlängert, Milner ist bereits 33 Jahre alt, ihm fehlt zwar das feine Spiel eines Firmino, und doch hat er es in Liverpool zu Heldenstatus gebracht. Weshalb das so ist, zeigte etwa eine Szene aus der 90. Minute: Der Mittelfeldspieler wird übel getroffen, er liegt am Boden, Schmerzen plagen ihn, doch statt liegen zu bleiben, steht er wieder auf, das Spiel geht weiter.

Nach dem Spiel wurde aber vor allem Trent Alexander-Arnold mit netten Worten geschmückt. Langsam ist er solche Worte beinahe gewohnt. Klublegende Steven Gerrard hat ihn in seiner Autobiografie bereits herausgehoben - Alexander-Arnold war da 16 Jahre alt. Trainer Jürgen Klopp nennt ihn eine Maschine, und in Liverpool haben sie ein Haus mit seinem Bild bemalt und seinen Satz nach dem Champions-League-Titel hinzugefügt: "Ich bin einfach ein normaler Junge aus Liverpool, dessen Traum wahr geworden ist."

Er stammt aus dem Stadtteil West Derby und spielt nicht nur Fußball. Alexander-Arnold mag Schach - und er spielt das Spiel gar nicht mal so schlecht. 2018 versuchte er sich in einer Partie gegen den norwegischen Weltmeister Magnus Carlsen. Der Liverpooler verlor in 17 Zügen. Zum Vergleich: Bill Gates war bereits nach neun schachmatt. Ziel war es damals, den Sport in England etwas bekannter zu machen. Alexander-Arnold ist bereits jetzt Vorbild einer ganzen Generation. Und das als Rechtsverteidiger.

© SZ vom 29.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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