Linksverteidiger Matthias Ostrzolek:Der Doppelagent muss sich entscheiden

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Muss sich entscheiden: Matthias Ostrzolek. (Foto: imago sportfotodienst)

Matthias Ostrzolek verfolgt das Spiel der DFB-Elf gegen Polen im Fernsehen. Doch schon bald könnte er für eines der beiden Nationalteams auflaufen. Besonders interessant für Joachim Löw: Der 24-Jährige gehört einer seltenen Spezies an.

Von Carsten Eberts

Karim Bellarabi hat seine Entscheidung getroffen. Als Neuling gehört er der aktuellen DFB-Reisegruppe für die Länderspiele gegen Polen und Irland an. Und selbst wenn es bei diesen Partien nicht für die ersten Länderspielminuten reicht, er hat sich festgelegt: Der Leverkusener will künftig für Deutschland spielen.

Bellarabi wurde in Berlin geboren, sein Vater stammt aus Marokko. Sein Stiefvater ist Ghanaer, theoretisch könnte er auch für dieses afrikanische Land auflaufen. "In meiner Karriere habe ich jetzt eine Phase erreicht, in der ich genau weiß, was ich will und wie ich mich dafür verhalten muss", erklärte Bellarabi in der Bild. Er hat sich festgelegt, seine Zukunft gehört dem DFB.

So weit ist Matthias Ostrzolek noch nicht. Er gehört keiner DFB-Reisegruppe an, und er hat sich auch noch nicht entschieden. Ostrzolek, der Linksverteidiger des Hamburger SV, ist dieser Tage in den Fokus gerückt, weil Deutschland zum EM-Qualifikationsspiel nach Polen reist. Für genau diese beiden Nationalmannschaften könnte Ostrzolek künftig seine Länderspiele absolvieren.

Ostrzolek wurde in Bochum geboren, seine Eltern stammen aus dem polnischen Teil Schlesiens. Ihnen würde es gefallen, würde ihr Sohn für ihr Heimatland auflaufen, hat er einmal erzählt. "Ob ich für Polen oder Deutschland spielen würde, habe ich noch nicht entschieden", sagte er nun. Beide Staatsbürgerschaften hat er jedenfalls. "Der Doppelagent", wurde er prompt getauft.

Laufstark und technisch gut ausgebildet

Nun spielt Ostrzolek nicht gerade für einen der Hochglanzklubs der Liga. Zur aktuellen Saison ist der 24-Jährige vom FC Augsburg zum HSV gewechselt, wo er mit Marcel Jansen um den Stammplatz auf der linken Seite rangelt. Der Weg hoch ins Nationalteam scheint auf deutscher Seite eher weit - doch es ist nicht so, dass man ihm automatisch abraten müsste. Ostrzolek hat das Glück, dass er einer seltenen Spezies angehört.

Er ist Linksverteidiger, extrem laufstark und technisch gut ausgebildet, zudem noch jung; er kommt also für die notorische Problemposition beim Fußball-Weltmeister in Frage. Joachim Löw gefällt nur bedingt, was er dort an Alternativen hat. Marcel Schmelzer wird unter diesem Bundestrainer keine große Karriere mehr machen, für Erik Durm kam die WM noch zu früh. Andere Namen wie Jansen sind immer auf dem Radar - durchgesetzt hat er sich im Nationalteam jedoch nie. Beim Turnier in Brasilien funktionierte Löw lieber Benedikt Höwedes zum Aushilfslinksverteidiger um, der seine Sache in der so genannten Ochsenabwehr gut machte.

Bis zur EM 2016 in Frankreich hat Löw zwei Jahre Zeit, weitere Alternativen zu beobachten. Zum erweiterten Kandidatenkreis dürfte auch Ostrzolek gehören. Der hat sich selbst ein Bild vom deutschen Team gemacht. "Wahrscheinlich ist es als linker Verteidiger einfacher als anderswo", sagte Ostrzolek dem Hamburger Abendblatt: "Aber ich beschäftige mich damit jetzt nicht. Wenn ich Leistung bringe, dann kommt das Thema von allein."

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Die Zurückhaltung ist verflogen: Selbstbewusst und stilsicher nimmt Thomas Schneider seine ersten Aufgaben als Assistent von Joachim Löw wahr. Dass er lediglich der Zuarbeiter des Bundestrainers ist, stört ihn nicht.

Von Thomas Hummel

Gespräch mit dem polnischen Verband

Zwei Länderspiele hatte er einst für die polnische U17 bestritten, danach acht für die deutsche U21. Eine Tendenz, trotzdem hat der polnische Verband Ostrzolek noch auf dem Zettel. Vor einem Dreivierteljahr gab es ein Gespräch mit dem polnischen Chefscout Maciej Chorazyk, das war aber eher eine Kontaktaufnahme als eine ernsthafte Verhandlung. Ostrzolek zeigte sich angetan - und bat um ein Jahr Bedenkzeit. Dass die polnische Seite passable Argumente hat, zeigten zuletzt die Fälle von Sebastian Boenisch (Bayer Leverkusen), Eugen Polanski (1899 Hoffenheim) und Sebastian Tyrala (Greuther Fürth), sich für eine fußballerische Zukunft in Polens Nationalteam entschieden.

Das EM-Qualifikationsspiel am Samstagabend werde er sich angucken, sagte Ostrzolek. Im Fernsehen. Und: "Ohne übertriebene Emotionen". Linksverteidiger mit deutschem Pass können sich mit Fug und Recht etwas länger Zeit lassen. Im Zweifel werden sie früher oder später sowieso gebraucht.

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