Linksaußen:Unterhachinger Flatulenzen

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Immer die Contenance bewahren: Unterhachings Trainer Arie van Lent. (Foto: Sven Leifer/imago images/foto2press)

Gerade in diesen aggressiven Zeiten strahlt der SpVgg-Trainer Arie van Lent eine wohltuende Gelassenheit aus. Liegt es an der niederländischen Natur oder hat er nur andere Kommunikationsformen entdeckt?

Von Ralf Tögel

"Gesegnet seien jene, die nichts zu sagen haben und den Mund halten."

Von Schriftsteller Oscar Wilde stammt dieses Zitat, und waren seine Worte jemals aktueller als in diesen Tagen? Es zählt zu den Eigentümlichkeiten der Kommunikation, dass man sein Gegenüber manchmal nicht versteht. Was vielerlei Ursachen haben kann, doch gerade die Pandemie-Krise verdeutlicht den Wert der richtigen Information. Thema Impfstoff: Was darf wann warum in wen gespritzt werden, wer hat wann warum was der interessierten Öffentlichkeit mitgeteilt - oder eben nicht? Und muss man sich auch noch durch ein gesetzlich verordnetes, besonders kleinporiges Vlies mitteilen, verhindert das zwar die feuchte Aussprache, kommt aber oft nur als unverständliches Nuscheln an. Umso wichtiger ist die rechte Balance in der Kommunikation. Manchmal ist jedes Wort zu viel, manchmal sollte man sich umfangreicher und genauer mitteilen. Doch was ist besser?

Manche Trainer wechseln die Gesichtsfarbe so schnell wie der Atlantik-Oktopus

Ein Vertreter der ersten Kategorie ist der Unterhachinger Fußballlehrer Arie an Lent. Wer den Niederländer am Spielfeldrand beobachtet, wünscht sich vielleicht hin und wieder, die Ansprache an seine Spieler möge doch etwas deutlicher ausfallen. So hat wohl noch immer nicht jeder verinnerlicht, dass da im Abstiegskampf etwas Ungemach droht. Selbst in Pressekonferenzen begegnet der Trainer jeder noch so provokanten Frage mit geradezu buddhistischer Selbstbeherrschung. Liegt das vielleicht am Naturell der Menschen aus dem Gouda-Königreich? Andries Jonker war ein ähnlich bedachter Zeitgenosse, sogar als er den FC Bayern München befehligte, einen derart überhitzen Klub, dass man meinen möchte, Gelassenheit ist laut Vereinsstatut verboten. Freilich darf man Louis van Gaal nicht vergessen, eine Art Gegenentwurf. Schon beim leisesten Ansatz von Kritik änderte sich das Antlitz des Tulpengenerals in eine tiefrote Warnfarbe, kurz darauf ging er zum Gegenangriff über. Aber Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel. Und spätestens bei seinen zig Meisterfeiern mutierte der Zar von Alkmaar zum lustigen Partyprinzen.

Aber zurück zu van Lent und seiner pastoralen Beherrschtheit. Wer weiß, vielleicht hat sich der Niederländer am Tierreich ein Beispiel genommen und kommuniziert auf eine alternative Weise. Wie die Bienen, vielleicht tanzt van Lent den Spielern die Aufstellung für das nächste Spiel in der Kabine vor. Oder er legt wie die Ameisen zur Verdeutlichung der Laufwege eine Duftspur. Seinen Unmut rasselt er eventuell wie eine Klapperschlange, oder er kommuniziert wie die Fledermaus in einer Tonlage, die der gemeine Fußballfan erst gar nicht zu erfassen vermag. Der Oktopus teilt der Umwelt seine Gefühlslage anhand seiner Hautfarbe mit, die er flugs zu verändern mag. Diese farbenfrohe Kommunikation beherrschte beim FC Bayern nicht nur (siehe oben) der Kollege van Gaal.

Vielleicht furzen sie sich in Unterhaching ja die Meinung

Vielleicht hält der schweigsame Niederländer in Diensten der Spielvereinigung es wie der Pazifik-Hering. Britische Forscher haben herausgefunden, dass sich die kleinen Fische mittels Flatulenzen verständigen. Richtig gehört, Heringe können sich die Meinung furzen. In höchster Vollendung perlen die schönsten Klänge aus dem Darm, vom abgrundtiefen Bass bis zum glockenklaren Sopran, von der Kopfwäsche bis zum höchsten Lob - pro Ton bis zu acht Sekunden lang. Bundestrainer Jogi Löw wurde ja bei der EM 2016 beim Experimentieren mittels Gerüchen ertappt, was er umgehend einstellte. Sollte dies das Geheimnis des Unterhachinger Trainers sein, so wäre mangels Wasser eine Mund-Nasen-Maske nicht die schlechteste Idee.

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