Leverkusener Champions-League-Aus:Wie einst Hoeneß in Belgrad

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  • Weil Ömer Toprak und Stefan Kießling weit übers gegnerische Tor schießen, verliert Bayer Leverkusen im Elfmeterschießen bei Atlético Madrid 2:3.
  • Damit verpasst Bayer das Viertelfinale der Champions League.
  • Hier geht es zu den Ergebnissen.

Nach 120 Minuten hielt der Fußballtrainer Diego Simeone kurz inne. 120 Minuten lang hatte er an der Seitenlinie gestikuliert, provoziert, Verwarnungen für den Gegner gefordert, seine Spieler angetrieben in diesem zähen Achtelfinal-Rückspiel zwischen Atlético Madrid und Bayer Leverkusen. Sie hätten Simeones Platz auf der Ersatzbank an einen zahlenden Zuschauer vermieten können, so selten hatte der ewig hüpfenden Trainer auf ihr gesessen. Aber jetzt stand etwas bevor, das Simeone nicht mehr recht beeinflussen konnte. Es ging ins Elfmeterschießen.

Die finale Phase dieses Champions-League-Abends begann, wie sie 120 Minuten lang angedauert hatte: zäh, unappetitlich. Atléticos Raul Garcia hob den Ball über die Latte. Der Schuss von Leverkusens Hakan Calhanoglu kullerte schwach in die Mitte, Atléticos Torwart Jan Oblak, für den verletzten Moya in die Partie gerutscht, parierte lässig.

Personaländerung bei Atlético: das Publikum

Griezmann und Rolfes machten es besser, dann war Ömer Toprak an der Reihe. Er trabte aufreizend lässig zum Elfmeterpunkt, schoss weit über das Tor, wie einst Uli Hoeneß 1976 in Belgrad, und weil Stefan Kießling es ihm kurz darauf nachmachte, verabschiedete sich Bayer Leverkusen nach einem berauschenden Hinspiel doch noch aus der Champions League, 2:3 (0:1) im Elfmeterschießen.

Die Stimmung in der Leverkusener Reisegruppe war vor der Partie noch bestens gewesen. Sie hatten sich im Hinspiel ein Guthaben in Höhe von einem Tor und keinem Gegentor erarbeitet. Ihr Trainer Roger Schmidt hatte die Erwartungen trotzdem heruntergedimmt. Man sei kein Favorit, insistierte der Trainer, bestenfalls ein "Außenseiter mit guten Chancen".

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Von Atlético war zuletzt zwar schlechte Kunde nach Deutschland gedrungen, beim torlosen Remis gegen Espanyol hatte man sogar weniger Fouls als der Gegner begangen. Roger Schmidt wusste allerdings, dass die Spanier im Unterschied zum Hinspiel in Leverkusen auf eine Personaländerung setzten würden: das Publikum. "Es darf nicht einen Moment still sein", hatte Simeone den rund 50 000 einbestellten Besucher im Estádio Vicente Calderón aufgetragen. Als Gegenleistung hatte der Trainer immerhin angeboten: "Wir werden um unser Leben kämpfen."

Sein Personal enttäuschte das Publikum nicht. Simeones Spieler umschwärmten den ballführenden Leverkusener zu viert, zu fünft, wie Bienen den Honig. Die Fans sangen und schrien wie bestellt, und wenn sie es wagten, die Lautstärke kurz herunterzuregeln, weckte Simeone sie sofort wieder auf. Mehr als zwei Eckbälle brachte das alles allerdings zunächst nicht ein. Leverkusen führte derweil seine Schlüsselkompetenz vor.

Sie versuchen ja ebenfalls, den Gegner früh zu stören, ihm weit in der eigenen Hälfte den Ball zu rauben und dann binnen Sekunden vor das gegnerische Tor zu tragen. Das erste Fallbeispiel gab es nach zehn Minuten zu besichtigen. Son raubte den Ball, Bellarabi spurtete mit ihm Richtung Tor, der Ball strich knapp am Pfosten vorbei. Dann kam erst einmal nicht mehr viel, weder von Leverkusen noch von Atlético.

Es war eine Standardsituation, mit der Atlético sich den Gegner erst zurechtlegte, dann den Spielverlauf auf seine Seite zerrte. Die Spanier traten einen Freistoß in Leverkusens Strafraum, der Ball sprang von Kopf zu Kopf, Drmic holte aus zum Befreiungsschlag, aber sein Kopfball kam nur wenige Meter weit, bald gelangte er zu Mario Suárez. Der schickte den Ball umgehend Richtung Torwart Bernd Leno. Leno hätte den Schuss vermutlich pariert, doch dann schritt Ömer Toprak dazwischen. Er lenkte den Ball an Leno vorbei, ins eigene Tor (27.).

Mit Fußball ist die Schlussphase des Spiels nur entfernt verwandt

Atlético hatte den Spielstand egalisiert, die Betriebssicherheit wiederhergestellt. Sie zogen jetzt ihr Spiel auf. Sie lauerten etwas tiefer, waren robust wie eh und je, auch ohne Tiago und Diego Godin, ihre Wellebrecher in der Defensive, und wenn die völlig verunsicherten Leverkusener irgendwann den Ball verloren, wurde Atlético umgehend auf der Gegenseite vorstellig. Vor allem nach dem Seitenwechsel war Bayer damit ausgelastet, das eigene Tor zu sichern.

Schmidt schickte die erfahrenen Rolfes und Kießling (für den glücklosen Drmic) aufs Feld, Leverkusen wehrte sich, ließ sich anstecken von der fiebrigen Stimmung, den Gemeinheiten der Spanier. Atlético hatte gute Chancen, durch einen Freistoß von Koke (70.), einen Schuss von Turan (80.), Bayer wankte, rettete sich in die Verlängerung. Hatte Glück, als Rolfes Raul Garcia den Ellenbogen ins Gesicht streckte, unbemerkt vom zunehmend überforderten Schiedsrichter Nicola Rizzoli - was Atlético umgehend mit Tritten ahndete.

Mit Fußball war diese Darbietung jetzt nur noch entfernt verwandt. Leno boxte einen strammen Schuss von Raúl García ins Aus (106.), Rolfes platzierte einen Distanzschuss knapp neben das Tor (111.). Kurz darauf übernahm Fortuna. Mit dem besseren Ende für Atlético.

© SZ vom 18.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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