Leverkusens Aus in der Europa League:Die letzte Titelchance dahin

Lesezeit: 3 min

Vergab zwei sehr gute Tormöglichkeiten: Leverkusens Moussa Diaby. (Foto: Marius Becker/dpa)

Die Möglichkeiten waren da - und trotzdem verabschiedet sich Bayer Leverkusen gegen Atalanta Bergamo aus dem europäischen Wettbewerb. Ohne die verletzten Leistungsträger wird auch der Saisonendspurt zur Herausforderung.

Von Ulrich Hartmann, Leverkusen

Ein Dutzend italienischer Reisebusse nebeneinander auf einem Parkplatz mögen nichts Ungewöhnliches sein am Schloss Neuschwanstein, nahe der Blumeninsel Mainau oder am Brandenburger Tor. In Leverkusen-Küppersteg aber gibt es kein frühklassizistisches Triumphtor, keinen Bodensee und auch kein Märchenschloss. Hier steht ein Fußballstadion namens BayArena, das sich zumindest für die hier beheimatete Mannschaft namens Bayer Leverkusen binnen zwei Spielen zuletzt eher wie ein Spukschloss angefühlt hat. Einem 0:1 in der Bundesliga gegen den 1. FC Köln ließen die Leverkusener mit einem 0:1 gegen Atalanta Bergamo im Europa-League-Rückspiel das Aus im Achtelfinale folgen.

872 Kilometer hin und 872 Kilometer wieder zurück ist jeder der italienischen Reisebusse in dieser Woche zwischen Bergamo und Leverkusen gefahren. Die Insassen werden die jeweils gut zehnstündige Fahrt trotzdem nicht bereut haben. Im Gästeblock haben sie zu etlichen Hunderten derart inbrünstig miteinander gesungen, als ginge es um den Einzug ins Viertelfinale eines europäischen Chor-Wettbewerbs - und irgendwie war das ja auch so. Die Atalanta-Fans werden im Viertelfinale weitersingen dürfen, die Reisebusse werden sie dann genau dorthin bringen, wo am Freitagmittag das Los Bergamo in der nächsten Runde hinbeordern wird.

Auch die Leverkusener Fans hätten gern im Viertelfinale irgendwo in Europa ihr Lied von der "Macht am Rhein" gesungen, allerdings war die Macht am Donnerstag nicht mal ein Mächtchen. Nach einer 2:3-Hinspiel-Niederlage in der Woche zuvor in Bergamo hätte es eines Sieges mit zwei Treffern Vorsprung bedurft, um nach 2020 zum zweiten Mal ins Viertelfinale der Europa League einzuziehen. Dieser erforderliche Minimalsieg lag auch absolut im Bereich des Möglichen. Leverkusen war in der zweiten Halbzeit haushoch überlegen, erhielt insgesamt drei klarste Torchancen - und vergab sie alle. Als sie nur noch mit dem Mute der Verzweiflung und zunehmend riskant auf den erforderlichen Treffer drängten, nutzten die Italiener eine Konterchance in der ersten Minute der Nachspielzeit zum 1:0-Siegtreffer.

Für den am Saisonende ausscheidenden Sport-Geschäftsführer Rudi Völler, 61, brachte diese Niederlage eine traurige Gewissheit. 1996 hatte er seine Tätigkeit bei Bayer begonnen, und er wird sie nach 26 Jahren beenden, ohne auch nur einen einzigen Titel gewonnen zu haben.

Für Freunde einfacher Wahrheiten lagen die Gründe für Bayers Ausscheiden auf der Hand: Leverkusens wichtigster Spieler Florian Wirtz saß mit Krücken auf der Tribüne (Kreuzbandriss). Auch der langfristig verletzte Mittelstürmer Patrik Schick (Wadenverletzung) sowie der für den Rest der Saison ausfallende Außenverteidiger Jeremie Frimpong (Syndesmoseriss) waren an diesem Abend nicht im Trikot zu erblicken. Allein diese drei kamen im bisherigen Saisonverlauf gemeinsam auf 32 Treffer und 25 Vorlagen, kein Wunder also, dass ohne sie nichts ging? Nein, ein Wunder war vielmehr, wie katastrophal die gut kombinierenden Leverkusener gegen Bergamo selbst beste Chancen vergaben. Der sonst oft geniale Stürmer Moussa Diaby vergab zwei Mal allein vorm Torwart Juan Musso, indem er ihn plump anschoss. "Wir hatten genügend Chancen", begann in der Pressekonferenz nach dem Spiel der Trainer Gerardo Seoane einen Satz, den sein Abwehrspieler Jonathan Tah vervollständigte: "Aber was fehlte, war ein Treffer."

Mit fünf Angreifern (Moussa Diaby, Amine Adli, Karim Bellarabi, Sardar Azmoun und Lucas Alario) versuchten sie am Ende, diesen einen Treffer zu erzwingen, doch als in der ersten Minute der Nachspielzeit im Atalanta-Fanblock ein knallrotes Leuchtfeuer aufflackerte, da war klar, dass Leverkusen nach dem Zweitrunden-Aus im DFB-Pokal daheim gegen den Zweitligisten Karlsruher SC auch in der Europa League gegen Bergamo nicht unter Beweis stellen konnte, in dieser Saison wirklich eine "Macht am Rhein" zu sein.

Die Qualifikation zur Champions League ist nun das letzte Saisonziel für Bayer 04

Der Anstrengungen dieser beiden Wettbewerbe entledigt, können sie sich nun allerdings auf die Bundesliga konzentrieren und darauf, in den verbleibenden acht Spielen jenen dritten Tabellenplatz zu verteidigen, der ihnen am Ende der Saison die Zulassung zur Champions League garantieren würde.

Die ersten der acht verbleibenden Aufgaben führt sie am Sonntag zum Duell der sogenannten Werks-Mannschaften in die Autostadt Wolfsburg, wo sie gegen den gastgebenden VfL nach nunmehr dreieinhalb Stunden Fußball ohne eigenen Treffer aber erst einmal wieder beweisen müssen, dass sie den Ball ins Netz eines gegnerischen Tors zu bugsieren vermögen. "Wir müssen die beiden Niederlagen abschütteln und auf die positiven Dinge schauen", sagt Tah. Entscheidend sei immer "das Learning", erklärt der Abwehrspieler, und was das angeht, haben die jüngsten beiden 0:1-Niederlagen den Leverkusener Fußballern gewiss ein bisschen was gebracht.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: