Leichtathletik-WM: Zuschauer:Viel Grau in die Welt

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Steffi Nerius feiert ihren WM-Titel vor einem halbleeren Stadion. Und Berlin fragt sich: Ist das normal für einen WM-Dienstag oder verdient die Organisation einen Rüffel?

Thomas Hummel

Es ging los mit den Siebenkämpferinnen und "Danke Berlin", es folgte Steffi Nerius mit "Danke dem tollen Publikum" (T-Shirt) sowie "Berlin macht Rabatz" (Stirnband). Und bis Sonntag sind von deutschen Athleten noch einige schriftliche Dankesschreiben für die Zuschauer zu erwarten. Sogar Usain Bolt bedankte sich nach seinem Wunderlauf bei den "guys over there" - den Jungs hinter dem Startblock, die ihm viel Energie gegeben hätten.

Triumph vor leeren Rängen: Speerwerferin Steffi Nerius feierte den Weltmeistertitel im halbvollen Berliner Olympiastadion. (Foto: Foto: ddp)

Die oft genug emotional mitgehenden Menschen im Olympiastadion erhalten eine Liebeserklärung nach der anderen von den Athleten. Die Frage, die derzeit Berlin und die Organisatoren der Leichtathletik-WM bewegt, ist indes nicht die Qualität der Zuschauer, sondern die Quantität.

Die Speerwurf-Weltmeisterin Steffi Nerius konnte sich am Dienstagabend bei offiziell nur 29.897 Besuchern bedanken. Die Fernsehanstalten schickten aus dem riesigen Olympiastadion mit seinen für die WM 56.000 Plätzen viel Grau in die Welt, die Farbe der Sitzschalen dominierte das Bild. Und langjährige Beobachter der Leichtathletik rätseln nun, ob das für einen diensttäglichen WM-Abend normal ist. Oder ob das Organisationskomitee BOC einen ordentlichen Rüffel verdient hat.

Schon in den Wochen vor der WM hatten sich Athleten wie Sebastian Bayer oder Christina Obergföll über fehlendes Marketing beschwert. Sie stünden zur Verfügung für Aktionen aller Art, diese WM rechtzeitig ins Bewusstsein der Menschen zu rücken, doch käme niemand auf sie zu. Sie beklagten zudem fehlende Werbung im Stadtbild.

Das BOC wies solche Beschwerden stets zurück mit dem Verweis, der Vorverkauf laufe glänzend und Leichtathletik-Freunde gehen ohnehin gerne kurz entschlossen an die Tageskasse. Doch als am ersten Wochenende im Schnellverkauf nur 4226 Tickets einen Abnehmer fanden, musste der oberste BOC-Kartenverkäufer Michael Mronz zugeben: Dies sei "nicht ausreichend".

Nun häufen sich vor allem Klagen über hohe Preise. Trotz des mäßigen Absatzes am Dienstag blieb das BOC bei seiner Preiserhöhung für die restlichen Wettkampftage. Die Spanne reicht von 34 Euro ganz oben neben dem Marathontor bis zu 153 Euro direkt am Ziel, wo Usain Bolts Zähne nach seinen Siegen besonders hell blinken.

Weil Schüler nur einen Rabatt von 20 Prozent erhalten (wie auch Arbeitslose oder Schwerbehinderte), kostet ein Familien-Besuch zweier Erwachsener mit zwei Kindern auf dem Unterrang 297 Euro, auf dem weniger attraktiven Oberrang immer noch 183 Euro - Essen, Trinken, Anfahrtskosten noch nicht inbegriffen. Auch Gruppenermäßigungen etwa für Leichtathletik-Vereine gibt es nicht.

Das BOC und sein Präsident Klaus Wowereit, nebenbei Regierender Bürgermeister der Stadt, erteilten Wünsche nach Preissenkungen früh eine Absage. Das sei ungerecht denen gegenüber, die schon den vollen Preis bezahlt hätten.

Für Pierre Weiss, Generalsekretär des Weltverbands IAAF, liegt das Problem in der Größe der Arena. Auch in Edmonton 2005 und in Osaka 2007 beklagte die Leichtathletik leere Ränge, vor allem unter der Woche. Und so befürchtet Weiss ähnliche Probleme bei den nächsten Weltmeisterschaften 2011 in Daegu, Südkorea und 2013 in Moskau, wo die Arenen 60.000 und 80.000 Besucher fassen.

Für die letzten WM-Tage kündigt das Organisationskomitee weniger Grau auf den Rängen an. Für das Hochsprung-Duell Ariane Friedrich gegen Blanka Vlasic am Donnerstag seien 80 Prozent der Karten verkauft, der Samstag sei bis auf Restkarten sogar ausverkauft. Steffi Nerius hätte für ihre Leistung durchaus ähnlichen Anklang verdient gehabt.

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