Glosse zur Leichtathletik-WM:Wien oder Bratislava, Hauptsache Ungarn

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Begehrtes Reiseziel: Das neue Leichtathletikstadion in Budapest, Schauplatz der 19. Weltmeisterschaften ab diesem Samstag. (Foto: Christian Petersen/Getty Images)

Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Europa, das garantiert endlich wieder eine kurze, geschmeidige Anreise zu den Wettkämpfen - zumindest in der Theorie.

Glosse von Johannes Knuth, Budapest

Vor nicht allzu langer Zeit muss das in der Führungsetage mancher großer Fluglinie in etwa so gelaufen sein:

Vorstand 1: "Die Kunden laufen uns davon! Vorschläge!!!"

Vorstand 2: "Wir müssen pünktlicher sein!"

Vorstand 3: "Wir sollten kurz vor Ende eines Langstreckenflugs nicht nur ein labbriges Sandwich anbieten."

Vorstand 4: "Wir verteilen Fähnchen!"

Vorstand 5: "Wir machen gar nichts!"

Vorstand 1 bis 4: "???"

Vorstand 5: "Wir haben doch die Bahn, unsere verlässlichste Werbeagentur."

Vermutlich dachte der clevere Vorstand an fiktive Beispiele wie das folgende (jegliche Ähnlichkeiten zu echten SZ-Redakteuren sind rein zufällig): Ein Reporter bucht einen Zug, der ihn von München nach Budapest befördert, zu den Leichtathletik-Weltmeisterschaften, die an diesem Samstag beginnen. Dauert ein wenig länger als ein Flug, aber man kann schon mal entspannt ein paar Gedanken in den Laptop tippen, und die Fahrt kostet nur halb so viel. Und man muss nicht umsteigen. Gut, bis auf die klitzekleine, spontane Änderung, die den Direktzug von München nach Budapest in Salzburg beginnen lässt, weil zwischen München und Salzburg zuletzt eine Lok gebrannt hat. Aber in Salzburg geht es dann, nach einer entspannten Anfahrt im nur mäßig überfüllten Regionalzug, entspannt weiter.

Manche Volten im Fahrplan erfordern vom Reisenden Sprintfertigkeiten

Gut, entspannt, sobald man die kleine, ungeplante, zweieinhalbstündige Pause bis zur Abfahrt überbrückt hat, weil auch rund um Salzburg mal die Weichen klemmen und Strecken gesperrt sein dürfen; weshalb der Reisende noch einen Abstecher ins Restaurant am anderen Ende des Bahnhofsplatzes wagt, mitten im Essen dann die Gabel fallen lässt, weil der verspätete Anschluss plötzlich nicht mehr im digitalen Fahrplan im Telefon auftaucht; es folgt ein kurzer Sprint über den Vorplatz, flugs die Gitter in Karsten-Warholm-Manier überquert, ehe man im Bahnhof feststellt, dass die Verbindung nur deshalb nicht gleich in der Liste auftauchte, weil der Zug seine Verspätung mittlerweile verfünffacht hat.

So schlendert man entspannt (und leicht humpelnd nach der Warholm-Kopie) zurück ins Restaurant, gleitet schon wenige Stunden später nach Budapest. Beziehungsweise nur bis nach Wien, weil der Zug dort mittlerweile so verspätet ist, dass er es von Wien nicht mehr rechtzeitig nach Budapest und zurück nach Österreich schaffen würde (oder in den einfühlsamen Worten der Schaffnerin: "Der Ungar lässt uns ned rein!"), was aber eh wurscht ist, wie der nette Herr am Schalter erklärt, weil: je länger man in Wien wartet, desto wahrscheinlicher wird es, dass der Ungar die Züge wieder reinlässt, denn späte Züge dürfen, sobald sie alle brennenden Loks und klemmenden Weichen passiert haben, in Budapest die Nacht verbringen, wo auch der Reisende nach nur rund 13 Stunden in einen tiefen, traumlosen Schlaf sinkt.

Das Flugzeug, auf das mancher Kollege gesetzt hatte, war da übrigens in Bratislava zwischengelandet - und dann nach Deutschland zurückgeflogen.

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