Leichtathletik-WM:Wach in der Weltspitze

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Siebte mit Reserven: Sophie Weißenberg stellt in Budapest eine neue Bestleistung auf. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Die deutschen Leichtathleten müssen sich in Budapest zunächst an wenigen Hoffnungsträgern aufrichten: Etwa an Siebenkämpferin Sophie Weißenberg, die auch ein Versprechen für die Zukunft ist.

Von Johannes Knuth, Budapest

Für ein paar Momente hatte es den Anschein, als würde Sophie Weißenberg die Medaillen schon mal zur Probe anlegen. Der Speerwurf war gerade im Gang, die vorletzte Disziplin der Siebenkämpferinnen in Budapest, und Weißenberg hatte sich mit 48,51 Metern auf Rang drei im virtuellen Gesamtklassement gedrängelt, das sie in der Leichtathletik mittlerweile so flott berechnen wie bei Tour-de-France-Etappen. Ein paar Minuten später hatten alle Favoritinnen dann doch ihr Potenzial freigelegt, Weißenberg rutschte auf Rang vier - der sich nach den 800 Metern in einen siebten Platz verwandelte, mit 6438 Punkten und persönlicher Bestleistung.

Es war bis zum Montagabend das erwartet diffuse Bild, an dem die deutschen Leichtathleten bei diesen Weltmeisterschaften malten. Viele kommen ihren Vorleistungen bislang näher als vor einem Jahr bei den Titelkämpfen in Eugene, doch um in die nächsten Runden oder gar ins Finale versetzt zu werden, reichen auch verdienstvolle Leistungen wie jene des 400-Meter-Läufers Manuel Sanders (45,34 Sekunden) oder Hindernisläufers Karl Bebendorf (8:22,33 Minuten) nicht. Da müssen die wenigen Hoffnungen herhalten, Hochspringer Tobias Potye und die Diskuswerferinnen etwa, auch 400-Meter-Hürdenläufer Joshua Abuaku, die alle ins Finale vorrückten - und siebte Plätze wie jener von Sophie Weißenberg.

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Im Auftritt der 25-Jährigen vom TSV Bayer 04 Leverkusen spiegelte sich einiges von dem, was die Handvoll deutschen Athleten in der erweiterten Weltspitze gerade auszeichnet. Sie ist stark im Jetzt, hat zugleich Raum, in den sie künftig hineinwachsen kann. Sie sprintet und springt stark, nicht die schlechtesten Voraussetzungen im Mehrkampf, in Budapest stachen vor allem 1,86 Meter im Hochsprung heraus. Im Kugelstoßen klinkte sich Weißenberg dann fast aus dem Medaillenrennen aus, knapp 13 Meter nach zwei Stößen waren viel zu wenig. Ihr Betreuerteam habe ihr vor dem dritten und letzten Versuch noch mal einfühlsam die Sinne geschärft, erzählte Weißenberg später: "Reiß dich jetzt zusammen, was soll denn das?! Das ist hier doch deine Chance!"

Weißenberg kennt sich mit solchen Momenten mittlerweile besser aus, als es ihr womöglich lieb ist. Vor einem Jahr lag sie in Eugene schon prächtig im Rennen, dann trug sie im Weitsprung keinen gültigen Versuch in die Wertung, in einer ihrer besten Disziplinen. Bei den Europameisterschaften in München war kurz darauf nach dem ersten Tag Schluss - Corona. Jörg Roos, der Weißenberg seit dem vergangenen Jahr in Leverkusen trainiert, findet heute: "Das hat schon dafür gesorgt, dass sie anders unterwegs ist", er meint: wach in jeder Sekunde, weil sich in der Weltklasse jeder verplemperte Punkt irgendwann rächt.

Der Bronzeplatz war in Budapest durchaus in Reichweite

Als Weißenberg in Budapest zum dritten und letzten Mal in den Kugelstoßring trat, hatte sie jedenfalls einen ausgefeilten Plan ersonnen: "Ich hau' das Ding einfach raus." 13,97 Meter wurden es, fast Bestleistung.

Später durfte Weißenberg noch ein bisschen das beliebte Hätte-Wäre-Wenn durchspielen. Die Britin Katharina Johnson-Thompson (6740 Punkte) und die angeschlagene Amerikanerin Anna Hall (6720) waren eine Klasse für sich; aber die 6501 Punkte, die Bronzegewinnerin Anouk Vetter zusammenbrachte, hätte Weißenberg wohl schon jetzt drauf. Diesmal waren es ihre 6,10 Meter im Weitsprung, für die sie später bezahlte - das war auch etwas zu wenig für eine, die mit 19 Jahren schon 6,49 Meter schaffte. Aber Weißenberg sah nicht das, was sie nicht hatte, sondern was noch sein wird: "Ich freue mich", sagte sie, "das dann auszuschöpfen in den nächsten Jahren."

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