Leichtathletik-WM in Berlin:Wie einst Powell gegen Lewis

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Irving Saladino gegen Dwight Phillips: Seit fast 20 Jahren hat es bei einer Weltmeisterschaft keine so hochklassigen Weitsprung-Konkurrenten mehr gegeben.

Joachim Mölter, Berlin

Der Weitspringer Dwight Phillips war schon Olympiasieger (2004) und Weltmeister (2003 sowie 2005), da sollte man meinen, er habe nicht viel falsch gemacht in seiner Karriere.

Vor dem großen Sprung: Dem Amerikaner Dwight Phillips gelang in der Qualifikation mit einer Weite von 8,44 Metern der weiteste Satz. (Foto: Foto: Getty)

Optimal war's aber auch nicht, findet Loren Seagrave, seit dieser Saison Trainer des 31-Jährigen. Und deshalb hat er noch mal so gut wie alles umgestellt bei seinem Athleten, obwohl der ja schon in einem weit fortgeschrittenen Alter für Hochleistungssportler ist.

Erst mal hat der Coach Phillips entschlankt und um zehn Kilo erleichtert: "Seine Figur sah vielleicht für den Strand gut aus", sagt Seagrave, "aber nicht für den Sand." Dann hat er Phillips flott gemacht, dessen 100-Meter-Bestzeit steht nun bei 10,06 Sekunden. Und schließlich hat Seagrave dafür gesorgt, dass der Athlet seinen Körperschwerpunkt beim Absprung absenkt und weniger Kraft aufwendet.

Alles mit Erfolg. Dwight Phillips, der voriges Jahr die Olympia-Teilnahme verpasste, hat in diesem Sommer eine neue Bestleistung erreicht - 8,74 Meter. So weit ist seit dem Weltrekord von Mike Powell bei der WM 1991 in Tokio (8,95 Meter) keiner mehr gekommen auf der Welt, zumindest nicht bei zulässiger Windunterstützung von maximal zwei Metern pro Sekunde. Und weiter sind überhaupt nur vier Weitspringer geflogen.

Hoher Erwartungsdruck

Doch nun lastet ein Erwartungsdruck auf Dwight Phillips, der über den hinausgeht, mit dem ein Weltjahresbester sowieso schon beladen ist. Das Team der USA betrachtet die Berliner WM ja als eine Reminiszenz an Jesse Owens, den vierfachen Olympiasieger von 1936 im gleichen Stadion. Und angesichts der schwer geschlagenen US-Sprinter hängt es an diesem Samstag nun an Phillips, den Titel wenigstens in einer von Owens' Disziplinen zu holen.

Der wie sein großer Vorläufer im Süden der USA geborene Phlipps ist sich der Bedeutung seines Auftrags bewusst: "Ich habe schon als Achtjähriger in der Schule von Jesse Owens gehört", sagt er, und zwar nicht nur von dessen sportlichem Erfolg, wie er betont: "Dass er in diesen Zeiten die Menschen zusammengebracht hat, ist vielleicht eine noch größere Heldentat als seine athletischen Leistungen."

Worauf Phillips anspielt, ist die Freundschaft, die Owens zu seinem deutschen Kontrahenten Luz Long entwickelte, dem Silbermedaillengewinner von 36. Das NSDAP-Mitglied Long hatte dem schwarzen Amerikaner seinerzeit den entscheidenden Tipp gegeben, damit dieser die Qualifikation überstand. Vor der WM hatte sich eine symbolhafte Wiederholung dieses amerikanisch-deutschen Weitsprungduells angebahnt, als Sebastian Bayer zum Hallen-Europarekord von 8, 71 Meter geflogen war.

Doch der deutsche Meister schied am Donnerstag unter Schmerzen mit 7,98 Meter in der Qualifikation aus. Der 23-Jährige leidet an einem Kapselanriss in seinem Sprungfuß, dem linken, und muss demnächst operiert werden. "Wenn es nach mir gegangen wäre", sagt sein Trainer Joachim Schulz, "wäre er zur Qualifikation gar nicht erst angetreten. Aber er wollte unbedingt." Nun wird sich Bayer das Finale an diesem Samstag von der Tribüne aus anschauen.

Große Sprünge

Dwight Phillips muss sich freilich keine Sorgen machen, dass er keinen ernstzunehmenden Gegner findet. Im Feld der zwölf Finalisten steht Irving Saladino aus Panama, sein Nachfolger als Weltmeister und Olympiasieger. Das Ganze verspricht eine spannende Entscheidung: Die Bestweite des 26 Jahre alten Saladino liegt bei 8,73 Meter, gesprungen im vorigen Jahr; in diesem Sommer ist er bereits bei 8,63 angekommen - seit dem Aufeinandertreffen von Mike Powell und Carl Lewis 1991 hat es keine so hochklassigen Weitsprung-Konkurrenten mehr bei einer Weltmeisterschaft gegeben.

Wenn es nach dem Trainer Loren Seagrave geht, dann kann man große Sprünge von seinem neuen Athleten erwarten. Der einst vom Sprint zum Weitsprung konvertierte Phillips habe ihm zu Beginn der Zusammenarbeit gesagt, er würde so nebenbei gern auch mal unter zehn Sekunden über 100 Meter rennen: "Ich bin kein echter Mann, wenn ich nicht Neunkommairgendwas schaffe", soll Phillips gesagt haben. Woraufhin Loren Seagrave den Blick seines Athleten in eine ganz andere Dimension gelenkt habe: "Neun Meter im Weitsprung sind allemal besser als 9,99 Sekunden über 100 Meter."

© SZ vom 22.08.2009/segi - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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