Leichtathletik-WM in Berlin:Stabil zu Silber

Lesezeit: 2 min

Mit einer beeindruckenden Serie und neuem deutschen Rekord überwindet Betty Heidler ihre Selbstzweifel und muss sich nur der neuen Weltrekordlerin geschlagen geben.

Thomas Hummel, Berlin

Als Anita Wlodarczyk aus dem Hammerwurf-Ring hüpfte, kurz inne hielt und nach Anzeige der Weite noch höher hüpfte, zeigte Betty Heidler kaum eine Regung. Die Polin hatte im zweiten Versuch die vier Kilogramm schwere Kugel mit dem Stahlseil 77,96 Meter geschleudert - ein neuer Weltrekord. Für Wlodarczyk war der Wettbewerb damit beendet: Sie verletzte sich bei ihrem ausgelassenen Jubel am Sprunggelenk und wäre zudem fast in den 5000-Meter-Endlauf gestolpert. Dennoch war in diesem Moment klar, dass Betty Heidler, im Berliner Stadtteil Marzahn aufgewachsen, bei der Heim-WM nicht Weltmeisterin werden würde.

Steigerte sich bis zum deutschen Rekord: Betty Heidler. (Foto: Foto: ddp)

Eigentlich wollte Heidler an diesem Samstagabend vor fast 60.000 Zuschauern ihren zwei Jahre zuvor gewonnenen Weltmeister-Titel verteidigen. Das war ihr erklärtes Ziel, allerdings benötigte sie in Osaka damals nur 74,76 Meter für Gold. Diese Weite schaffte sie diesmal auch. Fünfmal sogar. Mit der persönlichen Bestleistung und neuem deutschen Rekord von 77,12 Meter gewann Heidler Silber. "Das war der beste Wettkampf meiner Karriere", sagte sie später.

Neben dem Weltrekord von Wlodarczyk überraschte zwischenzeitlich auch Kathrin Klaas. Die 25-Jährige aus Hessen verbesserte im dritten Versuch ihre persönliche Bestleistung um 78 Zentimeter auf 74,23 Meter und stand plötzlich auf Rang drei - noch vor der kürzlich von einer Dopingsperre zurückgekehrten Russin Tatjana Lysenko, die bis zu diesem Wettbewerb den Weltrekord gehalten hatte. Doch dann wurde Klaas noch von Martina Hrasnova überholt. Die Slowakin hat ebenfalls schon eine Dopingsperre abgesessen, zwischen 2003 und 2005. Klaas wurde am Ende Vierte.

Betty Heidler wirkte in diesen WM-Tagen sehr stabil bei ihren Würfen. Fast unglaublich stabil im Vergleich zum Herbst des Vorjahres, in dem sie beklagte: "Ich brauch einen neuen Kopf." Sie hatte völlig das Zutrauen in ihre Technik, in ihre Leistungsfähigkeit verloren. Sie konnte mit ihrem Formtief nicht umgehen, als säße der Zweifel zu tief nach der Enttäuschung von Peking. "Es war von Betty wohl ein Versuch, das Geschehene in Worte zu fassen, die genauen Gründe aber bleiben kaum greifbar", erklärte Wolfgang Wölfle, Psychologe beim DLV, kürzlich.

Bei den Olympischen Spielen hatte die 25-Jährige in der Qualifikation den Hammer erst zweimal ins Fangnetz geworfen, der dritte Versuch war um sechs Meter kürzer als ihr Leistungsvermögen gewesen. Das bedeutete das Aus. Und obwohl Heidler kurz danach noch mitteilte, so sei eben der Sport, saß der Stachel tief.

"Ich habe damals viel zu viel an mich ran gelassen", erklärte sie, jetzt sei sie viel lockerer. Es musste allerdings Wölfles Kollegin, die DLV-Psychologin Heike Kugler, eingreifen, um Heidler ihr Vertrauen zurückzugeben. Viele Gespräche seien nötig gewesen, erzählte einmal Trainer Michael Deyhle, der auch Klaas betreut und als Nationaltrainer fungiert.

In Berlin präsentierte sich Heidler dann entspannt und stark. In der Qualifikation benötigte sie nur einen Wurf, um mit 75,27 Meter, der bis dahin größten bei Weltmeisterschaften erzielten Weite, ins Finale einzuziehen. Und auch am Samstagabend zeigte sie einen guten Versuch nach dem anderen, indem sie sich an die eigene Vorgabe hielt: "Arme locker lassen - und die Spannung auf die linke Körperachse legen." Von wegen Zweifel oder Unsicherheit.

Die ersten drei Versuche landeten alle jenseits der 75-Meter-Marke. Obwohl schon abzusehen war, dass Wlodarczyk nach dem Weltrekord den Titel gewinnen würde, winkte sie stets freundlich in die Kameras, lächelte dazu. Manchmal lachte sie sogar. Es folgte ein Wurf über 76 Meter, und auch sie hüpfte nun ein bisschen mit erhobenen Fäusten in der Hammerwerfer-Ecke. Zum letzten Versuch, als ihre Silbermedaille schon feststand, ging sie schon grinsend in den Ring. 60.000 Handpaare klatschten im Rhythmus als Heidler sich drehte. Und die Berlinerin scheuderte den Hammer auf 77,12 Meter. Nun hüpfte sie fast so wie eine Stunde zuvor die Polin.

"Ich muss nichts mehr beweisen", hatte sie vorher gesagt, und: "Ich zweifle nicht an mir." Es half.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Leichtathletik-WM 2009 in Berlin
:Weltmeisterliche Momente

Jubelschreie und manchmal auch Tränen des Glücks: sueddeutsche.de präsentiert die Goldmedaillengewinner der Leichtathletik-WM 2009 in Berlin.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: