Sperre gegen Russlands Verband:Maskerade in der Leichtathletik

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IAAF-Präsident Sebastian Coe will von den dreckigen Deals seines Vorgängers Lamine Diack nichts mitbekommen haben. (Foto: REUTERS)

Der Weltverband richtet seine Härte gegen Russland, einen der größten sportpolitischen Player überhaupt. Das ist löblich - doch der Kurs wirft auch Fragen auf.

Kommentar von Johannes Knuth

Seit zwölf Jahren steht Sebastian Coe nun auf der Kommandobrücke der Leichtathletik, acht Jahre als Vize-Chef, vier als Präsident des Weltverbands IAAF. Und es ist schon beachtlich, welch sportpolitische Dehnübungen der Brite in dieser Zeit vorgeführt hat.

Erst befand Coe, dass er dank seiner Lehrjahre unter dem damaligen IAAF-Boss Lamine Diack dessen idealer Nachfolger sei. Als Lord Coe dann inthronisiert war und der Vorgänger unter schweren Korruptionsverdacht geriet (weshalb er bald in Frankreich angeklagt werden soll), fiel Coe ein, dass er unter Diack doch gar nicht so sehr ins Alltagsgeschäft eingebunden war. Von all den dreckigen Deals habe er sowieso nie etwas mitbekommen. Gut, bis auf an Coe frankierte E-Mails, in denen stand, wie positiv getestete russische Marathonläuferinnen sich bei Diack von Sperren freikaufen konnten. Aber die Anhänge mit dem belastenden Material habe er nie geöffnet, beteuerte Coe, sondern an den hauseigenen Ethikrat weitergeleitet. Und als auch die WM-Vergaben an Doha (für 2019) und Eugene (2021) von Korruptionsverdacht umweht waren, knöpfte sich Coes IAAF lieber nur einzelne Funktionäre vor, bei denen nach der Wahl zufällig ein paar schicke Geländewagen auf dem Hof standen. Mittlerweile durchleuchten französische Staatsanwälte mutmaßliche Stimmschiebereien zugunsten Dohas, wo im Spätherbst die nächste WM stattfindet.

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Aber das alles steht gerade gar nicht so sehr im Licht der Öffentlichkeit. Auch, weil Coe in einer anderen Frage jene Härte zeigt, die er an manchen Stellen vermissen lässt. Russlands Leichtathletikverband, vor knapp fünf Jahren wegen tiefwurzelnden Pharmamissbrauchs kollektiv verbannt, bleibt suspendiert, wie der Rat der IAAF jetzt entschied. Der Verband habe zuletzt zwar eine der letzten Kernforderungen erfüllt - die Unkosten zu erstatten, die für die Ausforschungen zum Dopingmorast angefallen waren. Aber dann legten diverse Berichte nahe, dass vieles vom angeblichen russischen Mentalitätswandel Maskerade war, als habe man die Fassade eines baufälligen Gemäuers hastig überpinselt. Da war zum einen der Fall des Hochspringers Danil Lyssenko, der angeblich zu krank war, um sich den Dopingtestern zu stellen, wie russische Ärzte beglaubigten. Blöd nur, dass es diese Ärzte offenbar nicht gibt, genauso wenig wie Lyssenkos Malaise. Zum anderen seien russische Trainer, die wegen ihrer Doping-Verstrickungen gesperrt wurden, weiter im Verband aktiv, wie die Agentur Reuters zuletzt berichtete.

Am Montagabend forderte die russische Hochspringerin Marija Lassizkene den russischen Leichtathletik-Präsidenten Dmitri Schljachtin und alle involvierten Funktionäre zum Rücktritt auf, in einem seltenen Zeichen des Protests aus den eigenen Reihen.

Sollten die Verdachtsmomente sich erhärten, bliebe der russische Verband auch für die kommende WM gesperrt; handverlesene Athleten dürften dann nach unabhängiger Prüfung unter neutraler Flagge starten, wie bei vergagnenen Meisterschaften. Das ist löblich, weil sich die Härte der IAAF hier nicht gegen die üblichen Hinterbänkler richtet, gegen burmesische Geher oder den stellvertretenden Kassenwart der Fidschi-Inseln - sondern gegen einen der größten sportpolitischen Player. Ganz im Gegensatz zum weichen Kurs des Internationalen Olympischen Komitees übrigens. Und doch bleibt die Frage, ob die IAAF in der Causa nicht auch demonstrativ hart zupackt - um nur den Ausschnitt eines Betrugsproblems zu verhandeln, hinter dem noch so viel mehr steckt.

© SZ vom 11.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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