Leichtathletik:Auf der Suche nach seinem Limit

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Heißer Auftritt: Tobias Potye übertrifft sich beim Diamond-League-Meeting in Chorzow selbst. (Foto: Andrzej Iwanczuk/NurPhoto/Imago)

Der Hochspringer Tobias Potye stellt mit 2,34 Meter beim Diamond-League-Meeting in Chorzow eine neue Bestleistung auf. Damit hat er die Olympia-Norm für Paris geschafft - aber sein Ziel ist etwas anderes.

Von Andreas Liebmann

Tobias Potye hat sich später damit getröstet, dass es kein Publikum gab in Tokio, auch kein olympisches Dorf und viele andere Dinge, die zu Olympischen Spielen immer dazugehörten. Er saß daheim in München, als jene seltsamen Corona-Wettkämpfe 2021 in Japan nachgeholt wurden. Er sah den Livestream, als der katarische Hochspringer Mutaz Barshim einem Kampfrichter die legendäre Frage stellte: "Can we have two golds?" Barshim meinte damit sich und den Italiener Gianmarco Tamberi, die höhengleich führten und sich dann tatsächlich die Goldmedaille teilten - in einem jener seltenen olympischen Momente, die wirklich in Erinnerung bleiben.

Er sei damals "stolz gewesen auf diesen Moment", erinnert sich Potye, der Hochspringer, "großartig" sei das gewesen für seine Disziplin. Und doch wird er sich auch die Frage gestellt haben, ob nicht auch er irgendwie dazugehört hätte zu diesen Spielen. Bei der Einkleidung der deutschen Athleten war er ja noch dabei gewesen, ein Regenponcho hatte es ihm damals besonders angetan. Dann verpasste er die Qualifikation über die Weltrangliste doch noch knapp. "Das war ein bitterer Moment", sagt er, andererseits wäre er nach einigen Blessuren damals wohl "nicht in der Lage gewesen", um Gold mitzuspringen.

Die Fehlversuche über 2,36 Meter ärgern ihn - "eigentlich absurd", stellt er später fest

Am vergangenen Sonntag war Tobias Potye nicht daheim in München, als sich Barshim, der coole Katarer, wieder mit Tamberi duellierte, dem Extrovertierten, der das Publikum mit wenigen Gesten zum Toben oder zum Schweigen bringen konnte. Potye war mittendrin. Und man merkte dem 28-Jährigen an: Er gewöhnt sich daran, Teil dieser Weltspitze zu sein.

Potye spielte nicht mit dem Publikum beim Diamond-League-Meeting im polnischen Chorzow, er fixierte die Hochsprunglatte, blies die Backen auf und lief los. Aber er überquerte auf diese Art nach anfänglichen Problemen die 2,30 Meter. Jene magische Marke, der er jahrelang nachgejagt war, die er erstmals bei den deutschen Meisterschaften im vergangenen August erreichte. Einige Wochen zuvor hatte er Silber bei der Heim-EM im Münchner Olympiastadion geholt. Für Potye hätte das ein Happy End sein können, nach dem es so lange schon nicht mehr ausgesehen hatte. Weil ihn, den U-20-Europameister von 2012, so viele Jahre lang Knie- und Sehnenschmerzen daran hinderten, sein Potenzial auszuschöpfen, dass er ganz grundsätzlich am Sinn seines Tuns zweifelte.

Tokio hätte eigentlich sein Ziel sein sollen, bis zu dem er schauen wollte, ob sein Körper wirklich nicht mehr zulässt. Aber danach tauchte schon die Heim-EM am Horizont auf, und seit dieser ist vieles anders. Potye hat nun den Körper und den Kopf eines Hochleistungsspringers, er ist "ein gnadenloser Wettkämpfer" geworden, wie er selbst schmunzelnd festhält. Und er ist gerade erst dabei, sein neues Ziel zu verfolgen: "herauszufinden, wie hoch ich wirklich springen kann". In Chorzow schaffte er erstmals 2,32 Meter (WM-Norm). Dann 2,34, womit er die Olympia-Norm abhakte. Selbst zu 2,36 fehlte nicht viel. Es habe ihn später "gefuchst", die nicht auch geschafft zu haben, "eigentlich absurd". Am Ende war er Dritter, höhengleich mit Tamberi auf Rang zwei. Barshim siegte mit 2,36.

Zur Olympia-Einkleidung für 2024 könnte Tobias Potye nun entspannter erscheinen, allerdings dauert es bis dahin noch lange. Am kommenden Wochenende wird er beim Diamond-League-Meeting in London springen, in einem Monat beginnt die WM in Budapest. Er ist selbst gespannt, wie hoch es noch geht.

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