Leichtathletik-WM:Symptome zur falschen Zeit

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Schulter an Schulter: Mohamed Mohumed (Mitte) schied im Vorlauf über 5000 Meter aus - danach sprach er von Symptomen, die er am Morgen vor dem Lauf verspürte. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Zum schwachen deutschen Abschneiden bei den Weltmeisterschaften in Eugene gesellen sich Irritationen um fragliche und tatsächliche Corona-Fälle - und um Aussagen des 5000-Meter-Läufers Mohamed Mohumed.

Von Johannes Knuth, Eugene

Mohamed Mohumed schob sich ins Ziel nach seinem Vorlauf über 5000 Meter, der 23-Jährige griff zu einem Handtuch, dann zu einer Maske, als einziger Athlet. Das war schon etwas ungewöhnlich: Die Organisatoren in Eugene haben zwar für alle Mitwirkenden dieser Weltmeisterschaften eine Maskenpflicht ausgerufen, diese gilt aber nur für Innenräume und den Shuttle-Verkehr. Es war jedenfalls, wie sich bald herausstellte, nicht der einzige ungewöhnliche Moment an diesem viertletzten Wettkampftag für den Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV).

Als Mohumed in der Mixed Zone eintraf, im Bauch des Stadions, bestätigte er, was er zuvor im Fernsehen gesagt hatte. Sein Trainer sei vor der WM coronapositiv gewesen, er habe in Deutschland mit diesem viel Kontakt gehabt, habe sich immer getestet, sei immer negativ gewesen - sonst hätte er, gemäß den Statuten des Leichtathletik-Weltverbands, gar nicht nach Eugene anreisen dürfen. Am Donnerstagmorgen, dem Tag seines Vorlaufs, habe er sich dann "nicht so gut" gefühlt. Aber die WM sei nun mal "eines der größten Ereignisse der Welt", sagte er, "und wenn man sich qualifiziert, will man auch laufen". Das klang im ersten Moment nachvollziehbar, vor allem nach jener Saison, die Mohumed bislang in den Beinen hatte. Im Frühsommer hatte er fast Dieter Baumanns deutschen Rekord (12:54,70 Minuten) getoppt, Mohumed lief 13:03,18 Minuten.

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Das Protokoll des Weltverbands in Eugene setzt auf Eigenverantwortlichkeit

Er habe vor seinem Vorlauf nun also einfach gehofft, dass er an "etwas anderem" leide, sagte er. So chancenlos (in 13:52,00), wie er dem Feld dann hinterherlief, das er eigentlich im Finale am Sonntag hatte herausfordern wollen, erweckte er freilich keinen erbaulichen Eindruck. Auf Nachfrage, ob er sich vor dem Start am Donnerstag getestet habe, zögerte Mohumed kurz. Dann sagte er: "Nein." Denn: "Wenn ich an den Start gehe und denke, ich habe Corona", dann sei das Rennen schon im Kopf verloren.

Das war, freundlich gesagt, dann doch irritierend: Die Athleten wohnen in Eugene eng zusammen auf dem Uni-Campus, auch mit anderen Nationen. Und Mohumed hatte mit der internationalen Konkurrenz am Donnerstag knapp eine Viertelstunde lang im Vorlauf gerangelt, Schulter an Schulter. Er hoffe jetzt einfach, sagte er, dass ein Nachtest keine bösen Überraschungen hervorbringe, es sei ja so: "Im deutschen Team hat es ja auch schon einige erwischt."

Einige? Der DLV hatte bis dahin nur einen Positivtest kommuniziert: von Geher Christopher Linke, der umgehend seinen Start über 35 Kilometer stornierte (und damit die nächste deutsche Medaillenhoffnung). Der Verband bestätigte erst daraufhin, dass zwei weitere Betreuer ebenfalls positiv seien, man habe sie sofort isoliert, teste alle Kontaktpersonen "regelmäßig". Die Mitglieder des medizinischen Teams würden täglich getestet. Das klärte nur nicht den zentralen Kern der Geschichte: wie der Verband in Eugene mit Athleten verfährt, vor allem denen, die coronapositiv sein könnten.

Der Test nach dem Rennen, schrieb der DLV, sei negativ ausgefallen

Überlässt man es allein einem Sportler, der jahrelang auf den einen Tag bei einer WM hingearbeitet hat, am Morgen selbst, ob er sich testet, sobald der Hals etwas kratzt? Die Nase läuft? Im Protokoll des Weltverbands in Eugene wird allein auf Eigenverantwortlichkeit gesetzt: Sollten Mitwirkende in Eugene an Covid-Symptomen leiden oder eine Infektion vermuten, müssen sie sich einem Test unterziehen.

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Der DLV schrieb auf SZ-Anfrage, man teste grundsätzlich alle Mitglieder in Eugene, bei denen Corona-Symptome auftreten. Bei Mohumed habe man vor dem Wettkampf nicht getestet, "in einem ärztlichen Gespräch" aber "keine Corona-Symptomatik festgestellt". Das wirkte nicht so richtig stimmig, wenn man bedachte, wie besorgt sich Mohumed nach dem Lauf präsentiert hatte. Einen Arzt-Termin erwähnte er da auch nicht - und nach dem Rennen wurde er dann doch noch getestet. Das Ergebnis, schrieb der DLV, sei negativ ausgefallen.

Apropos Außendarstellung: Kurz zuvor war Idriss Gonschinska, der Vorstandsvorsitzende im DLV, vor die Kameras getreten. Die bisherigen Erträge entsprächen "in keinster Weise unserem Anspruch", sagte er, man werde das "schonungslos" aufarbeiten. Dann wollte er noch etwas zurechtrücken. Annett Stein, die deutsche Chef-Bundestrainerin, hatte zwei Tage zuvor ausgeführt, das neue Sportfördersystem des Bundes (Potas) belohne Sportverbände - unter anderem - danach, wie viele Teilnehmer sie zu Großevents abstellten. Auch deshalb habe man für Eugene ein so großes Team wie möglich nominiert.

Das Ganze stimme so nur nicht, sagte Gonschinska nun: Bei Weltmeisterschaften belohne die Förderung allein Platzierungen unter den besten acht. Davon hatte der DLV bis zum Donnerstagabend einen zusammengetragen (Claudine Vita als Fünfte im Diskuswurf). Die bislang schlechteste deutsche WM-Bilanz datiert von Paris 2003: eine Silbermedaille, drei bronzene.

Immerhin ein Athlet schien am Donnerstag über allem zu schweben: Speerwerfer Julian Weber, eine der wenigen verbliebenden DLV-Hoffnungen, rückte mit 87,28 Metern ins Finale am Samstag vor, es war die drittbeste Weite in der Qualifikation. "Es hat sich so leicht angefühlt, es stimmt schon ziemlich viel gerade", sagte Weber. Damit ist er im deutschen Team gerade recht allein.

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