Lance Stroll in der Formel 1:Der geliebte Sohn soll endlich Babyrosa tragen

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Lance Stroll vor dem Großen Preis von Belgien. (Foto: imago)
  • Wer es in die Formel 1 schaffen möchte, benötigt in aller Regel Millionen.
  • Der Kanadier Lawrence Stroll hat sie - und kauft seinem Sohn Lnace nun schon den zweiten Rennstall, in dem er sich wohl bald austoben darf.
  • Das finden nicht alle gut - vor allem nicht, wenn dadurch talentiertere Fahrer aus dem Team fallen.

Von Philipp Schneider, Spa-Francorchamps

Das Fahrerlager in Spa-Francorchamps liegt, wie es so schön heißt, eingebettet in den belgischen Wäldern. Wer den zentralen Weg entlang läuft, vorbei an den grauen und monumentalen Motorhomes von Red Bull und Mercedes, der kann den Blick schön schweifen lassen über die sattgrünen Wipfel der Tannen Walloniens, unweit des Hohen Venns in den Ardennen. Das Schweifenlassen funktioniert eine Weile ganz gut. Ziemlich genau bis zu der Stelle, an der auf der linken Seite unvermittelt das Quartier des Rennstalls Force India vor dem Betrachter aufragt. Untenrum ist es in zartem Babyrosa lackiert, ganz oben befindet sich eine Sonnenterasse mit Veranda und einem Dach. Farbe? Babyrosa. Die mutige Gestaltung setzt sich im Interieur fort, unterbrochen wird die Flut des Babyrosa nur vom grellen Pink der Sitzbezüge, die die Hocker etwas flauschiger gestalten. Würde jemand auf die Idee kommen, die plüschige Residenz neben dem Schloss von Cinderella im Disneyland hochzuziehen, sie würde sich dort mindestens ebenso gut in die Landschaft fügen wie hier in die hochtechnisierte Welt des Fahrerlagers von Spa.

Dieses Babyrosa, das ja eigentlich nur einem Sponsor geschuldet ist, hat in diesen Tagen zum ersten Mal eine Art Daseinsberechtigung. Die Farbe passt plötzlich zur Handlung. Der Rennstall Force India bietet die Bühne für ein unterhaltsames Familiendrama mit Neigung zum Rührstück. Es handelt von einem sehr, sehr reichen Vater und seinem Sohn. Einem Sohn, von dem man noch nicht recht weiß, ob er ein Taugenichts ist, oder doch ein von der Welt unterschätzter Geschmähter. Und einem Vater, der dieser Frage offenbar endgültig auf den Grund gehen möchte, und deshalb seinem Sohn nun schon den zweiten Rennstall gekauft hat, in dem er sich wohl sehr bald austoben darf.

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Der Kanadier Lawrence Stroll, 59, reich geworden mit dem Kauf und Verkauf von Beteiligungen in der Modebranche, hat seinem damals 19-jährigen Sohn Lance vor einem Jahr den Einstieg in die Formel 1 mit einer Millionen-Investition ermöglicht. Er hat ihm nicht nur einen Sitz in einem Rennwagen gekauft, sondern gleich auch einen Teil des Williams-Rennstalls. 40 WM-Punkte sammelte der Sohn in seiner Debüt-Saison. Das ist okay. Aber nicht berauschend. Auf deutlich mehr Punkte kamen die Piloten von Force India, Sergio Perez (100) und Esteban Ocon (87), die die Saison als Siebter und Achter beschlossen und damit die besten Fahrer waren nach den Piloten der großen Drei: Ferrari, Mercedes und Red Bull.

Als nun ausgerechnet dieser beste aller Mittelklasse-Rennställe in finanzielle Schieflage geriet, griff Vater Stroll mal wieder zu. Gemeinsam mit einer Investorengruppe übernahm er die Mehrheitsanteile von dem im englischen Exil lebenden Inder Vijay Mallya. Formaljuristisch existiert Force India nicht mehr, es erhält während der Saison eine neue Identität und einen neuen Namen: "Racing Point Force India". Der neue Rennstall hat nun neun Rennen vor Ende der Saison null Punkte in der Konstrukteurswertung, die zwei Fahrer Sergio Perez und Esteban Ocon behalten indes ihre WM-Punkte, die sie mit Force India geholt hatten.

So. Und da drei Fahrer einer zu viel sind für einen Rennstall, stellt sich nun nicht die Frage, ob Sprössling Lance Stroll den dann sicher sehr traurigen Fahrer Esteban Ocon aus seinem Cockpit drängt. Sondern nur wann. In dieser Welt ist es nebensächlich, wenn jemand wie Ocon beim Qualifying Dritter wird, so wie es am Samstag in Spa geschah. Das finden nicht alle richtig, Lewis Hamilton zum Beispiel sagte in Belgien: "Du kannst nicht zulassen, dass jemand, der mehr Geld hat, einen besseren Fahrer überspringt. Das sollte nicht passieren." Tut es wohl doch.

Als sich Sohn Stroll in Spa vor die Presse begeben musste, schlug er sich recht tapfer bei allen Fragen zu einem möglichen Wechsel zu Force India. "Für den Moment hat sich bei mir nichts geändert. Ich habe noch immer einen Williams-Polo an, bin noch immer zu 100 Prozent fokussiert und bei meinem Job hier dabei." Nun weiß jedermann, wie schnell es sich, falls sich die Aussicht lohnt, aus so einem Polohemd schälen lässt. Und Gerüchten zufolge könnte Stroll schon beim Rennen in Monza in der kommenden Woche ein babyrosafarbiges Polohemd übergezogen haben. "Wir werden sehen, was mein Vater entscheidet", sagte Stroll und schob einen herrlichen Scherz nach: "Mein Vater ist ein netter Typ, hoffentlich nimmt er mich."

Humor ist Strolls Schutzschild gegen die Häme, die vor allem im Internet kübelweise über ihm ausgeschüttet wird. Möglicherweise zu unrecht. "Es ist besser als ein Arbeiterjob", hat Stroll mal geantwortet, als er gefragt wurde, wie er seinen Beruf als Formel-1-Pilot so fände. Das war ebenfalls lustig. Die Berufswelt eines Arbeiters dürfte Stroll kaum je aus der Nähe betrachtet haben von den Anwesen seines Vaters in Genf und Montréal, wo dieser sich eine Tiefgarage in das Bergmassiv sprengen ließ, um seiner Kollektion von 20 Vintage-Ferraris ein angemessenes Zuhause bieten zu können.

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Lance Stroll sitzt bei jedem Rennen in einem der langsamsten Rennwagen, vielleicht dem langsamsten. Trotzdem hat er schon bewiesen, dass er schnell sein kann. Vor allem, wenn die Umstände widrig sind. Im Chaosrennen von Baku im Vorjahr wurde er Dritter, im vom Regen fast fortgespülten Monza-Qualifying Vierter. Wegen der Strafversetzungen beider Red Bulls durfte er in Italien von Platz zwei starten - und so als jüngster Pilot in der Geschichte der Formel 1 aus der ersten Startreihe losrollen. Kein berauschender Rekord, aber immerhin ein Rekord.

Strolls Dilemma ist, dass ihn jedermann reflexartig vergleicht mit drei anderen jungen Rennfahrern, die unstrittig talentierter sind: Max Verstappen, 20, gewann mit 18 seinen ersten Grand Prix. Charles Leclerc, 20, beweist bei jedem Rennen im unterlegenen Sauber, weswegen er weiterhin als Kandidat für das Cockpit an der Seite von Sebastian Vettel gilt. Und dann gibt es ja noch den Wunderjungen aus der Formel 2, Lando Norris, den 18-jährigen Briten, der in Spa sein Debüt in einer offiziellen Trainingssession der Königsklasse gab und im McLaren gleich eine Zehntelsekunde schneller war als Stoffel Vandoorne.

Wenn es nicht steil genug aufwärts geht, hilft der Vater nach

Wer es in die Formel 1 schaffen möchte, benötigt Millionen. Die müssen irgendwo herkommen. Sebastian Vettel wurde früh gefördert im Nachwuchsprogramm von Red Bull. Lewis Hamilton machte als Elfjähriger mit seinen Kart-Leistungen McLaren auf sich aufmerksam, und er quatschte auch noch Rennstallchef Ron Dennis frech von der Seite an, um es in dessen Förderprogram zu schaffen. Auf einer Gala. Der ehemalige Formel-1-Pilot Jos Verstappen wiederum schob die Karriere seines Sohns Max an, indem er Sponsoren suchte und fand.

Lawrence Stroll hat nie Geldgeber gesucht. Er war ja immer selber einer. Geschätzter Kontostand: 2,5 Milliarden US-Dollar. Rund 80 Millionen Euro davon soll er investiert haben, um seinen Sohn in die Formel 1 zu katapultieren. Als Elfjähriger wurde sein Sohn immerhin in die Ferrari Driver Academy aufgenommen, das Förderprogramm der Scuderia, später wechselte er in das von Williams. Doch immer wenn es nicht steil genug bergauf ging in der Karriere seines Sohnes, half der Vater etwas nach.

Er kaufte das Formel-3-Team Prema, er investierte weiter, bis es so weit überlegen war, dass Lance Stroll 2016 der jüngste Formel-3-Champion wurde. Sein Talent zeigte sich darin, dass er mit 507 zu 322 Punkten deutlich vor dem zweitplatzierten Teamkollegen Maximilian Günther lag. Als klar war, dass er in die Formel 1 wechseln würde, durfte er unter Ausschluss der Öffentlichkeit mehrere Testfahrten mit einem zwei Jahre alten Williams drehen, die Motoren wurden eigens für ihn zusammengeschraubt. Das war`s aber noch nicht. Weil sein Sohn auch garantiert der am besten vorbereitete Debütant der Formel-1-Geschichte sein sollte, spendierte Papa Stroll dem Team Williams auch noch einen nagelneuen und sündhaft teuren Fahrsimulator. Wobei, für das Team war er nicht. Er war reserviert für Lance Stroll. Die Werksfahrer Valtteri Bottas und Felipe Massa durften zunächst nicht hinein in den Simulator.

Und jetzt? Jetzt wird man bald sehen, wie schnell der Rennfahrer Lance Stroll so sein kann. Der geliebte Sohn trägt endlich Babyrosa.

© SZ vom 26.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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