Krise von Borussia Dortmund:Müde Kraftmeier

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Jürgen Klopp und seine Spieler: ratlos. (Foto: AFP)

Fußball-Bundesligist Borussia Dortmund stürzt nach drei Heimniederlagen in Serie endgültig in die Krise. Trainer Jürgen Klopp verweigert aber jede Aufarbeitungsdebatte. Dabei böte das 1:2 gegen Hertha BSC viele Ansätze. Wird der Fetisch des Fußball-Arbeitens überbetont?

Von Freddie Röckenhaus

Auf dem Weihnachtsvideo mit lauter Szenen des Hochgefühls, das der BVB später auf die Videowände projizieren ließ, hob Jürgen Klopp noch jubelnd ab. In der Echtzeit jubelten jedoch andere: die gut aufgelegten Aufsteiger von Hertha BSC, denen eine fleißige Defensivleistung reichte, um in Dortmund 2:1 zu triumphieren.

Die Schlappe schmeckte für den BVB und seinen Coach deutlich bitterer als das 1:2 vor gerade einmal sieben Monaten im Champions-League-Finale gegen den FC Bayern. "Das Gute an diesem letzten Drittel des Jahres", bemühte sich Jürgen Klopp wenigstens um eine gute Nachricht, "ist, dass es nun vorbei ist."

Das hörte sich an wie ein Schlussstrich unter eine Hinrunde voller unglücklicher Umstände, aber nicht unbedingt wie der Einstieg in die Aufarbeitung möglicher Gründe jenseits von Verletzungspech oder Schiedsrichter-Fehlern. Dabei lieferte die Niederlage gegen die nicht gerade übermächtigen Berliner etliche Ansatzpunkte für den inzwischen unbestreitbaren Abschwung der Borussia.

Aus dem vor der Saison ausgerufenen Duopol mit dem FC Bayern hat sich Klopps Mannschaft längst verabschiedet, obwohl punktuell durchaus noch der Eindruck aufschimmert, dass zumindest die erste Elf qualitativ tatsächlich auf Augenhöhe agieren könnte.

Der BVB aber strauchelt jetzt nicht mehr nur wegen Konzentrationsmängeln gegen die Kleinen, er verliert in erstaunlicher Regelmäßigkeit gegen die direkten Konkurrenten. Gegen alle fünf Klubs, die in der Hinrunden-Tabelle bis Platz sechs notiert sind, war der BVB unterlegen; zuletzt gab es drei Niederlagen in drei Heimspielen nacheinander. Derlei war zuvor zuletzt im Frühjahr 2000 passiert - unter dem heute weithin vergessenen Trainer Bernd Krauss.

Klopps Trost kam rhetorisch verschlungen daher: "Wenn das beschissene Ende des Jahres 2013 dazu gut ist, dass wir 2014 das großartigste Jahr der Vereinsgeschichte spielen, würde es mir leichter fallen, der Hertha zu gratulieren." Seiner Mannschaft gelingen so komplexe Aufbauten auf dem Rasen immer seltener.

Mögliche Erklärungsversuche hat Klopp seit Wochen weggewischt, bisweilen gereizt. Mangelnde Chancenverwertung? Ja schon, aber Hauptsache wir erspielen uns so viele Chancen. Zu wenig Varianten gegen tief gestaffelte, aggressive Gegner? Auf keinen Fall, man muss halt gegen jeden Gegner in der Bundesliga an die physischen Grenzen gehen. Mehr Rotation wagen gegen den mentalen Kräfteverschleiß? Mag sein, aber wir haben doch mehr Punkte als fast je zuvor.

Sachliche Argumente hat der BVB für seine schwache Hinrunde bisher kaum gelten lassen. Am Samstag führten zwei eklatante Fehler der beiden jungen Ersatzspieler Erik Durm, 21, und Marian Sarr, 18, zu den beiden Berliner Treffern durch Ramos (23.) und Allagui (45.) - aber können solche verletzungsbedingten Gegentore auch erklären, warum die offensiv immer noch luxuriös besetzte Elf anschließend eine ganze Halbzeit lang keine einzige zwingende Torchance kreieren konnte?

Aus der zunächst als Torschuss- und Ergebniskrise ausgelegten BVB-Schwäche ist tatsächlich eine spielerische Krise geworden. Mannschaften wie die Hertha, die leidenschaftlich verteidigen, können die mit weit mehr individueller Klasse ausgestatteten Dortmunder durchaus in Schach halten. Dass der BVB auf das Gegenpressing kein Patent hat anmelden können, war erwartbar; aber den nötigen nächsten Schritt, gegen tief stehende Mannschaften dank des kleinen Überschusses an spielerischer Überlegenheit zum Ziel zu kommen, den bleibt Dortmund oft schuldig.

Oft werden zudem formschwache Spieler wie der seit Wochen schwächelnden Jakub Blaszczykowski oder der vom Niveau insgesamt überfordert wirkende Julian Schieber durchgezogen, während Tor- jäger Pierre Aubameyang trotz seiner bereits neun Tore nur selten spielen darf. Manche im Klub fragen sich schon, ob der Fetisch des Fußball-Arbeitens zuletzt vielleicht überbetont wurde. Während sich Mario Götze bisweilen aus dem pausen- losen Ball- und Gegnerjagen ausklinkte, um in entscheidenden Momenten den Unterschied zu machen, sieht es nun so aus, als ob sich sein technisch ähnlich hochbegabter Nachfolger Henrikh Mkhitarjan in der Defensivmaloche aufreibt.

Dortmund hat sich nicht nur auf das Niveau anderer Mannschaften "herunterverletzt", wie es Klopp kürzlich formulierte. Es limitiert sich auch selbst auf das reine Kraftgemeiere. Die Winterpause gibt der Mannschaft nun die Gelegenheit, auf andere Gedanken zu kommen. Die Verletzten - vor allem die Nationalspieler Mats Hummels, Ilkay Gündogan und Marcel Schmelzer -, werden sich zur Rückrunden-Vorbereitung ab dem 5. Januar gesund melden. Alle anderen können die Batterien über die Festtage aufladen, nur Neven Subotic muss mit seinem Kreuzbandriss noch länger pausieren.

"25 Punkte Rückstand auf Bayern wird es nicht wieder geben", hatte BVB-Chef Hans-Joachim Watzke als Saisonprognose ausgegeben. Wenn die Bayern ihr Nachholspiel gegen Stuttgart absolviert haben, könnten es 15 schon zur Halbzeit sein.

© SZ vom 23.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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