Korruption bei der Fifa:Zorana und die alten Kameraden

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Freund der Deutschen: Blagoje Vidinic (links, als Trainer von Marokko) während der WM 1970 mit dem DFB-Coach Helmut Schön. (Foto: imago/WEREK)
  • US-Ermittler untersuchen die langjährigen Rechte-Deals der Sportmarketingagentur ISM - das könnte für einige Granden des Fußball-Weltverbandes heikel werden.
  • Auch um die WM 2002 in Japan und Südkorea gibt es offene Fragen.

Von Thomas Kistner, München

Am Abend, bevor die Fußballwelt auf die abschüssige Bahn geriet, hatte Horst Dassler einen heißen Tipp erhalten. Dassler, Spross des Adidas-Konzerns, war der Mann, der die bis heute blühende Korruptionskultur im Sport etabliert hat; an jenem Juniabend 1974 wollte er mit seinem Freund Blagoje Vidinic an einer Frankfurter Hotelbar auf den bevorstehenden Wahlsieg des Fifa-Präsidenten Stanley Rous gegen João Havelange anstoßen.

Doch Vidinic eröffnete ihm, dass nicht der Brite Rous gewinnen werde, auf den der Strippenzieher von Adidas gesetzt hatte, sondern der Herausforderer aus Brasilien. Havelange habe Afrikas Voten sicher, dank einer üppigen Geschenkkultur. Vidinic wusste das aus nächster Anschauung: Er coachte das Nationalteam Zaires, das bei dieser WM in Deutschland dabei war.

Vidinic gab Dassler Havelanges Zimmernummer. Den Rest regelten der Deutsche und der Brasilianer dann in der bewegten Vorwahlnacht so, wie sie fortan die neue Geschäftskultur des Fußballs kreierten: per Deal hinter verriegelten Türen. Havelanges Fifa gab Dasslers Marketingagentur ISL stets die WM-Werberechte, später auch die TV-Rechte.

Dafür sorgte der von beiden erwählte und angelernte Generalsekretär Sepp Blatter mit Bieterverfahren, welche die Mitbewerber als Scheinprozesse rügten. Als 2001 die ISL pleiteging, flog auf, dass sie mehr als 141 Millionen Franken Schmiergelder an Funktionäre gezahlt hatte; zweistellige Millionenbeträge allein an Havelange und dessen Schwiegersohn Ricardo Teixeira. Havelange, der das Fifa-Zepter 1998 an Blatter weitergab, hatte Teixeira in den Fifa-Vorstand und an die Spitze des Brasilien-Verbandes CBF gehievt.

Blagoje Vidinic - im EM-Finale 1960 hatte er Jugoslawiens Tor gegen die siegreiche Sowjetunion (1:2) gehütet - wechselte bald fest an die Seite von Freund Dassler. Als dessen sportpolitischer Problemlöser mischte er die Fifa-Kreise auf; er arrangierte WM-Werbeverträge und verdeckte Zahlungen an Spieler, die ihm Ärger mit der Justiz eintrugen. Nach langer Tätigkeit für den Sportartikelkonzern zog Vidinic in die USA und gründete 1995 die International Soccer Marketing (ISM); mit Sitz in New York und geführt von Tochter Zorana.

Dass diese ISM nicht nur das Kürzel mit der Schweizer Korruptionsagentur ISL verband, sondern auch das Geschäftsmodell, belegen nun die Ermittlungen des FBI. Die Schiene ISM führt zurück in die Netzwerke der Vergangenheit, sie verlinkt altgediente Fifa-Spitzen mit der Fußball-Geschäftskriminalität in Lateinamerika. Bisher wurde diese ja von der Fifa gern als ein auf die Region beschränktes Phänomen dargestellt.

Die US-Justiz führt die ISM in ihrer Anklageschrift als "Sportmarketingfirma A", und ihr Oberhaupt als "Mitverschwörer Nr. 5". Das betrifft Zorana Danis, Chefin der von Papa Vidinic gegründeten Agentur. Aus einem Büro im spröden Jersey City betreute sie viele Jahre die wichtigsten Turniere in Südamerika und besiegelte Verträge mit Konzernen wie Bridgestone, Toyota und Banco Santander. Für die Copa Libertadores, das Champions-League-Format der Spitzenklubs von Feuerland bis Amazonas, flossen weit mehr als 100 Millionen Dollar.

Ihren exklusiven Geschäftserfolg verdankte die Agentin der Nähe zu väterlichen Weggefährten: den Fußballdirigenten im Südamerika-Verband Conmebol. Den regierten über Dekaden Männer wie Teixeira und der 2014 verstorbene Argentinier "Don" Julio Grondona, Blatters Stellvertreter und Fifa-Finanzchef - und Nicolás Leoz, Conmebol-Präsident von 1986 bis zum korruptionsbedingten Rücktritt 2013. Sie alle sind ins Visier des FBI gerückt.

Leoz hatte schon von der Schweizer ISL 730 000 Dollar kassiert. Doch aus der ISM floss nach Aktenlage deutlich mehr auf die Verbandskonten, die der Paraguayer wie ein Duodezfürst abräumte. Leoz, der Fußball-Schwarzgelder über Luxusautos, Ländereien und Gebäude in Asunción wie den Sitz der Banco do Brasil gewaschen haben soll, bei der er auch Konten unterhielt, war es sogar gelungen, der Verbandszentrale einen Neutralitätsstatus zu verschaffen; das schützte vor unliebsamen Behördenbesuchen. Diese Absurdität endete abrupt, als das FBI Leoz' Auslieferung beantragt und Interpol den 86-Jährigen auf die Fahndungsliste gesetzt hatte. Nun steht Leoz unter Hausarrest; er beteuert seine Unschuld.

Gemäß Anklage hat Leoz über "Mitverschwörer Nr. 5" seit Beginn der Nullerjahre Millionen an Kickback-Zahlungen kassiert - und im Gegenzug deren Firma die Exklusiv-Vermarktung von Werberechten zugeschanzt. "Leoz leitete Mitverschwörer Nr. 5 an, Zahlungen auf verschiedenen Wegen zu leisten", so die US-Justiz, von Direktzahlungen an ihn bis zu Transfers an die Conmebol, die er auf Privatkonten umleitete.

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Spannende Fragen wirft nun eine Zahlung von 1,5 Millionen Dollar auf, die aus Tokio an die Conmebol flossen und von denen er 100 000 Dollar für Zorana Danis abzweigen ließ. Ein früherer Verbandsmitarbeiter, der sich nach Spanien abgesetzt hat und dem Sportblatt As Kontoauszüge vorlegte, bringt die Überweisung mit der WM-Vergabe 2002 an Japan und Südkorea zusammen. Die Zahlung erfolgte im Februar 2000, die WM-Kür fand aber 1996 statt.

Jedoch geht das FBI auch schon im Fall der Südafrika-WM 2010 dem Verdacht nach, dass im Fifa-Umkreis manche Schmiergelder erst "nach Lieferung" des Resultats geflossen sein könnten. Im Fall Südafrika geht es um zehn Millionen Dollar, die der Ausrichter am Kap 2008 als angebliche Spende an Fifa-Funktionär Jack Warner ausreichte: direkt aus dem WM-Budget der Fifa. Japans Verband, der bereits in den Neunzigern mit Danis zu tun hatte, bestreitet, dass man so einen Betrag gezahlt habe. Damals, so JFA-Chef Junji Ogura, "hatten wir nicht so viel Geld".

Zorana Danis, 52, lässt Medienanfragen unbeantwortet. Die US-Justiz führt die Fifa-Insiderin, die zum Party-Tross des früheren amerikanischen Fifa-Vorstands und jetzigen FBI-Kronzeugen Chuck Blazer zählte, nicht als Beschuldigte; vielmehr weise sie der Status als Mitverschwörerin "im Rang einer potenziellen Kronzeugin" auf, berichten US-Medien unter Berufung auf Justizkreise. Das könnte sehr bedeutsam werden. Danis' Eltern waren seit den Siebzigern mit hohen Fifa-Geheimnisträgern verbandelt. Und mit manchem Sportkonzern dahinter.

© SZ vom 23.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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