Konflikt zwischen DFB und DFL:Sündenböcke im Sommertheater

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Es brodelt beim DFB - und Präsident Niersbach wartet mit weitreichenden Entscheidungen auf. U21-Trainer Adrion muss nach der EM-Pleite gehen, mit Horst Hrubesch als Nachfolger wählt der DFB eine gefahrlose Variante. Die Kritik von DFL-Geschäftsführer Rettig kommentiert Niersbach spitz.

Von Philipp Selldorf

Die Sitzung habe "die üblichen zwei Stunden" gedauert, erzählte Wolfgang Niersbach, als er gegen Mittag vor die Tür trat, um die Ergebnisse des DFB-Präsidiumstreffens zu verkünden. Zweifellos sollte diese Anmerkung auch dem Bild von Einvernehmen und Betriebsroutine dienen, das Niersbach herzustellen versuchte, aber das änderte nichts daran, dass die Zeitangabe korrekt war.

Die Vertreter des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) und der Deutschen Fußball Liga (DFL) hatten nicht länger als die besagten zwei Stunden gebraucht, um die Zwistigkeiten zu bereden, die zuletzt mit beachtlicher Wirkung in der Öffentlichkeit ausgetragen wurden. Für den ebenfalls auf der Sitzung verabschiedeten Beschluss zur Entlassung des U-21-Trainers Rainer Adrion hat die Runde wahrscheinlich kaum fünf Minuten gebraucht. Dass Adrion gehen muss und Horst Hrubesch sein Nachfolger wird, wussten nicht wenige Eingeweihte schon vor dem Morgengrauen.

Rainer Adrion: Abgelöst als U21-Trainer (Foto: Getty Images)

Niersbach erklärte, es sei "keine leichte Entscheidung" gewesen, weil er Adrion "menschlich und fachlich" schätze, aber es war offenbar auch keine allzu schwierige Entscheidung. Denn die Betrachtung von Adrions Wirken bei der U-21-EM in Israel ergab ein recht eindeutiges Bild: Beim verlorenen Spiel gegen Spanien sei er ja selbst im Stadion gewesen, sagte Niersbach, der deutsche Auftritt sei "eine Ernüchterung und Vorführung" gewesen, "das war mehr als ein 0:1, die Spanier waren uns mehr als einen Schritt voraus".

Ein anderer Teilnehmer der Sitzung drückte es anders aus: Adrions Mannschaft sei "zweimal untergegangen wie ein nasser Sack". Außer den Niederlagen werden Adrion die Trainingsarbeit und die Personalwahl angelastet.

Folgerichtig gab es bei diesem Tagesordnungspunkt eine einstimmige Entschließung. "Man ist zu dem gemeinsamen Ergebnis gekommen, dass beim Neuaufbau ein neuer Trainer kommen soll", sagte Niersbach. Joachim Löw, der Bundestrainer, hat Adrion nicht mehr beistehen können wie vor zweieinhalb Jahren, als die U 21 die EM in Dänemark verpasste - damals war der Adrion-Kritiker Matthias Sammer noch Sportdirektor und Adrion für Löw ein wichtiger Verbündeter.

Dass Hrubesch ein neuer Trainer wäre, kann man allerdings auch nicht sagen. Der 62-Jährige hat bisher die U 18 betreut und ist als U-21-Trainer sein eigener Nachfolger: Den Job hat er übergangsweise schon mal gemacht, 2009 wurde er mit Özil, Neuer, Khedira und Co. Europameister. Hrubesch gilt als relativ gefahrlose Lösung.

Wie war es nun aber bestellt um den angeblichen Großkonflikt zwischen den beiden Fußballhäusern, den zunächst DFB-Generalsekretär Helmut Sandrock und später DFL-Geschäftsführer Andreas Rettig mit ihren Wortmeldungen ausgelöst hatten? "Eine Art Sommertheater", meinte Niersbach. "Es gibt keine 24-Stunden-und-365-Tage-Harmonie, aber das wäre ja auch total falsch."

Allerdings hatte sich der Präsident nach Rettigs vermeintlicher Fundamentalkritik eine zentrale Frage gestellt: "War es die Meinungsäußerung eines einzelnen Ligadirektors? Oder eine Sammelklage der Liga?" Mit dieser Frage ging er am Freitag in die Sitzung - und erhielt von DFL-Chef Christian Seifert und den Ligavertretern Harald Strutz (Mainz) und Peter Peters (Schalke) eine Antwort, die ihn sehr befriedigte: "Um Gottes willen, nein, das war keine konzertierte Aktion", so gab es Niersbach wieder.

Tatsächlich machte der ansonsten für seine Munterkeit bekannte DFL-Direktor Rettig einen recht eingeschüchterten und verschreckten Eindruck, als er am Freitagvormittag in der DFL-Zentrale den nächsten Bundesliga-Spielplan vorstellte. Seine Kritik, so ist aus beiden Lagern zu hören, war ihm dezidierter geraten, als er beabsichtigt hatte. Am Freitag wollte er sich zu der Sache lieber nicht mehr äußern.

Wie nun der Posten des Sportdirektors besetzt wird, darüber wollen sich DFB und DFL nächste Woche verständigen. Man werde keine Entscheidung gegen die Liga treffen, versicherte Niersbach. "Die Liga war eingebunden, als wir Robin Dutt verpflichteten, sie war eingebunden, als wir über seine Freigabe für Werder Bremen entschieden haben. Und sollte ein neuer Mann kommen, wird auch das nur im Einverständnis passieren." Die Liga ist dafür, eine langfristige Lösung erst zu treffen, wenn die Zuständigkeiten geklärt sind. Sprich: Wenn man weiß, ob Löw Bundestrainer bleibt und Klarheit über die Kompetenzen herrscht.

© SZ vom 22.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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