Kommentar:Siege des FC Augsburg: Gegen alle Prognosen

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Augsburgs Alfred Finnbogason (2.v.l) bejubelt seinen Treffer zum 0:1 gegen den VfL Wolfsburg mit Philipp Max (l), Caiuby und Halil Altintop (r). (Foto: dpa)

Dem kleinen FC Augsburg scheint trotz aller Widrigkeiten wieder der Ligaverbleib zu gelingen. Den Kampf um ihren Trainer werden sie trotzdem verlieren.

Kommentar von Sebastian Fischer

Die berühmtesten Bilder, die von der Saison des FC Augsburg bleiben werden, sind die einer Niederlage. 0:1 verlor der FCA im Februar in der Europa League beim FC Liverpool, es war das größte Spiel der Vereinsgeschichte. Die Augsburger Fans sangen an der Anfield Road noch lange nach Schlusspfiff ihre Lieder, es war herzzerreißend - und wirkte irgendwie tragisch symptomatisch: ein Verein, der stolz ist auf seine besondere Leistung und den Moment genießt, aber der sich am Ende eben zu übernommen haben schien und verlor - in Europa und in der Bundesliga, wo die Kräfte wegen der Abenteuer in Europa fehlten. Augsburg, konnten die ewig Recht habenden Kritiker seufzend anmerken, habe das ja ganz toll gemacht in der Vorsaison, sich für Europa zu qualifizieren. Aber Augsburg bleibe eben einer von den Kleinen. Und am Ende gewinnen im Fußball halt die Großen.

Nun hat die Schlussphase der Bundesliga bislang schon ein paar überraschende Pointen parat (Leverkusen! Hamburg!), aber die schönste ist wohl die, dass die ewig Recht habenden Kritiker ein paar ihrer Seufzer zurücknehmen müssen, wenn das geht: Das große kleine Augsburg gewinnt. Oder, tabellarisch korrekt ausgedrückt: Augsburg steigt aller Voraussicht nach nun doch nicht in die zweite Liga ab.

Was hat nicht alles gegen den FCA gesprochen: die Doppelbelastung, zu wenig Risiko-Investments auf dem Transfermarkt und eine kaum verstärkte Startelf im Sommer, Absagen der Wunschkandidaten (Hojbjerg), der älteste Kader der Liga, rätselhafte Formschwächen wichtiger Spieler (Altintop), Verletzungen noch wichtigerer Spieler (Werner, Verhaegh) und natürlich die Lahme-Ente-Debatte um Trainer Markus Weinzierl, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Augsburg zur kommenden Saison verlässt. Außerdem schien dem Team sein größter taktischer Trumpf ausgerechnet in der entscheidenden Phase abhanden zu kommen: die defensive Kompaktheit.

Reuter geht von Weinzierls Verbleib aus - Verhandlungstaktik?

Doch jetzt das: Drei Spieltage vor Schluss hat Augsburg fünf Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz und drei Spiele in Serie gewonnen, in Bremen, gegen Stuttgart, in Wolfsburg. Trumpf waren dreimal defensive Kompaktheit und offensive Effektivität, die Alten sind plötzlich formstark, die meisten Verletzten wieder gesund, das Risiko-Investment auf dem Winter-Transfermarkt erweist sich als goldrichtig - der isländische Zugang Alfred Finnbogason traf in Wolfsburg zum sechsten Mal im elften Spiel. Und die lahme Ente Weinzierl? Manager Stefan Reuer sprach vor dem Spiel frech davon, er gehe davon aus, dass Weinzierl auch in der kommenden Spielzeit den FCA trainieren werde.

Das ist natürlich nichts weiter als Verhandlungstaktik, dieser Coup wird Augsburg nicht auch noch gelingen, auf dem Transfermarkt gewinnen ja wirklich ausschließlich die Großen. Aber auf dem Platz haben die Kleinen die Großen am 31. Spieltag düpiert. Der VfL Wolfsburg war in der vergangenen Saison ja durchaus mit Augsburg vergleichbar: Hier der FCA überraschend in der Europa League, dort der VfL überraschend in der Champions League. Hier Gallionsfigur Weinzierl, dort der "Trainer des Jahres" Dieter Hecking. Doch in 2016 sind die Trends gegenläufig: Augsburg hat allen Widrigkeiten getrotzt, Wolfsburg ist an ihnen gescheitert. Hier wird das kleine Ziel Klassenerhalt erreicht, dort wird das viel zu große Ziel Champions League krachend verfehlt. Hier wird Weinzierl im Guten verabschiedet, dort ist Hecking längst nicht mehr jeder Kritik erhaben.

Der Augsburger Erfolg ist auch das: ein Sieg der Realisten, ein Zeichen an die Hochstapler. Blöd nur für Markus Weinzierl, dass sein möglicher zukünftiger Arbeitgeber nicht gerade für Realismus bekannt ist. Der FC Schalke 04 ist eben ein richtig großer Klub.

© SZ vom 24.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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