Bundesliga:Das große Baggern auf dem Trainermarkt

FC Augsburg - VfB Stuttgart

Nicht nur in Augsburg ein begehrter Trainer: Markus Weinzierl.

(Foto: dpa)

Von Philipp Selldorf

Die eigentliche Sensation dieser Woche ist ein wenig untergegangen im Getümmel, dabei ist es ja eine aparte Vorstellung, wie Lucien Favre auf dem Flughafen Atatürk mit Schrecken im Gesicht den begeisterten Fans begegnet, die ihn auf die Schultern heben, um den neuen Teknik Direktör von Galatasaray Istanbul willkommen zu heißen. Favre, 57, in der türkischen Süper Lig: Das klingt nach einer abenteuerlichen Vereinigung verschiedenartiger Kulturen - und gleichzeitig nach einer eklatanten Verlustmeldung für den deutschen Trainermarkt.

Es ist nicht lange her, da war der Schweizer Denker ein Anwärter auf das Cheftrainerzimmer im FC-Bayern-Hauptquartier an der Säbener Straße, und wenn es dort zurzeit auch keine Vakanz gibt, so sollte sich nach viereinhalb Jahren beispielhaft erfolgreicher Arbeit in Mönchengladbach doch ein ambitionierter Klub finden, der Favre in seine Dienste nehmen möchte.

Zu hören ist, dass er gern wieder in der Bundesliga arbeiten würde, und dass er nach seiner spontanen Kündigung in Gladbach längst wieder Lust auf den nächsten Lehrauftrag spürt. Da ist es eine hervorragende Nachricht, dass die Meldung über den Job bei Galatasaray auch wieder nur eine Ente war. Max Eberl, sein ehemaliger Chef in Mönchengladbach, sagt: "Lucien ist auf dem Trainermarkt eine ganz heiße Aktie."

Kann Schalke fünf Millionen Ablöse für Weinzierl zahlen, falls der FCA doch absteigt?

Nicht zu hören ist allerdings, dass die Bundesliga dieses Interesse erwiderte. Bayer Leverkusen wäre ein denkbarer Abnehmer gewesen, als Roger Schmidt in Turbulenzen geriet, aber in der prekären Phase entschieden die Sportmanager Rudi Völler und Jonas Boldt, Schmidt Deckung zu geben. Auch Klaus Allofs hat in Wolfsburg für Dieter Hecking seine Grundsatzentscheidung getroffen.

Und der mutmaßliche Aufsteiger RB Leipzig, der seit bald zwei Jahren verdächtig angestrengt nach der goldenen Trainerlösung sucht, kommt nach den Worten des amtierenden Aushilfstrainers und Chefplaners Ralf Rangnick als Arbeitgeber für Favre nicht in Frage. Sein Nachfolger werde "schon ein bisschen jünger sein als ich", erwiderte Rangnick, 57, auf entsprechende Befragungen. Ein bisschen spöttisch hörte sich das an.

Die jungen Trainer, die derzeit schwer nachgefragt sind, haben ihre Teams nicht wie Favre mit bleibender Wirkung in die Spitzengruppe der Liga oder in die Champions League geführt, aber sie haben sich hinreichend profiliert, um einen Konkurrenzkampf der Bewerber zu mobilisieren. Mit Augsburgs Trainer Markus Weinzierl, 41, waren sich die Leipziger angeblich über wesentliche Dinge einig, bis sie sich in anderen wesentlichen Dingen wieder so sehr entzweiten, dass beide Seiten von einer gemeinsamen Beziehung nichts mehr wissen wollen.

Kenner sagen, dass die Initiative zu dieser Distanzierung vor allem von Weinzierl ausging, dem offenkundig auch andere Vereine eine Perspektive aufgezeigt haben - Schalke 04 gehört definitiv dazu. Rangnick verbreitete nun mit demonstrativer Zuversicht, dass die Entscheidung über den neuen Chefcoach "in drei, vier Wochen" verkündet werde.

Weinzierls Wechsel zu Schalke wird als Tatsache angesehen

Dass er sich kürzlich - und nicht zum ersten Mal - mit Ingolstadts Trainer Ralph Hasenhüttl getroffen hat, lässt zwar relativ eindeutige Schlussfolgerungen zu. Allerdings hat Hasenhüttl inzwischen nicht ohne Hintersinn erklärt, er habe sich auch mit anderen Vereinsvertretern getroffen.

Gewissheiten sind in den großen Trainerfragen der Liga derzeit nicht zu greifen, womöglich nicht mal für die unmittelbar Beteiligten. Der Schein trügt oft. Weinzierls Engagement auf Schalke wird mittlerweile als Tatsache angesehen, sehr zum Verdruss des Amtsinhabers André Breitenreiter und des bis Saisonschluss diensthabenden Sportchefs Horst Heldt, den das ständige Reden über den vermeintlichen Nachrichtenstand einigermaßen verzweifeln lässt: "In unserer Situation ist das sehr schädlich", sagt er, "es wird so viel über die Zukunft gesprochen, aber nicht über die Gegenwart. Dabei können wir noch so viel erreichen."

Sehr vieles deutet darauf hin, dass Weinzierl im Sommer nach Schalke kommt. Doch auch weitreichende Verabredungen stellen noch keine Garantie dar, dass die Verbindung tatsächlich geschlossen wird, speziell Schalke und Weinzierl haben das nach sehr detaillierten Gesprächen vorigen Sommer erleben müssen.

Augsburg soll fünf Millionen Euro für Weinzierl fordern

Der FC Augsburg, der sich damals dem Wechsel entgegenstellte, hat diesmal angezeigt, dass er dem Trainer die Freigabe erteilen werde; der Klub gibt aber auch zu verstehen, dass er sich die Freigabe teuer bezahlen lassen möchte. Von bis zu fünf Millionen Euro ist die Rede, und diese Forderung ist so prominent verbreitet worden, dass sie bereits den Maßstab bildet. Und wenn der FCA absteigt? Kann Schalke dann immer noch eine Ablöse in Rekordhöhe vertreten?

Oder wird womöglich - auch das wird in der Szene kolportiert - in diesem Fall dann Hasenhüttl der neue Mann in Gelsenkirchen? Während Weinzierl vielleicht nach Mönchengladbach wechselt? Auch die Borussia gehört zu den Klubs, die in den Spekulationen und in den Planspielen der Berater vorkommen, obwohl dort ein Trainer arbeitet, der nicht nur mit einem relativ frischen Vertrag ausgestattet ist (im November ratifiziert), sondern auch mit einer brandaktuellen Vertrauenserklärung des Sportchefs Max Eberl. Aber die Ansprüche bei der Borussia sind inzwischen gestiegen, und André Schubert, 44, hat zuletzt Zweifel aufkommen lassen, ob er das reiche Erbe Lucien Favres zu nutzen weiß.

Als Interimstrainer hat sich Schubert mit einer grandiosen Erfolgsserie quasi gewaltsam in die Festanstellung gesiegt, nun ist zu sehen, dass er dem Stand der provisorischen Lösung noch nicht entwachsen ist. Zwar macht er Lernfortschritte, aber eine Gewissheit gibt ihm das nicht.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: