Zukunft von Olympia:Der Überlebenskampf der Olympischen Winterspiele

Lesezeit: 2 min

Bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Winterspiele 1988 in Calgary war noch alles in Ordnung. (Foto: dpa)

Nachdem die Bewerbungen von Calgary und Stockholm auf der Kippe stehen, ist es möglich, dass sich kein Olympia-Kandidat für 2026 findet - so mies ist das Image der Spiele in demokratischen Staaten mittlerweile.

Kommentar von Johannes Aumüller

Es ist noch eine Weile hin bis zum Jahr 2026, und es steht außer Frage, dass die Sportwelt dann eine andere sein wird als heute. Unter anderem wird Thomas Bach nicht mehr Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) sein und der den globalen Sport so massiv beeinflussende Wladimir Putin nicht mehr Präsident Russlands. Zumindest falls niemandem ein Dreh einfällt, wie sich die derzeit aus der olympischen Charta bzw. russischen Verfassung hervorgehenden Amtszeitbegrenzungen (Bach längstens bis 2025, Putin bis 2024) ausdehnen ließen.

Für die Sportwelt spielt 2026 freilich schon jetzt eine zentrale Rolle. Denn die Olympischen Winterspiele befinden sich in einer Art Überlebenskampf, und die Veranstaltung in acht Jahren soll sie retten. Doch derzeit sieht es ziemlich übel aus, und das IOC muss sich mit dem Szenario befassen, dass es bald ohne passenden Bewerber dasteht.

Winter-Olympia steckt mitten in einer verstörenden Trias. 2014 fanden die Spiele in Sotschi statt; das war nicht nur eine gigantisch teure und naturschädigende Propaganda-Sause für Putins Regime, sondern entpuppte sich später als Höhepunkt eines jahrelangen Staatsdopingsystems. Im Retortenstädtchen Pyeongchang in Südkorea war zwar alles bestens organisiert, vermissten aber nicht nur viele Sportler das angemessene Flair. Und 2022 stehen als Krönung Spiele im berühmten Skiort Peking an. Dort wird gerade mit einem solchen Irrwitz daran gearbeitet, eine 200 Kilometer von Chinas Kapitale entfernte Region olympiatauglich herzurichten, dass sich Sotschi bald als Musterbeispiel für kostengünstiges und nachhaltiges Arbeiten fühlen darf.

Entsprechend mies ist das Image der Winterspiele - und daher soll es 2026 unbedingt wieder eine Veranstaltung in einer klassischen Wintersport-Destination geben, wie Bach vorgab. Doch es fällt schwer, einen Ausrichter zu finden.

Denn klassische Wintersport-Destinationen sind oft in demokratischen Staaten zu finden, und in demokratischen Staaten wiederum schrecken das Gebaren des IOC und die hohen Kosten die Bewerber seit Jahren ab. Daran ändert auch das Gerede von angeblichen Reformen nichts. In Österreich und der Schweiz gab es kürzlich bei Volksbefragungen Niederlagen, Sapporo vertagte seine Pläne, offiziell mit Verweis auf das schwere Erdbeben in der Region. Aus Deutschland kam nach den Pleiten bei den Olympia-Referenden für München 2022 und Hamburg 2024 gar kein Versuch mehr.

Das türkische Erzurum könnte wieder ins Rennen kommen

Da durfte das IOC froh sein, dass es auf seinem Kongress Anfang Oktober immerhin drei Städten den Kandidatenstatus verpassen konnte: Calgary, Stockholm und Mailand/Cortina d'Ampezzo. Doch überall ist die Lage unsicher. In Calgary hat das Olympische Komitee nun vorgeschlagen, die Bewerbung aufgrund offener Finanzierungsfragen zurückzuziehen. Und selbst wenn der Stadtrat der Empfehlung nicht folgt, steht bald ein Referendum an. In Stockholm sprach sich der Stadtrat schon Anfang des Monats gegen eine Kandidatur aus. Und in Italien sind die Planungen noch sehr überschaubar und ist das Thema aufgrund der politischen Lage ohnehin ungewiss; erst im Vorjahr stoppte die Regierung die Bemühungen von Rom um Sommerspiele.

Was passiert, wenn das IOC zum offiziellen Stichtag am 11. Januar 2019 tatsächlich ohne Kandidat dastünde? Na, aus der Liste nicht klassischer Wintersportorte mit autokratischen Herrschern ließe sich doch bestimmt jemand finden. Das türkische Erzurum etwa, das vom IOC neulich noch ausgebremst wurde. Da liegt ein toller Gedanke in der Luft. Weil es unter anderem an einer Bobbahn fehlt, tauchte der Vorschlag auf, die Schlitten-Wettkämpfe woanders auszutragen - genau, in Sotschi. Bach und Putin noch mal freundschaftlich nebeneinander am Schwarzen Meer, das hätte doch auch was.

© SZ vom 31.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusMarcel Hirscher im Interview
:"Ich habe das furchtbar gefunden, vor Ort in Pyeongchang"

Marcel Hirscher ist der erfolgreichste Skirennfahrer der Welt und hat noch nicht genug. Er spricht über das Wettkampf-Gen, Olympia-Irritationen und sein Gefühl für das Limit.

Interview von Johannes Knuth

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: