Mixed-Staffel:Ein Hingucker der WM

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Erster Mixed-Staffel-Weltmeister Team USA: Obi Igbokwe bekommt von Teamkollegin Jasmine Blocker den Staffelstab. (Foto: Martin Meissner/dpa)

Lange hat die Leichtathletik gezögert, bei der WM eine Mixed-Staffel einzuführen. Wie erfrischend es doch ist, wenn der Verband einmal nicht alles durchreglementiert.

Kommentar von Johannes Knuth, Doha

Manchmal erwachsen aus dem Durcheinander ja die schönsten Dinge, bei der Leichtathletik-WM konnte man das am Sonntagabend mal wieder am Finale der 4 x 400-Meter-Mixed-Staffel studieren. Das Format gibt in Doha sein WM-Debüt, zwei Männer und zwei Frauen gehen ins Rennen, die Regeln sind an einer Stelle allerdings elastisch: Jede Auswahl darf sich die Reihenfolge zusammenbasteln, wie sie mag. Viele griffen in Doha zur Variante Frau-Mann-Frau-Mann, es gab aber auch ein paar Kreative. Die ließen erst die Männer laufen, die den Frauen einen Vorsprung für die Schlussrunden vermachten.

Die Polen wagten es als einzige Staffel im Finale. Als Justyna Swiety-Ersetic, die Schlussläuferin, auf die letzte Runde eintauchte, hatte sie knapp eine halbe Kurve Vorsprung vor den Verfolgern, die der schmächtigeren Polin hinterherjagten wie ein Rudel Hunde auf der Jagd. Michael Cherry, der Schlussläufer der US-Staffel, die in Weltrekordzeit gewann (3:09,34 Minuten), flog bald vorbei, der Jamaikaner Javon Francis kurz darauf.

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Aber je näher das Ziel kam, desto kräftiger floss den Verfolgern die Erschöpfung in die Beine. Swiety-Ersetic kann die 400 Meter in 50 Sekunden laufen, ihre Verfolger sind fünf, sechs Sekunden flotter, sie waren nun aber auch mit fünf, sechs Sekunden Hypothek aufgebrochen. Dann zogen Bahrain und Großbritannien doch noch vorbei. Und Swiety-Ersetic? War mäßig enttäuscht: "Ich wollte zeigen, dass Frauen auch kämpfen können", sagte sie.

Mittlerweile überwiegen die gelungenen Beispiele

Mixed-Formate waren im Sport lange das Stiefkind der Familie, man akzeptierte sie, man lobte, wenn sie mal eine Medaille nach Hause brachten, aber innig geliebt waren sie eher nicht. Heute kommt kaum ein Sport noch ohne gemischte Wettstreite aus, das wirkt manchmal gezwungen und inflationär, um TV- und Sponsorenpräsenz hochzutreiben, aber mittlerweile überwiegen tatsächlich die gelungenen Beispiele. Die Alpinen schätzen die Gruppendynamik ihres Teamevents, wenn sie den restlichen Winter schon allein über die Eispisten hetzen. Bei den Kanuten besteht der Reiz darin, dass eine Frau und ein Mann in einem Boot sitzen, in dem jeder Ruck zu einer Bewegung zusammenfließen muss.

Die Biathleten gönnen sich gar zwei gemischte Staffeln, was viele Athleten schätzen, weil es kleineren Verbänden leichter fällt, zwei Männer und zwei Frauen oder sogar nur einen Mann und eine Frau aufzubieten, und sich so nicht nur die Etablierten um die Hauptpreise zanken.

Und nun wagen also auch die Leichtathleten den Schritt, die spät erkannt haben, dass ihr Sport längst nicht mehr aus der Tradition heraus bei Publikum ankommt. Sie haben einiges probiert, viele Formate waren zu kompliziert oder weit vom Kern des Sports entfernt - aber die Mixed-Staffel, das könnte ein dauerhafter Hingucker werden. Auch weil der Verband hier mal nicht alles durchreglementierte, wie Verbände das gerne tun. Sondern ein bisschen Freiheit gewährte, bei der Aufstellung. Und der Vergleich der Geschlechter, ein ewiger Reiz des Sports, kommt hier wunderbar zur Entfaltung. Die Voraussetzungen mögen unterschiedlich sein, sie gleichen sich über das Rennen aber aus. So wird nebenbei auch noch ein Kerngedanke des Sports berührt: dass man gemeinsam etwas schafft, allen Unterschieden zum Trotz.

© SZ vom 01.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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