Kerber-Aus in Wimbledon:Schnell raus aus dem Stadion

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Viel gerannt, aber nur selten effektiv: Angelique Kerber bei ihrer ernüchternden Niederlage. (Foto: Ben Stansall/AFP)
  • Angelique Kerber verliert in der zweiten Runde in Wimbledon gegen die Qualifikantin Lauren Davis.
  • Die Titelverteidigerin gewinnt noch den ersten Satz, verliert dann aber völlig den Faden.
  • Julia Görges und Jan-Lennard Struff erreichen dagegen die dritte Runde.

Von Barbara Klimke, London

Zum Schluss hat sich Angelique Kerber bei einem Aufschlag der Gegnerin gar nicht mehr vom Platz bewegt. Sie stand wie gelähmt an der Grundlinie und sah einen Ball an sich vorbeifliegen. Kurze Zeit später schritt sie zum Netz, gab der Kontrahentin Lauren Davis kurz die Hand und war dann flinken Schrittes aus dem Stadion entflohen. Ihren Widerstand hatte die Gegnerin aus Cleveland schon viel früher gebrochen.

Angelique Kerber, 31, die Titelverteidigerin in Wimbledon, ist am Donnerstag bereits in der zweiten Runde im All England Club gescheitert, 6:2, 2:6, 1:6. Als sie fast zwei Stunden später mit roten Augen zur Pressekonferenz erschien, konnte sie als Grund nur anführen: "Mir hat leider die Energie gefehlt", sagte Kerber. "Es war überhaupt nicht mein Tag, ich habe von Anfang an nicht gut gespielt. Natürlich bin ich enttäuscht, aber ich muss daraus lernen und versuchen, es so schnell wie möglich zu vergessen."

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Das Kuriose an dieser Niederlage war der Umstand allerdings, dass Kerber gegen eine Rivalin verlor, die im ersten Satz schon wirkte, als könne sie keinen Schritt mehr laufen. Lauren Davis, 25, kam derart bandagiert auf den Platz, als sei sie kurz zuvor erst, gegen den Rat ihrer Ärzte, von einer Krankenbahre gesprungen: Auf der Schulter ihres Schlagarms prangte ein großes Pflaster, das rechte Bein war von oben bis unten mit Verbänden umwickelt. Dann rutschte sie im ersten Satz beim Stand von 2:2 noch aus und ließ sich außerdem den Fuß verbinden.

Doch falls Davis die Blessuren störten, dann nur im ersten Satz, den sie 2:6 verlor. Danach diktierte die nur 1,57 Meter große US-Amerikanerin das Tempo im Spiel und schlug trotz der geringen Reichweite der dreimaligen Grand-Slam-Siegerin Kerber wuchtige Rückhandbälle um die Ohren.

Für Angelique Kerber, die mit hohen Erwartungen zurückkehrt war an die Stätte ihres größten Triumphes im All England Club, die die Ehrerbietungen genoss und in den vergangenen Tagen in glücklichen Erinnerungen schwelgte, ist diese Niederlage aus diversen Gründen bitter. Sie hatte nach der für sie unerfreulich verlaufenen Sandplatzsaison gerade erst wieder Tritt gefasst auf dem grünen Teppich. Sie liebt das Spiel auf Rasen und hatte bei den Test-Turnieren sogar ihre eigenen hohen Erwartungen erfüllt: zunächst in Mallorca, wo sie erst im Halbfinale in drei Sätzen gegen Belinda Bencic aus der Schweiz unterlag. Dann in Eastbourne an der englischen Südküste, wo sie vergangenen Samstag gegen Karolina Pliskova das Finale erreichte. Schon dort aber schien sie keine rechten Mittel gegen die harten Grundlinienschläge ihrer Gegnerin zu finden.

Ohnehin widerstrebt es ihrem Spielverständnis, einer Gegnerin die eigene Taktik zu diktieren. Kerber fühlt sich am wohlsten in der Rolle der Verteidigerin. Dass die Aufgabe gegen Davis knifflig werden würde, hatte sie früh geahnt: "Da werde ich das Spiel machen müssen", unkte sie vorab. Doch Davis gehört nicht zu den furchterregenden Größen ihrer Zunft. Sie ist derzeit die Nummer 95 der Welt und war am Jahresende sogar bis auf Position 252 abgerutscht. Ihr letzter Sieg gegen eine Rivalin von Kerbers Kaliber lag zwei Jahre zurück.

Lauren Davis. (Foto: REUTERS)

Was Davis allerdings nicht fehlte, als sie sich der Wimbledonsiegerin gegenübersah, war ein gesundes Selbstvertrauen. Zwar war sie schon in den Qualifikationsrunden gescheitert und nur über die "Lucky Loser"-Regelung ins Hauptfeld gerutscht, weil eine Kontrahentin absagte. "Aber ich glaube immer zu einhundert Prozent an mich", erklärte sie nach dem aufsehenerregendsten Sieg ihrer Karriere. "Ich habe mir gesagt: Hier ist der Platz, an den ich hingehöre."

Die Wirkungskraft dieser Selbstsuggestion konnten die Zuschauer auf Court Number 2 im zweiten Satz bestaunen. Kerber lag 2:3 zurück, sie erspielte sich einen Breakball, den sie vergab, dann einen zweiten. Sechsmal ging dieses Spiel über Einstand, Davis zirkelte wiederholt unerreichbare Rückhandbälle an Kerber vorbei. Als die Außenseiterin aus Cleveland schließlich den Punkt zum 2:4 verbuchte, wurde deutlich, dass Kerbers Widerstand gebrochen war. Anschließend gab die Favoritin erneut den Aufschlag ab, dann war der Satz verloren. Kerber nahm sich eine Pause, verließ den Platz, aber auch als sie zurückkam, glückte im dritten Durchgang nur noch ein Spiel.

Nach dem frühen Aus von Alexander Zverev hat sich damit auch die zweite große Hoffnung im deutschen Tennis zerschlagen. Bis auf weiteres sind nur noch Julia Görges und Jan-Lennard Struff zu Gast im All England Club. Görges, Nummer 17 der Weltrangliste, erledigte ihre Pflichtaufgabe gegen die russische Qualifikantin unter Zuhilfenahme von zehn Assen, siegte 6:1, 6:4 und trifft nun auf Serena Williams. Struff bezwang Taylor Fritz aus den USA 6:4, 6:3, 5:7, 7:6 und bewies erneut seine inzwischen bemerkenswerte Konstanz bei Grand-Slam-Turnieren. "In den ersten beiden Sätzen", sagte er, "war es einfach ein gutes Match von mir."

Das konnte Angelique Kerber nicht von sich behaupten. Sie will sich jetzt etwas Ruhe gönnen. Und dann die Vorbereitung auf die US Open beginnen.

© SZ vom 05.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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