Kerber-Aus:Wie paralysiert im nasskalten Paris

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"Sie hatte kein Konzept, wie sie zum Punktgewinn kommen soll", analysierte Ex-Fed-Cup-Chefin Barbara Rittner das Aus von Angelique Kerber. (Foto: Getty Images)

Angelique Kerber verliert gegen die junge Slowenin Kaja Juvan verdient in der ersten Runde der French Open. Die dreifache Grand-Slam-Siegerin schafft es nicht mal, die Partie offen zu gestalten.

Von Gerald Kleffmann, Paris/München

Vor diesem Erstrundenmatch hatte Angelique Kerber zugegeben, dass sie ihre Gegnerin nicht richtig kennen würde. Kaja Juvan ist wahrlich, und das Unwissen in diesem Fall durfte man der dreimaligen deutschen Grand-Slam-Siegerin nicht vorwerfen, noch eine Unbekannte im Tennis. Zumindest auf der Frauen-Tour. Mit 19 Jahren ist die Slowenin aus Ljubljana, 103. der Weltrangliste, erst am Beginn ihrer Laufbahn. Torben Beltz, Kerbers reaktivierter früherer Trainer, soll sich noch rasch Informationen besorgt haben. Meist gehen solche Matches - klare Favoritin gegen jugendliche Außenseiterin - gut für renommierte Profis. Diesmal nicht. Dass Kerber den Sandbelag nicht mag, ist bekannt, in den vergangenen vier Jahren verlor sie dreimal in Runde eins der French Open. Aber dieses 3:6, 3:6 gegen Juvan am Montagabend war dann doch eine Überraschung der sehr unerwarteten Art.

"Ich könnte jetzt nach Entschuldigungen suchen, aber so bin ich nicht", sagte Kerber. "Ich habe meinen Rhythmus nicht gefunden. Es gibt solche Tage, es ist nicht so gelaufen, wie ich es mir vorgestellt habe."

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Allein aufgrund ihrer Erfahrung hätte Kerber die Partie wenigstens offen gestalten müssen. Eine körperliche Beeinträchtigung war nicht zu erkennen, sie wollte auch nichts als Ausrede vorschieben, wie sie später sagte. Dass das Duell erst nach Stunden des Wartens begann, da die Partie davor auf Court 14 zwischen Lorenzo Giustino und dem Franzosen Corentin Moutet 18:16 für den Italiener nach 6:05 Stunden geendet war, betraf zudem Kerber wie Juvan gleichermaßen. Barbara Rittner brachte als Eurosport-Kommentatorin das größte Manko der 32-Jährigen in der Partie auf den Punkt: "Sie hat überhaupt kein Konzept, wie sie zum Punktgewinn kommen soll", sagte die Ex-Fed-Cup-Teamchefin, die auch Head of Women's Tennis beim Deutschen Tennis-Bund ist. "Angie war einfach zu passiv", sagte Rittner diplomatisch. Kerber agierte teils so, als wollte sie weg aus dem nasskalten Paris, noch während das Match lief.

Juvan hatte aber auch Anteil an ihrem Erfolg gegen die frühere Weltranglisten-Erste. Als Jugendliche bewies sie früh ihr Talent, sie siegte bei der Orange Bowl in Florida. 2019 stand sie in Paris, als Lucky Loserin aus der Qualifikation kommend, erstmals in einem Grand-Slam-Hauptfeld (und verlor). Erwachsenentennis ist nun mal ein anderes Niveau. Doch erstaunlicherweise diktierte Juvan das Tempo gegen Kerber, variierte ihr Spiel, streute giftige Stopps ein. Kerber schaute oft wie paralysiert den Bällen nach. Nach 45 Minuten führte Juvan 6:3, 3:0. 5:1, 5:3. Mit einem Schlag ins Aus war Kerbers Scheitern besiegelt. Sie war nicht die einzige Deutsche, die am zweiten Tag von Roland Garros verlor. Andrea Petkovic unterlag in ihrem ersten Match sein Oktober 2019 der Bulgarin Zwetana Pironkowa (3:6, 3:6). Tamara Korpatsch war gegen Amanda Anisimova (USA) chancenlos (2:6, 0:6). Dafür siegte Jan-Lennard Struff 3:6, 7:6 (5), 6:3, 6:7 (2), 6:3 gegen Frances Tiafoe (USA).

© SZ vom 29.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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