Junge Profis in der Bundesliga:Gerettet vor Olympia

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Die Olympischen Spiele sind ein Lebenstraum vieler Athleten - Fußballprofis wie Gladbachs Granit Xhaka oder Münchens Xherdan Shaqiri wollen aber nicht hin und kämpfen dafür, im Trainingslager ihrer neuen Klubs bleiben zu dürfen.

Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Gut zwei Wochen noch, dann gehen in London wieder reihenweise Lebensträume in Erfüllung. Quer durch die Disziplinen erfüllen sich selige Athleten lang gehegte Karriere-Ziele. "Es ist für jeden Fußballer ein Traum, bei Olympia dabei zu sein", sagt auch der 19-jährige Schweizer Granit Xhaka. Er steht am Trainingsplatz in Mönchengladbach, soeben ist eine morgendliche Einheit zu Ende gegangen.

Granit Xhaka beim Trainingsauftakt in Mönchengladbach: "Ich bin neu hier." (Foto: Bongarts/Getty Images,)

Doch aus Xhakas Augen leuchtet kein Glanz, er spürt kein olympisches Kribbeln im Körper. Der in Kosovo geborene und in der Schweiz aufgewachsene Fußballer hat lange darum kämpfen müssen, auf Olympia verzichten zu dürfen. Nun hat er Gewissheit. Xhaka darf in Mönchengladbach bleiben. Der Schweizer Fußballverband gibt ihn frei. "Ich bin neu hier", sagt Xhaka, "ich muss die Mannschaft kennenlernen, das Team und die Philosophie vom Trainer, deshalb ist Gladbach für mich hundert Prozent wichtiger als Olympia."

"Xhaka muss nicht zu Olympia", haben die Nachrichtenagenturen getickert. Die Schlagzeile klingt ein bisschen, als bleibe da jemandem das Gefängnis erspart. So ist es natürlich nicht. Beim Schweizer hat kein Korken geknallt und kein Schampus gespritzt. "Wenn ich schon zwei, drei Jahre hier wäre", sagt er, "dann würde ich wahrscheinlich zu Olympia gehen."

Doch seit am vorvergangenen Montag das Training begonnen hat, ist ihm die Etablierung in der Stamm-Mannschaft von Borussia Mönchengladbach wichtiger. Der vormalige Basler ist mit etwa 8,5 Millionen Euro der bislang teuerste Einkauf der Borussia. Er ist als Mittelfeldspieler eine zentrale Figur in der Planung des Trainers Lucien Favre, Ende August bestreitet Gladbach zwei Qualifikationsspiele zur Champions League.

Die Champions League ist Fußballern wichtiger als Olympia. Damit Xhaka die Vorbereitung auf die beiden Spiele nicht komplett versäumt, bleibt er in Gladbach. "Ich habe mit Peter Knäbel geredet, dem Sportdirektor vom Schweizer Fußballverband, es ist alles geregelt", sagt Xhaka. "Er fand es schade, das ist normal, aber er freut sich auch für mich, dass ich mich jetzt auf die Bundesliga konzentrieren kann." Konsequenzen für seine weitere Karriere in der Schweizer Nationalmannschaft hat Xhaka offenbar keine zu befürchten. Sein Einsatz im Schweizer A-Team am 15. August beim Testspiel in Kroatien ist bereits verabredet.

Lucien Favre, der Schweizer Trainer, darf seinen Schweizer Spieler nun sechs Wochen lang in die Geheimnisse seines Spielsystems einweihen. Das ist nicht so einfach. Xhaka soll nicht einfach nur einen von zwei defensiven Mittelfeldspielern vor der Abwehrkette geben. "Im Mittelfeld muss jeder Spieler kreativ sein, viel laufen, Box to Box", sagt Favre, "wir haben keine Sechs, keine Acht, keine Zehn." Favre hat sehr genaue Vorstellungen. Vorstellungen, die auch der spanische Abwehrspieler Alváro Domínguez besser in Mönchengladbach vor Ort kennenlernen würde.

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Doch Alváro Domínguez, mit etwa acht Millionen Euro Gladbachs bislang zweitteuerster Transfer, muss zu den Olympischen Spielen. Der spanische Fußballverband war nicht so einsichtig. Der 23-Jährige, von Atlético Madrid nach Mönchengladbach gewechselt, wird im Laufe der ersten August-Hälfte zur Borussia zurückkehren. Je nachdem, wann Spanien aus dem Olympia-Turnier ausscheidet. "Wir haben ihm DVDs mitgegeben, damit er unsere Spielweise studieren kann", sagt Favre. Aber das Gleiche wie ein Training vor Ort ist das natürlich nicht. Immerhin: Domínguez ist Innenverteidiger. Da sind die Laufwege sogar bei Favre übersichtlicher.

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Fünf Japaner und vier Schweizer werden ihren Bundesliga-Klubs in den nächsten Wochen fehlen, weil sie für ihre Nation bei Olympia starten. Der VfL Wolfsburg (Diego Benaglio und Ricardo Rodríguez), der 1. FC Nürnberg (Timm Klose und Hiroshi Kiyotake) und der FC Augsburg mit dem Südkoreaner Ja-Cheol Koo und dem Marokkaner Mohamed Amsif sind jeweils doppelt betroffen.

Hannover (Hiroki Sakai), Bremen (François Affolter), Hoffenheim (Takashi Usami) und Stuttgart (Gotoku Sakai) entbehren je einen Spieler. Gladbach mit Xhaka, der Hamburger SV mit dem Südkoreaner Heung Min Son und der FC Bayern München mit seinem neuen Flügelflitzer Xherdan Shaqiri haben ihre Spieler vor der wochenlangen Absenz gewissermaßen errettet. "Olympia wäre zwar eine tolle Sache gewesen", sagt Shaqiri, "aber ich will mich hier zu hundert Prozent integrieren."

Granit Xhaka, 19, und Xherdan Shaqiri, 20, beide sehr jung, beide vom FC Basel, beide mit kosovo-albanischen Wurzeln und beide mit einem X im Namen, sind sich ihrer Entscheidung für den jeweils neuen Klub und gegen den vorübergehenden Nationalstolz derart sicher, dass sie von "hundert Prozent" sprechen. Sie wollen in ihren Vereinen alsbald wichtige Rollen spielen und ordnen diesem Karriereschritt alles unter.

Daran kann nicht einmal der historisch Umstand etwas ändern, dass die Schweiz zum ersten Mal seit 84 Jahren wieder am Olympischen Fußballturnier teilnimmt. Erstmals seit 1928 in Amsterdam. Darauf konnten Xhaka und Shaqiri keine Rücksicht nehmen.

© SZ vom 11.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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