Joachim Löw im SZ-Interview:"Ein guter Trainer hat Mut und Risikofreude"

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Joachim Löw blickt auf sechs Jahre und drei Großereignisse als Bundestrainer zurück. Bei der EM im Juni soll endlich der erste Titel gefeiert werden. Im Gespräch mit der SZ spricht er über den Champions-League-Erfolg des FC Bayern, die U11 des FC Barcelona und deutsche Sorgenkinder.

Das Interview in der Zusammenfassung

Joachim Löw hatte in dieser Woche seinen Spaß. Er spricht von "Tempo, Intensität und Wendungen", die er gesehen habe. Es war nicht das Höhepunkte-Video seiner DFB-Elf, das er sich angeschaut hatte. Der Bundestrainer schwärmt im Interview mit der Süddeutschen Zeitung (Samstagsausgabe) vom Halbfinal-Rückspiel des FC Bayern bei Real Madrid. Löw liebt offene Spiele mit technisch starken Spielern, er ist jedoch keiner, der den Einzelnen aus einer überzeugenden Mannschaft heraushebt.

Joachim Löw im großen SZ-Interview: Die U11 des FC Barcelona ist "überragend gut" (Foto: dpa)

Weder Neuer, der die Elfmeter von Ronaldo und Kaká gehalten hatte, noch Schweinsteiger, der den entscheidenden Elfmeter verwandelte, wollte er zum Helden des Abends stilisieren. Protagonisten sah er jedoch durchaus. Dass Schweinsteiger zum letzten Elfmeter antrat, überraschte ihn jedoch weniger. "Er hat wirklich ein starkes Nervenkostüm, das weiß ich schon lange", sagt Löw. "Mich hat vor allem beeindruckt, wie er sich in das Spiel reingearbeitet hat, das war klasse."

Viel Zeit für persönliche Gespräche blieb an diesem Abend aber nicht. "Ich habe einige Spieler beglückwünscht", sagt Löw. Mehr auch nicht. Damit muss er noch bis zur Vorbereitungsphase auf die Europameisterschaft in Polen und der Ukraine warten. Durch den Einzug des FC Bayern ins Champions-League-Finale (19. Mai) werden viele seiner Spieler allerdings erst in der zweiten Woche des Trainingslagers in Südfrankreich zur Mannschaft stoßen.

Das hat auch Auswirkungen auf die Auswahl der Spieler. "Höchstwahrscheinlich müssen wir einen größeren Kader nominieren", sagt der Bundestrainer. Dennoch freut sich Löw über den Sieg der Münchner. "Die Bayern haben gezeigt, dass es sich lohnt, wenn Mannschaften mutig sind, wenn sie im fremden Stadion nach vorne spielen und sich nicht verschanzen", sagt Löw. Gleichzeitig gibt er zu bedenken, dass man einen Tag vorher ( Anm. d. Red.: im Spiel FC Barcelona gegen FC Chelsea) etwas ganz anderes gesehen habe.

Auswirkungen für die EM habe das Ausscheiden der beiden spanischen Topmannschaften aus Madrid und Barcelona aber nicht. Diese seien zwar in ein, zwei Spielen auch so schlagbar, wie es Chelsea mit ihrer Defensivschlacht gezeigt habe, dauerhaft aber, da ist sich Löw sicher, "ist es ein Trugschluss zu glauben, dass man die Spanier mit Aggressivität und Zweikampfhärte in die Niederlage zwingen kann."

Allerdings gehe es sowieso nicht nur um die Spiele gegen Spanien. Die Frage laute nicht "Wie kommen wir den Spaniern näher?", sagt Löw. Sein Ziel sei eher, den Spielstil seiner Mannschaft zu verändern. "Ich habe daran geglaubt, dass es im deutschen Fußball dauerhaft aufwärts geht, wenn wir einen technischeren Fußball spielen", sagt Löw und fügt hinzu: "und das Schöne ist: Ich habe inzwischen die Spieler dafür."

Einige diese Spieler kämpfen derzeit aber mit ihrer Form, wie Thomas Müller, oder sind verletzt, wie Miroslav Klose und Per Mertesacker. Richtig Sorgen mache sich der Bundestrainer deshalb aber nicht. "Ich habe ja schon drei Turniere hinter mir und weiß, dass es immer Spieler gibt, die ohne große Spielpraxis in eine Vorbereitung starten."

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Löw äußerte sich im Gespräch mit der SZ auch über andere Spieler, denen der Rhythmus fehlt. Mario Götze etwa, der im Gegensatz zu Mertesacker durch seine geringere Körpergröße ein Spielertyp sei, "der relativ schnell seinen Rhythmus findet und sich schnell ins Spiel integrieren lässt", so Löw.

Thomas Müller, der noch weit entfernt von seiner Top-Form ist, habe es "schwerer, als zum Beispiel Badstuber, der defensiv sein Ding solide durchspielen kann", sagt Löw. Müller habe in seiner offensiven Rolle unglaublich weite Wege zu gehen. Außerdem sehe er Müller eher auf der rechten Außenbahn, wo er seine Stärken ohne Ball, mit Blick zum Tor, ausspielen könne.

Auch Schweinsteigers fehlende Fitness lässt Löw nicht daran zweifeln, dass der Bayern-Star rechtzeitig sein Spiel findet. "Schweinsteiger ist der Spieler, den man mit am höchsten belasten kann. Wenn er nicht gerade akut verletzt ist, dann ist seine Energie unglaublich."

Generell findet Löw, dass der Fundus an Talenten in Deutschland größer geworden sei, auch wenn er nicht so groß sei, wie viele denken würden. Blicke man etwa auf die Nachwuchsarbeit des FC Barcelona, könne einen das nur anspornen. Die U11, deren Spiel Löw vor kurzem gesehen hat, sei "überragend gut". "Sie spielen schnell, bewegen sich gut ohne Ball, kombinieren gut, passen immer auf den richtigen Fuß, da stimmen die Details. Hervorragend!".

So gut, wie manche jetzt schon meinen, sei die Qualität der Deutschen dagegen noch nicht. Deshalb müsse sich der eine oder andere Verein mehr Gedanken über die Vereinsphilosophie machen. Zum Einen müsse sich der Verein fragen, wie man die Verbindung zwischen Nachwuchs und Profis schafft, zum Anderen dürfe ein Verein nicht alle paar Wochen den Trainer austauschen.

"Ein guter Trainer ist für mich derjenige, der Mut und hohe Risikofreude hat, bei dessen Mannschaft ich Dinge sehe, die er im Training vorgibt. Wiederkehrende Dinge. Bei solch konzeptionellen Trainern sei aber vor allem eines wichtig: Detailarbeit. "Das ist das, was dem FC Barcelona in Vollendung gelingt", sagt Bundestrainer Löw, der im Fußball selbst Überzeugungsästhet ist.

Das komplette Interview der SZ-Reporter Boris Herrmann, Christof Kneer und Philipp Selldorf mit Joachim Löw lesen Sie in der Samstagsausgabe der Süddeutschen Zeitung oder auf ihrem iPad.

© SZ vom 28.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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