Investor bei Werder Bremen:Zwei Zeitenwenden auf einmal

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Hört als Aufsichtsratschef von Werder Bremen auf: Willi Lemke (Foto: dpa)

Die 50+1-Regel ist gut gemeint, aber sie funktioniert in diesem modernen Fußballgeschäft nicht. Wer finanzielle Mittel zur Verfügung stellt, will eben Einfluss nehmen. Das gilt inzwischen sogar bei Werder Bremen, wo Sparfuchs Willi Lemke deshalb abdanken muss.

Ein Kommentar von Boris Herrmann

Warum Bryan Ruiz noch nicht in der Bundesliga spielt? Das wissen nur die Götter. Gut, Willi Lemke weiß es wohl auch. Und Felix Magath natürlich, der weiß ja alles. Der Offensivmann Ruiz war einer der interessantesten Spieler der WM in Brasilien. Dass sein Nationalteam aus Costa Rica dort zum allgemeinen Erstaunen das Viertelfinale erreichte, erklärte der gläubige Katholik mit der Kraft des Himmels. Zahlreiche Costa Ricaner erklärten es aber auch mit dem flinken Spiel von Ruiz, sie nennen ihn Wiesel.

Bei Werder Bremen tendieren sie eher zur Wiesel-These, weshalb man sich mit dem Spieler in der Sommerpause offenbar schon handelseinig war. Am Ende scheiterte der Transfer am sogenannten "Spardiktat" von Werders Aufsichtsratsvorsitzendem Lemke - weshalb Ruiz, der WM-Held, einen recht trostlosen Herbst beim englischen Zweitligisten FC Fulham verbringt. Beim inzwischen entlassenen Trainer Magath hatte er einen festen Stammplatz: auf der Bank. Es liegt also an einer ziemlich ungünstigen Konstellation der Einfluss-Sphären Gottes, Lemkes und Magaths, dass Ruiz noch nicht in der Bundesliga spielt.

Das könnte sich aber bald ändern, was wiederum der Einfluss-Sphäre von Günter Netzer zuzuschreiben wäre. Beim Tabellenletzten Bremen scheinen sich gerade zwei Zeitenwenden auf einmal zu ereignen. Zum einen hat der Klub einen millionenschweren Deal mit Netzers Vermarktungsfirma Infront abgeschlossen. Zum anderen ist der ewige Lemke dabei, mit einer Art Salami-Taktik abzudanken. Erst wollte er gar nicht gehen, dann 2016, jetzt wird er wohl noch 2014 von Marco Bode abgelöst.

Der Sozialdemokrat Lemke stand intern seit langer Zeit in der Kritik, weil er akribisch darauf achtete, dass bei seinem klammen Verein nicht mehr Geld ausgegeben als eingenommen wird. Man könnte auch sagen: weil er seinen Job als Aufsichtsrat ernst nahm.

Bode hat bereits angekündigt, dass unter seiner Regie wieder antizyklisch investiert werden darf, um dem Tabellenkeller zu entkommen. Deshalb wird jetzt auch wieder über einen Wintertransfer von Ruiz spekuliert. Lemke hat Bode gerade artig gelobt, aber viel interessanter ist, dass auch Netzer diesen Bode bereits in der Vorwoche lobend ins Spiel brachte.

Zeitgleich war zu hören, dass potenzielle Investoren für den klammen Verein ihren Einstieg von einem Ausstieg des Sparfuchses Lemkes abhängig machen. Die beiden Bremer Zeitenwenden wären mithin enger miteinander verknüpft, als es dem Ligastatut recht sein kann.

Im deutschen Profifußball gibt es eine Regel namens 50+1. Sie soll verhindern, dass Investoren die Klubpolitik bestimmen. Diese Regel hat es in den vergangenen Jahren zu großer Berühmtheit gebracht - weil sie regelmäßig und kreativ gebrochen wird. Man muss da gar nicht nur auf die berühmten Fälle in Leipzig, Wolfsburg, Leverkusen und Hoffenheim zeigen. Man könnte unter anderem auch die Geldgeber bei 1860 München, Hertha BSC, Hannover 96 oder bei Bremens Tabellennachbarn Hamburger SV anführen, wo ein vereinsnaher Millionär zumindest glaubt, mitbestimmen zu können, wer Trainer und Manager wird.

Die 50+1-Regel ist gut gemeint, aber sie funktioniert in diesem modernen Fußballgeschäft nicht. Wer Geld gibt, will Einfluss nehmen. Das gilt inzwischen sogar in Bremen.

© SZ vom 17.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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