Interview mit BVB-Fan:"Es tut verdammt weh, ich habe ja nichts verbrochen"

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Karin Fehn in einer Szene des Doku-Films "Wir Die Wand". (Foto: oh)

Karin Fehn, 73, besucht seit 1961 die BVB-Heimspiele. Nun muss sie ihren Stammplatz auf der Südtribüne räumen. Im Interview spricht sie über die "400 Idioten".

Von Sebastian Fischer

Karin Fehn, 73, besucht seit 1961 die Heimspiele des BVB. Gegen Wolfsburg darf sie nicht auf ihren Stammplatz im Block 11 auf der Südtribüne.

SZ: Frau Fehn, was machen Sie am Samstag um 15.30 Uhr?

Karin Fehn: Ein wahrer Fan geht trotzdem zum Stadion, bleibt draußen stehen und unterstützt die Mannschaft, das hören die Spieler drinnen. Meine Freunde haben Internet, da sagt man heute: Flashmob. Die verabreden sich. So was würde ich mir wünschen. Ich werde mich sowieso in meine Montur schmeißen. Mein Trikot, meine BVB-Jacke, eine Kappe vom BVB, meine BVB-Tasche, meine BVB-Ohrringe und meine Beutel mit Süßigkeiten für meine Crew. Ich gehe wie immer erst zur besten Pommesbude in Dortmund. Und dann gehe ich mit der Truppe mal zum Stadion und gucke, was los ist.

Finden Sie es gerecht, dass die Tribüne nach den Vorfällen im Spiel gegen Leipzig leer bleiben wird?

Es tut verdammt weh, ich habe ja nichts verbrochen. 25 000 Leute stehen auf der Südtribüne, davon sind 400 Idioten, die dem BVB schaden. Gewaltbereite Menschen, die man nicht belehren kann. Man muss sie aus dem Stadion kriegen.

Wie haben Sie das Spiel gegen RB erlebt?

Ich drehte mich um und sagte zu meiner Freundin: Ute, sag ich, guck mal, diese Banner. Da standen junge Leute, die haben so ein langes Plakat runtergereicht. Was da drauf stand, konnte ich gar nicht lesen, das war ja noch nicht ausgerollt. Ich habe nur gedacht: Halt das bloß nicht hoch, hier ist alles videoüberwacht. Dann kriegst du nachher noch Stadionverbot. Was da draufstand, das habe ich erst den anderen Tag im Fernsehen gesehen.

Und was haben Sie gedacht?

Das geht gar nicht. "Wer nicht hüpft, der ist ein Bulle", singe ich gegen Leipzig mit, oder: "Ihr macht unsern Sport kaputt." Oder ich schreie auch schon mal was. Das sind Emotionen, die lässt man raus. Aber "Häng dich auf"? - das verurteile ich aufs Schärfste. Und was ich überhaupt nicht verstanden habe, ist, dass der Stadionsprecher nicht gesagt hat: "Diese Plakate, das ist nicht Borussia Dortmund."

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Was ist Borussia Dortmund für Sie?

Ich treffe alle 14 Tage meine Freunde. Ich war Opfer eines schweren Raubüberfalles und habe eine Behinderung im linken Bein. Ich gehe mit einer Gehhilfe ins Stadion. Beim ersten Mal hat mich ein Freund hochgetragen, die Fans haben Spalier gestanden.

Wäre ein Sitzplatz nicht praktischer?

Wenn mein Schwager von Sylt kommt zur Champions League, dann besorgt mein Neffe Karten aus dem Internet, Sitzplatz. Wenn die Südtribüne anfängt zu singen, lege ich los. Hinterher bedanken sich manchmal die Leute bei mir und sagen: Jetzt war hier endlich mal Stimmung. Sitzplatz, das ist nicht mein Fall.

Erinnern Sie sich an Ihr erstes Spiel?

Ich war 17 Jahre alt, das Geld war knapp. Da konnten wir, mein inzwischen verstorbener Mann und ich, nur eins: entweder ins Stadion gehen oder uns 'ne Tüte Pommes holen. Dann haben wir uns 'ne Tüte Pommes geholt, sind zu Fuß zum Stadion Rote Erde gegangen, sind die großen Eichen hochgekrabbelt. Und wenn das Stadion nicht ausverkauft war, durften wir zur zweiten Halbzeit umsonst rein. Das war dann unser Samstag. So bin ich zum BVB gekommen. Ich hätte nie gedacht, dass so eine große Liebe daraus wird, die ich mit unter die Erde nehmen werde.

Wie lange gehen Sie noch ins Stadion?

Gucken Sie mal, ich werde jetzt 74. Früher habe ich gesagt: Das wäre toll, mit 70 noch dazustehen. Ich wünsche mir, dass ich noch viele Jahre gehen kann. Solange ich die Kraft und das Stehvermögen habe, werde ich auf der Süd stehen.

© SZ vom 18.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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