Interner Streit beim TSV 1860 München:Brisantes Schreiben mit vertraulichem Material

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Es läuft nicht rund beim TSV 1860 München: Grzegorz Wojtkowiak nach einer Niederlage. (Foto: dpa)

1860 München verpflichtet zwei neue Spieler, doch das Sportliche wird wieder überschattet vom politischen Gezänk. Der neueste Vorwurf der Investorenseite lautet: Geschäftsführer Schäfer soll sich im Fall Noor Basha der "versuchten Nötigung" schuldig gemacht haben.

Von Philipp Schneider

Der Donnerstag war der Tag der Pressemitteilungen beim Fußball-Zweitligisten TSV 1860 München, und wie es bei dieser Form der Nachrichtenverbreitung nun einmal zugeht, verkünden manche von ihnen frohe Botschaft, andere aber drohendes Ungemach. Den Auftakt bildeten zwei harmlose Mails der Pressesprecherin, wie sie in dieser Form auch bei allen gesitteten Fußballvereinen vorkommen.

Siehe da, zwei Spieler wurden also erworben. Der defensive Mittelfeldspieler Yannick Stark, 22, wechselt vom Ligakonkurrenten FSV Frankfurt und unterschrieb bis 2015. Außerdem wird Linksverteidiger Sebastian Hertner, 22, die Löwen verstärken. Er kommt aus der Regionalliga-Mannschaft von Schalke 04 und verpflichtete sich bis 2016.

Nun ist aber Sechzig bekanntlich kein gewöhnlicher Fußballklub, sondern ein Tollhaus. Und so trug es sich zu, dass am Nachmittag noch ein Schreiben an die Redaktionen erging. Der Absender war wieder Michael Scheele, der Rechtsbeistand von 1860-Investor Hasan Ismaik. Im Anhang befand sich brisantes und gewiss vertrauliches Material. Scheeles Vorwurf: Robert Schäfer, Geschäftsführer der KGaA, habe sich womöglich des Tatbestands der "versuchten Nötigung" schuldig gemacht.

Was Scheele öffentlich machte, war ein Schreiben Schäfers "zur Vorlage bei Behörden". Es trägt den Betreff: "Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung als Talentscout". Als solcher sollte Ismaiks Cousin Noor Basha offenbar bei 1860 angestellt werden. Für ein monatliches Bruttogehalt von "circa 5000 Euro", wie es heißt. Schäfer unterschrieb das Dokument am 14. November 2012 - drei Tage vor der Entlassung von Trainer Reiner Maurer. Zu einem Zeitpunkt, auf den unmittelbar der Streit um Sven-Göran Eriksson folgte, Ismaiks Wunschtrainer, der doch nie zu 1860 kam.

Schäfer kündigt in dem Schreiben gegenüber der Behörde explizit an: "Herr Basha wird im Rahmen seiner Tätigkeit im gesamten Bundesgebiet reisen und an den verschiedensten Standorten in Deutschland eingesetzt werden. Daher bitten wir um Erteilung einer bundesweiten Bewilligung." Gemeint ist eine Aufenthaltsgenehmigung, die Schäfer, laut Scheele, bereits Ende Oktober für Basha beantragte - als der Geschäftsführer schrieb: "Es wird bestätigt, dass der Arbeitnehmer entsprechend der anliegenden Stellenbeschreibung beschäftigt werden soll."

Und jetzt argumentiert der Anwalt also: Schäfer habe "entgegen dieser Vereinbarung Herrn Noor Basha nie die Gelegenheit gegeben, diese Beschäftigung auch tatsächlich auszuüben". Daher habe sich Basha "als letzte Hoffnung" irgendwann an ihn gewandt.

Die neuerliche Posse bei Sechzig begann mit einer Äußerung von Ismaik bei seiner Wahlkampfveranstaltung vor 40 Fans in der Nacht auf Montag im Löwenstüberl, bei der er primär die Vereinsmitglieder zum Umsturz der Vereinsführung animieren wollte, aber auch berichtete: "Schäfer hat meinem Cousin Noor Basha gesagt, wenn er mir nicht das berichte, was Schäfer ihm sage, dann könne er Basha aus Deutschland werfen. Sein Dasein sei abhängig von Schäfers Unterschrift." Auf diesen Vorwurf hatte Schäfer in der SZ so reagiert: "Der Investor wollte, dass ich seinen Cousin für zunächst € 5.000, dann € 10.000 monatlich anstellen sollte. Ich habe daraufhin mitgeteilt, dass diese Ausgabe nicht geplant ist und nur vorgenommen werden kann, wenn das Geld vorab vorliegt."

Schäfers Version mache nun deutlich, sagt Scheele: "Er (Schäfer; d. Red.) wollte die vereinbarte Beschäftigung von Herrn Noor Basha als Scout trotz vorheriger schriftlicher Zusage plötzlich von der Zahlung von weiteren 13 Millionen Euro durch Herrn Ismaik abhängig machen, auf die kein Rechtsanspruch bestand oder besteht." Dies sei "auf Seiten von Herrn Basha und Herrn Ismaik als Versuch der Nötigung empfunden" worden.

Die von Scheele genannte Summe von 13 Millionen hat der Anwalt indirekt einem anderen Medienbericht entnommen (in dem von Geldern des Dreijahresplans die Rede war), von dem sich Schäfer am Donnerstag distanzierte. Gleichwohl: Am Vorwurf Scheeles ändert sich kaum etwas. Auch wenn Schäfer nur das Gehalt Bashas vorab beziehen wollte, so knüpfte er die Einstellung des Investorencousins dennoch an eine vorherige Überweisung.

Fakt ist auch: Basha ist, anders als in dem Schreiben gegenüber der Behörde angekündigt, nach sieben Monaten noch immer nicht als Scout eingestellt worden. Der Geschäftsführer wollte am Donnerstag auf keine weitere, sich nunmehr aufdrängende Frage eingehen (etwa, ob er noch gedenke, Basha einzustellen? Oder ob Basha seine Aufenthaltsgenehmigung verlieren könnte?). Er ließ mitteilen, seine Stellungnahme habe Bestand. Zu dieser gehört auch der Satz: "Herrn Bashas Aufenthaltsgenehmigung ist abhängig von diesem Arbeitsvertrag."

Nun stellt sich noch die Frage, ob Scheele Interna an die Presse verschicken darf. Er selbst sieht da kein Problem, er sagt: "Bei diesem Sachverhalt blieb Noor Basha gar nichts anderes übrig. Er handelt aus Notwehr." Im Übrigen verdiene dieser Rechtsfall auch nicht die (inzwischen bekannte) Titulatur Hasan Ismaik gegen Robert Schäfer, sondern "Basha gegen Schäfer". Und bei Basha gegen Schäfer gehe es im Kern darum, "Schritt für Schritt nachzuweisen, wie unfähig der Geschäftsführer ist, und wie er hier die Wahrheit verbiegt".

Wie immer diese Posse noch ausgehen mag, so lehrt sie doch eines, was mancher kaum glauben konnte: Basha, 27 Jahre alt und Pharmazeut, hat wohl wirklich bereits als Scout gearbeitet. "Von 2009 bis 2011" habe er "für einen international tätigen Fifa-Talentscout" auch Profis gesichtet und angeworben - das bestätigt Schäfer in dem Schreiben.

Daher sei er "insbesondere durch seine Kenntnis des Profifußballmarktes in Deutschland, dem Nahen Osten und Nordafrika" für "unsere Profifußballabteilung von großem Interesse", schrieb Schäfer. Und: "Da die Zeitfenster für Neuverpflichtungen im Profifußball häufig sehr knapp bemessen sind, ist seine Tätigkeit für den TSV 1860 von besonderem wirtschaftlichen Interesse." Das klingt tatsächlich wie eine Einstellungsempfehlung.

© SZ vom 17.05.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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