HSV vor dem Spiel gegen Bayern:Vier? Neun? Zwölf? Dreizehn?

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"Diese Zufriedenheit fängt mich langsam an zu irritieren": HSV-Trainer Bert van Marwijk. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Mit wie vielen Treffern schickt der FC Bayern die Hamburger diesmal nach Hause? HSV-Trainer Bert van Marwijk ist zunehmend genervt von der Schwarzseherei - und gibt sich ausgerechnet vor dem Gastspiel in München streng.

Von Jörg Marwedel, Hamburg

Sogar der Hamburger Erzbischof Werner Thissen hat sich eingemischt vor dem Auswärtsspiel des HSV beim FC Bayern München. Das Team werde "lebendigen Mannschaftsgeist zeigen", glaubt er. Er wünsche sich für "meinen HSV" einen Sieg, "aber dafür beten würde ich nicht", sagte Hamburgs oberster Katholik in der Morgenpost.

Der Kirchenvertreter ist einer der wenigen in der Hansestadt, die frohgemut dem Samstag entgegenblickten. HSV-Sportchef Oliver Kreuzer, der nach der verdienten 0:1-Niederlage gegen den FC Augsburg resigniert meinte, mit so einer Leistung kriege man in München "zwölf Dinger", war ja noch nicht der größte Schwarzseher. Jo Brauner, einst Tagesschau- und Stadionsprecher beim HSV, sprach gar von 13 Treffern für den FC Bayern, was nicht so weit entfernt ist von jenem 9:2, mit dem die Münchner die Nordlichter Ende März nach Hause schickten.

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Zunehmend genervt von dieser scheinbar ohnmächtigen Einstellung rund um den HSV ist der neue Trainer Bert van Marwijk. Er lerne seit fast drei Monaten jeden Tag etwas mehr von dieser Mannschaft und diesem Verein kennen, sagte er. Ihm falle auf, mit wie wenig man sich im Team zufrieden gebe. Man erwarte quasi nach guten Spielen die Rückschläge. "Diese Zufriedenheit fängt mich langsam an zu irritieren", sagt der Niederländer, der angeblich noch nie erlebt hat, dass gleich "zehn Spieler unter Niveau gespielt haben" wie am vergangenen Samstag gegen Augsburg. Das sei eine mentale Sache, vermutet er. Einige seien "eingeschlafen", und er müsse sie "wachrütteln". Er werde "keine Ruhe haben, bevor ich nicht eine Lösung finde".

Dass sich van Marwijk ausgerechnet vor dem scheinbar chancenlosen Gastspiel in München so streng gibt, könnte unterschiedliche Gründe haben. Er könnte damit versuchen, das Team zu kitzeln, das zuletzt extrem unterschiedlich aufgetreten war. Vielleicht hat er mit seinen Ausführungen aber auch zeigen wollen, wie groß die Distanz zum neuen Arbeitgeber und seinen Untergebenen noch ist.

Es gab ja im Umfeld nach den ersten Misserfolgen auch schon kritische Stimmen gegen den Coach, der die Niederlande 2010 ins WM-Finale führte. Er trainiere zu wenig, hieß es da, weil er fast durchgehend nur einmal am Tag üben lasse. Dass er lieber im Hotel wohnt anstatt sich ein Domizil zu mieten, stieß ebenfalls manchem auf - obwohl van Marwijk seine momentane Wahlheimat kürzlich sogar mit New York verglich, was bei den stolzen Hanseaten natürlich gut ankam.

Und dass er regelmäßig in seine wirkliche Heimat fliegt, um mit seinen Enkelkindern zu spielen - so etwas Ähnliches kannten sie schon in Dortmund, wo er von 2004 bis 2006 tätig war. Da wurden seine regelmäßigen Fahrten als "Holland-Rallyes" verspottet.

Wie man nach 2:20 Toren in den vergangenen drei München-Darbietungen (0:6 mit Trainer Armin Veh, 0:5 mit Trainer Michael Oenning, 2:9 mit Trainer Thorsten Fink) diesmal gegen die "beste Mannschaft der Welt" (Mittelfeldspieler Tolgay Arslan) auftreten will, glaubt Arslan offenbar zu wissen. "Wir müssen das Passspiel verbessern und uns trauen, Fußball zu spielen", sagt der Deutsch-Türke, man dürfe nicht einfach "jeden Ball nach vorne schlagen". Nur so könne man sich die "Ehre" wiederholen, die man beim 2:9 verloren habe. Es werde nicht noch einmal so kommen, dass die Elf Disziplin und Ordnung so verliert wie damals. "Das wird unser neuer Trainer nicht zulassen", sagt Arslan.

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Niemals würde van Marwijk, dessen Konzept nicht darin besteht, "alle Qualitäten der Bayern persönlich zu attackieren", auch jenes Grillfest akzeptieren, dass die schuldbewussten HSVler nach dem 2:9 für ihre Fans veranstaltet hatten. Der Vorsitzende Carl Edgar Jarchow hat dann auch ein zuversichtlicheres Motto ausgegeben. Man habe "das einfachste Spiel der Saison", sagt er. Denn niemand erwarte etwas vom HSV, da könne man sich, wenn man "dagegen hält, gut aus der Affäre ziehen". Wobei die Frage ist, ob eine Niederlage mit nur vier Toren Differenz schon dazuzählt.

Allerdings müssen die Hamburger ohne Nationaltorwart René Adler auskommen. Den am Sprunggelenk verletzten Keeper ersetzt Jaroslav Drobny. Ob Rafael van der Vaart seelisch schon wieder so stabil ist, nachdem seine Lebensgefährtin Sabia Boulahrouz ihr Baby verloren hat, ist eine weitere Frage.

Zumindest für einen HSV-Profi ist der Auftritt beim FC Bayern noch immer wie in besseren Zeiten "ein Megaspiel". So tut es jedenfalls Marcell Jansen kund. Man müsse sich auch "gegen die Bayern den Spaß am Spiel erhalten", sagt der frühere Bayern-Profi. Jansen hat allerdings gut reden. Beim 2:9 war er nicht dabei. Er büßte gerade die Sperre für seine fünfte gelbe Karte ab.

© SZ vom 14.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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