HSV-Hoffnung Ivo Iličević:Freigeist im ideenlosen Haufen

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Ivo Iličević (Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Ivo Iličević machte Louis van Gaal sprachlos, dann verhedderte er sich in den Wirren des Hamburger SV.
  • In der Bundesliga-Relegation gegen den KSC ist er plötzlich Hoffnungsträger.

Von Carsten Eberts, Hamburg

Ivo Iličević hat Louis van Gaal schon einmal sprachlos gemacht. Damals, am zweiten Spieltag der Saison 2010/11, kam der FC Bayern als Meister auf den Betzenberg zu Aufsteiger Kaiserslautern - und wurde mit 0:2 nach Hause geschickt. Tiffert hatte geflankt, Nemec durchgelassen, dann kam Iličević, der den Ball aus 20 Metern hoch ins lange Eck schlenzte. Ein herrliches Tor, doch die Kameras schwenkten sofort auf van Gaal, der mächtig verdattert auf der Bayern-Bank hockte.

Iličević war bis damals ein unbekannter kleiner Kroate, der bei einem Aufsteiger kickte. Nun kannten ihn ganz Deutschland und auch ein paar Menschen aus den Niederlanden. Ganz so toll ging es für Iličević nicht weiter, obwohl er sich schnell einem größeren Klub anschloss. 2011 wechselte er zum Hamburger SV, wo er alle Phasen durchmachte, vom lange verletzten Hoffnungsträger bis zum Ausgemusterten. In keiner Saison schaffte er mehr als 18 Einsätze. Iličević saß auf der Tribüne, spielte in der zweiten Mannschaft - und soll eigentlich gehen.

Sein Vertrag werde zum Saisonende nicht verlängert, wurde Iličević in diesem März mitgeteilt. Wobei sich die Frage stellt, ob er nicht doch bleiben darf, sollte Iličević den HSV im Relegationsrückspiel am Montagabend gegen den Karlsruher SC (ab 19 Uhr, Liveticker auf SZ.de) zum Klassenerhalt schießen. Kein Verein ist bei der Suspendierung von Spielern so inkonsequent wie der HSV - und seit Bruno Labbadia da ist, wird der Kroate eben wieder gebraucht. Er ist sogar der Nutznießer einer taktischen Idee, die überhaupt nicht für ihn erdacht wurde.

Mit Labbadias Amtsübernahme hat der HSV den schönen Fußball endgültig eingestellt. Gespielt wird Kick&Rush, der Ball hoch und weit nach vorne gebolzt, über alle Kreativen im Mittelfeld hinweg. Wichtigstes Stilmittel sind Ecken und Freistöße, in deren Anschluss irgendeiner mit dem Kopf an den Ball kommen möge. Iličević passt da gar nicht rein: Er ist mit seinen 1,74 Metern Körpergröße gewiss kein Kopfballspieler, eher ein wendiger Wirbelwind, mit Faible für den schnellen Antritt und trockenen Schuss aus teilweise unmöglichen Situationen. Ein Freigeist eben, der Dinge probiert, die andere nicht versuchen.

"Keine Überraschung, dass er das Tor gemacht hat"

Im Relegationshinspiel führte der KSC bereits nach vier Minuten, und schnell wurde klar, dass es der HSV mit seiner Hoch-und-weit-Taktik nicht weit bringen würde. Karlsruhe stand sicher und köpfte die langen Hamburger Bälle einfach zurück, hatte das einzige Gefahrenpotenzial des Gegners im Griff. Nur Iličević stach aus dem ideenlosen Haufen heraus, weil er der Einzige war, der sich auch mal ein Eins-gegen-Eins zutraute.

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Nun ist der Kroate einer, der sich an schlechten Tagen von 20 Versuchen gerne auch 20 Mal verheddert. Der dann auf dem Rasen liegt und dem Gegner hinterherblickt, der mit dem Ball davonwieselt. Mit seiner Unstetigkeit hat Iličević schon diverse Trainer gegen sich aufgebracht, doch am vergangenen Donnerstag klappte es. In der 73. Minute kam Iličević am Strafraum an den Ball, er zwang Dennis Diekmeier zu einem Doppelpass, entwischte seinem Verteidiger mit zwei schnellen Schritten und jagte das Spielgerät mittig zum 1:1 ins Netz. "Für mich ist es keine Überraschung, dass er das Tor gemacht hat", sagte Trainer Labbadia. Nein, das ganze Stadion hatte gesehen, dass an diesem Tag nur Iličević dem HSV die Hoffnung zurückbringen konnte.

Iličević weiß, was er kann

Im Rückspiel am Montagabend wird Iličevićs Wichtigkeit noch ein wenig zunehmen. Obwohl er das Abschlusstraining wegen einer Blessur abbrechen musste, wird er wohl auflaufen können. Schon bei einem 0:0 wäre der erstmalige Gang in die zweite Liga perfekt, der HSV braucht auf jeden Fall ein Tor. Misslicherweise fehlen für das Hamburger Kopfballspiel aber wichtige Protagonisten: Gojko Kačar und Heiko Westermann sind gelbgesperrt, Pierre-Michel Lasogga war zumindest im Hinspiel weit von einem Zustand entfernt, den man gutmütig als "Form" bezeichnen könnte.

Also muss es Iličević richten. An Selbstvertrauen hat es ihm ohnehin nie gemangelt. "Ich weiß, was ich kann", hat Iličević nach seinem Tor gesagt. Er habe immer an sich geglaubt, obwohl er über weite Strecken der Saison "überhaupt keine Rolle gespielt hat". Das Problem könnte jedoch sein: Es ist lange her, dass Iličević zwei gute Spiele in Serie absolviert hat. Auf einen guten Auftritt müsste nun eigentlich einer folgen, bei dem er sich 20 Mal in gegnerischen Beinen verheddert.

Wie es auch sei: Ivo Iličević hat definitiv das Zeug dazu, in Karlsruhe jemanden sprachlos zu machen. So oder so.

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