Hoffenheim-Coach Schreuder:Kabinen­kenner aus Barneveld

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Immer noch mit vorbildlicher Schusshaltung: Hoffenheims Trainer Alfred Schreuder. (Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)
  • Alfred Schreuder ist die Trainer-Überraschung der Saison, mit seinem Gespür hat er in Hoffenheim einigen Erfolg.
  • An diesem Sonntag geht es gegen Mainz - und es ist sogar der Sprung auf Platz vier möglich.

Von Sebastian Fischer

Robert Skov wunderte sich wohl erst mal. Da war er nach Deutschland gekommen als einer der erfolgreichsten Rechtsaußen in Europa, 30 Tore hatte er für den FC Kopenhagen in einer Saison geschossen, rund zehn Millionen Euro musste die TSG Hoffenheim für ihn bezahlen. Und dann empfahl ihm dieser Trainer, den er erst seit ein paar Wochen kannte, bald ein linker Verteidiger zu sein?

"Gefällt's dir?" Das habe er Skov nach dem Training gefragt, erzählt Alfred Schreuder, der Trainer. Skov gefiel's. Ein paar Wochen später war er ein offensiver Außenverteidiger - und ein weiteres Beispiel für das Gespür seines Trainers.

Alfred Schreuder, 47, aus Barneveld in den Niederlanden, ist in Deutschland noch nicht berühmt, "glücklicherweise", findet er. In Heidelberg, wo er mit seiner Familie wohnt, sei er erst "ein- oder zweimal" angesprochen worden. Er ist der Trainer, der in Hoffenheim im Sommer auf Julian Nagelsmann folgte, Deutschlands wohl talentiertesten jungen Fußballlehrer, der zu RB Leipzig wechselte. Schreuder gewann dann von seinen ersten sechs Ligaspielen nur eines. "Erster Bundesliga-Trainer wackelt", schrieb die Bild.

"Das geht schnell", habe er gedacht, als er die Schlagzeile las, sagt Schreuder. Er lacht am Telefon, es ist ein Nachmittag in der Woche vor dem Spiel gegen Mainz an diesem Sonntag. Schreuder hat angenehme Tage hinter sich: Hoffenheim gewann zuletzt sechsmal in Serie. Und er, der nie gewackelt habe, wie der Klub sofort mitteilte, wird allmählich ein bisschen berühmter: als Verantwortlicher für eine der Überraschungen dieser Hinrunde.

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Bei der TSG Hoffenheim, naturgemäß nicht der spektakulärste Bundesliga-Standort, aber 2018 erstmals in der Champions League vertreten, bestand im Sommer die Gefahr, zur grauen Maus der Liga zu werden. Schreuder ist, anders als Nagelsmann, eher nicht der Typ für einen kessen Spruch pro Woche, und die Mannschaft verlor mehrere ihrer besten Fußballer: Nico Schulz ging nach Dortmund, Kerem Demirbay und Nadiem Amiri zu Bayer Leverkusen, Torjäger Joelinton zu Newcastle United. Die Anzahl der Verluste habe ihn durchaus überrascht, sagt Schreuder, der bereits im März seinen Vertrag unterschrieben hatte. Es sei "fordernd" für seine Planung gewesen. Aber: "Es ist ja auch eine Chance. Wenn Spieler gehen, schafft das Raum für andere." Es schaffte auch Raum für seine Ideen.

Schreuders Karriere fand bislang meist in der zweiten Reihe statt. Nur rund ein Jahr lang, bis August 2015, war er schon mal Cheftrainer, bei Twente Enschede. Davor und danach war er Assistent, etwa von Steve McClaren, einst Englands Nationaltrainer. Mit Huub Stevens kam er 2015 nach Deutschland zur TSG Hoffenheim, danach arbeitete er zwei Jahre mit Nagelsmann und von 2018 bis Sommer 2019 mit Erik ten Haag bei Ajax Amsterdam.

"Du lernst viel", sagt er. Von McClaren zum Beispiel, "wie man einen Trainerstab und die Mannschaft führt". Nagelsmann und ten Haag lobt Schreuder für ihre Trainingsarbeit. Wenn er über seine Vorstellung von Fußball spricht, dann wirkt es so, als habe er aus vielen verschiedenen Eindrücken und Fußball-Schulen seinen eigenen Stil gewonnen: mit Ball abwartend und ruhig spielen, Tempo machen, wenn Räume entstehen. Umschaltfußball nicht als Prämisse, aber wenn er sich ergibt.

"Wir sind cleverer geworden, geduldiger", sagte Kapitän Kevin Vogt dem kicker über die jüngsten Veränderungen. "Wir haben daran gearbeitet, ein Spielsystem zu finden, das die Jungs stark macht", sagt Schreuder. Die Arbeit brauchte Zeit.

In den ersten sechs Ligaspielen schoss Hoffenheim viermal kein Tor, selbst neulich beim 3:0 gegen Paderborn pfiffen manche Zuschauer. "Die sollen ins Theater gehen", empfahl Vogt. Gerade trennt den Klub nur ein Punkt von den Champions-League-Plätzen. Die Mannschaft sei physisch besser als im Sommer, findet Schreuder. Durchschnittlich 118,3 Kilometer Laufleistung und 204 Sprints pro Spiel sprechen dafür. Das Team glaube an die eigene Stärke, bleibe auch nach Rückständen wie zuletzt beim 2:1 in Köln ruhig.

Als einer der Protagonisten der vergangenen Jahre ist der herausragende Stürmer Andrej Kramaric noch da. Die neuen sind der zum Linksverteidiger umgeschulte Skov, der Stürmer Sargis Adamyan, der vom Zweitligisten Regensburg kam und beim 2:1 gegen den FC Bayern zweimal traf, der in der Vorsaison kaum eingesetzte frühere Junioren-Nationalspieler Kevin Akpoguma in der Innenverteidigung und der zurückgekehrte Nationalspieler Sebastian Rudy in der Zentrale des 3-1-4-2-Systems (die sehr hohen Außenverteidiger sind oft eher Flügelspieler). "Man sieht wieder den starken Rudy", sagt Schreuder, "sehr aggressiv in der Balleroberung, sehr ruhig am Ball."

Er denke seine Aufstellung in Pärchen, erklärt er: ein offensivfreudiger neben einem defensiver orientierten Spieler, ein Techniker neben einem Läufer. Das taktische Wissen und sein Auge machen ihn zu einem begabten Trainer. Es ist aber auch sein Umgang im Team, den frühere Weggefährten wie Youri Mulder und Boudewijn Pahlplatz, Schreuders Co-Trainer in Enschede, jüngst im Gespräch mit der Berliner Morgenpost hervorhoben.

Als Trainer müsse man eine Kabine kennen, den Teamgedanken leben, sagt Schreuder. Er erzählt, wie er einst als Spieler von NAC Breda - 333 Mal lief er insgesamt in der Eredivisie auf - einem teuer eingekauften Stürmer sehr deutlich gemacht habe, dass dessen Ego keine Rolle zu spielen habe. Und er spricht offen darüber, wie ihn der Tod seiner Tochter 2006 als Mensch geprägt habe. "Ich weiß, worum es geht im Leben", sagt er. Auf den Sport übertragen heißt das: "Wir dürfen uns nicht zu schnell ablenken lassen von einem Sieg oder einer Niederlage."

Dass sein Team auf dem richtigen Weg sei, das habe er schon vor dem Sieg in München geahnt, nach einem 0:3 gegen Gladbach - die Statistik sprach dafür. Über die nächsten Spiele sagt er, dass es nun wieder schwieriger werde, zu gewinnen: "Jetzt werden sich die Gegner einstellen auf uns." Und über seine Zukunft sagt er: "Es kommt immer ein Weg für dich. Wer kann sagen, was in zehn Jahren sein wird? Vielleicht bin ich Co-Trainer, vielleicht bin ich Cheftrainer." Vielleicht wird er dann auch öfter auf der Straße erkannt.

© SZ vom 24.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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