Martin Hinteregger:Eine Tablette mit Folgen

Eintracht Frankfurt v TSG 1899 Hoffenheim - Bundesliga

Martin Hinteregger (links) feiert sein Tor gegen die TSG Hoffenheim.

(Foto: Matthias Hangst/Getty Images)
  • Beim 1:0-Sieg von Eintracht Frankfurt am ersten Bundesliga-Spieltag schießt der Verteidiger Martin Hinteregger das Tor des Tages.
  • 15 Minuten vor Ende nimmt er aber noch auf dem Platz eine Tablette zu sich - der Klub sagt, es habe sich nicht um Schmerzmittel sondern um "hochkonzentrierte Kohlenhydrattablette" gehandelt.
  • Die nationale Anti-Doping-Agentur Nada prüft den Fall nun.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Martin Hinteregger gehört in der Regel nicht zu den Spielern mit dem lautesten Sprechorgan, wenn er sich nach einem Spiel vor die Journalisten stellt. Oft artikuliert der Verteidiger von Eintracht Frankfurt seine Einlassungen leise, auch nach gelungenen Auftritten wie am Sonntag gegen Hoffenheim. Da hatte er etwa folgenden Satz zu bieten: "Ich bin ein Mann, der in wichtigen Spielen hochschalten kann. Das habe ich heute gezeigt, war von Beginn an sehr gut drin."

Das lässt sich wohl so sagen, dass Hinteregger von Beginn an gut drin war in der Partie. 1:0 gewann die Eintracht letztlich, dank eines Tores des 26-Jährigen nach gerade mal 36 Sekunden. Auch danach wusste er zu gefallen und zählte zu den stärksten Spielern. Und so wurde die ungewöhnliche Beziehung zwischen dem Österreicher und der Eintracht gleich zum Auftakt der neuen Saison ums nächste Kapitel erweitert.

Aber es gab neben seinem Tor und seinen gewonnenen Zweikämpfen auch noch eine andere Szene, wegen der Hinteregger am Sonntag in den Fokus geriet - und mit der sich nun sogar die Nationale Anti-Doping-Agentur (Nada) beschäftigt.

Eine knappe Viertelstunde vor dem Abpfiff krümmte sich Hinteregger verletzt am Boden, sein Trainer Adi Hütter bereitete sich schon auf einen Wechsel vor, aber dann machte der Verteidiger doch noch weiter. Er habe etwas in der Wade gespürt und den ersten Krampf seines Lebens gehabt, sagte Hinteregger: "Es war ein stechender Schmerz, der Doc konnte mir helfen und weiter ging's!"

Die SGE sagt, dass Hinteregger kein Schmerzmittel, sondern Kohlenhydrate genommen habe

Das Publikum ließ den Verteidiger für seinen Kampfgeist hochleben, aber manch anderer Beobachter empfand es als befremdlich, wie genau es weiterging. Denn erst erhielt Hinteregger "vom Doktor eine Nadel" gesetzt, wie er hinterher erzählte. Als er wieder aufs Feld schritt, drückte ihm ein Betreuer in die linke Hand noch schnell eine Tablette, die er auch sofort nahm. "Wir haben die Szene registriert und schauen uns an, was genau er zu sich genommen hat", sagte Nada-Vorstand Lars Mortsiefer. Von einer "Schmerztablette" war Sonntagabend in diversen Medien die Rede. Auf eine SZ-Anfrage teilten die Frankfurter am Montagnachmittag hingegen mit, dass der Spieler keinerlei Schmerzmittel eingenommen habe. Vielmehr hätte er nach seinem Krampf eine "hochkonzentrierte Kohlenhydrattablette" bekommen. Wobei sich Experten wie der Nürnberger Pharmakologe Fritz Sörgel fragen, ob das in der verbleibenden Spielzeit von etwas mehr als zehn Minuten überhaupt noch einen Effekt haben kann oder eher als Placebo dient.

Hinteregger hat sportlich wie emotional eine besondere Rolle bei Frankfurt

Kohlenhydrattabletten sind nicht verboten, von den Schmerzmitteln ist es nur ein kleiner Teil. Aber die Nada hat gegen den im Fußball weit verbreiteten Konsum von schmerzhemmenden Substanzen grundsätzlich Bedenken: "Bei der Einnahme von Schmerzmitteln, um unbedingt weitermachen zu können, sehen viele die möglichen gesundheitlichen Risiken nicht und es entsteht ein falsches Signal. Es sollte einen zurückhaltenden und reflektierten Umgang damit geben", sagt Nada-Vorstand Lars Mortsiefer: "In der konkreten Situation mit Schmerzmitteln zu agieren, ist für uns nicht angemessen."

Es wird nun also etwas Schriftverkehr geben, um den Sachverhalt zwischen Nada, der Eintracht und dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) zu klären. Defensivkraft Hinteregger wiederum dürfte auch ohne Tablettenkonsum in den kommenden Wochen im Blickpunkt stehen - in der Bundesliga wie auch in der finalen Runde der Europa-League-Qualifikation gegen Racing Straßburg (22.08. und 29.08.). Denn es ist dem Österreicher in Windeseile gelungen, in seinem Klub eine sportlich wie emotional besondere Rolle einzunehmen.

Vergangenen Winter lieh ihn die Eintracht aus Augsburg aus, weil er dort mit der sportlichen Leitung aneinandergeraten war. Danach erwies er sich schnell als stabilisierender Faktor in der Frankfurter Defensive, nicht zuletzt während der Europa-League-Reise, die bis ins Halbfinale gegen den FC Chelsea führte - wo es dann just Hinteregger war, der nach starker Leistung im Elfmeterschießen einen Versuch vergab. Im Sommer musste er zwar eigentlich zum FCA zurück. Aber aufgrund verschiedener Manöver entstanden zu keinem Zeitpunkt Zweifel daran, dass er lieber weiter in Frankfurt spielen wollte; inklusive einem Auftritt auf einem Dorffest in einem angeheiterten Zustand, den blöderweise eine Kamera festhielt.

Kurz nach diesem Dorffest-Besuch war Hinteregger dann wieder bei der Eintracht, fest verpflichtet für geschätzte zwölf Millionen Euro, und im Frankfurter Fanvolk hat der bisweilen fragwürdige Ablauf dieses Sommers seinen Sympathiewert eher noch gesteigert. Sie hatten den Österreicher ohnehin schnell ins Herz geschlossen, weil er in diesem Fußball-Gewerbe meist so anders auftritt als das Gros der Spieler. Längst gibt es einen sehr erfolgreichen Hinteregger-Fansong, und während seiner kurzen Augsburger Zeit im Sommer war unter SGE-Anhängern der Hashtag #freehinti immens populär - als gelte es, den Österreicher aus einer Gefangenschaft zu befreien. Jetzt haben die Frankfurter Fans ihn wieder.

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