Herthas Niederlage gegen Köln:Achterbahn nach unten

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Mal wieder viel Diskussionsbedarf bei der Hertha: Santiago Ascacibar, Davie Selke, Niklas Stark, Jordan Torunarigha und Vladimir Darida (von links) nach dem ersten von drei Gegentoren gegen Köln. (Foto: Sebastian Räppold/imago images/Matthias Koch)

Nach dem Auf kommt wieder ein Ab: Hertha BSC bleibt auch unter Trainer Tayfun Korkut bemerkenswert instabil - und schafft es nicht, die Angreifer Jovetic und Belfodil zu ersetzen.

Von Javier Cáceres, Berlin

Steffen Baumgart ist ein solidarischer Mensch, voller Großzügigkeit mit den Mitgliedern seiner Zunft. Am Sonntagabend war das wunderbar zu beobachten, als der Coach des 1. FC Köln sehr baumgartesk im Pressesaal des Berliner Olympiastadions saß, das heißt: die Ellbogen auf dem Tisch weit auseinandergezogen, den Oberkörper angespannt, den Kopf unter der Schiebermütze nach vorn gestreckt, als wollte er das Mikrofon vor ihm mit der Zunge berühren. Baumgartesk, das meinte auch, dass er zwar keine Miene verzog, sich aber doch voller Aufrichtigkeit für jene zu freuen schien, die da in nächster Zeit das Olympiastadion besuchen werden. Das war, als er hörte, dass der Rasen alsbald ausgetauscht werden soll. Auch wenn er nichts mehr davon haben werde - "genau das wär' wichtig", brummte Baumgart ungefragt; der jetzige Rasen sei nämlich "eine Katastrophe, ganz ehrlich".

Womit er zweifelsohne Recht hatte, wie jeder, der am Sonntag einen flüchtigen Blick auf das 3:1 des 1. FC Köln bei Hertha BSC warf, bestätigen konnte. "Und das in der Stadt. Das kann's ja nich' sein. Das ist Wahnsinn", sagte Baumgart, und die Frage, die da offen blieb, war allenfalls, ob ihn das entsetzte oder traurig machte.

Immerhin: Die nächsten Heimspiele sollen auf einem neuen Rasen ausgetragen werden

Jenseits davon aber war Baumgart bester Laune. Seine Mannschaft legte einen guten Start ins neue Jahr hin, sie fügte den Siegen aus den beiden vorangegangenen Spielen einen dritten hinzu - und sprang damit auf den sechsten Tabellenplatz. Der Champions-League-Platz ist zwei Punkte, die Europa League nur einen Punkt entfernt, was die Frage nach seinen Gefühlen beim Blick auf die Tabelle zur obligatorischen Angelegenheit machte. "Jetzt bleiben wir mal entspannt...", baumgartelte Baumgart. "Wir sind froh, dass wir die 28 Punkte haben, weil das den Abstand nach unten auch wieder vergrößert hat."

Abstand nach unten, das hieß im Zweifelsfall auch Abstand zur Hertha, die sieben Punkte hinter den Kölnern liegt. Das ist einerseits im Lichte der stabilen Verfassung der Kölner keine Schande, andererseits bedeutet es halt auch, dass Hertha nur drei Punkte vor dem FC Augsburg und vier Punkte vor Arminia Bielefeld liegt, die auf den Rängen 16 und 17 stehen. Und das Programm bis zum Monatsende hält fast ausschließlich heftige Prüfungen parat. Am Wochenende geht es zu den Serienpleitiers vom VfL Wolfsburg, danach betreten der 1. FC Union (im DFB-Pokal) und der FC Bayern den dann wohl neuen Rasen des Olympiastadions. Dessen eingedenk wäre eine Auffrischung des Selbstvertrauens, das man sich selbst zum Jahresende durch einen 3:2-Sieg gegen Borussia Dortmund besorgt hatte, überaus angebracht gewesen. Doch statt sich in dieser Hinsicht zu boostern, wie man neudeutsch sagt, rauschte die Hertha in ihrer achterbahnartigen Tour durch die laufende Saison wieder nach unten. "Letztendlich weiß ich, dass es Aufs und Abs in der Entwicklung geben kann. Die durchleben wir auch", sagte Trainer Tayfun Korkut am Montag.

Es war Baumgart, der ein paar mildernde Umstände für die Pleite der Berliner anführte. Zum Beispiel, dass die Hertha tatsächlich durch Verletzungen und Covid arg gebeutelt angetreten war und vor allem auf die Angreifer Stevan Jovetic (Wade) und Ishak Belfodil (Corona) verzichten musste; an ihrer Stelle liefen Davie Selke und Myziane Maolida im Sturm auf. Selke hatte gar keine, Maolida dafür eine Chance, die aber von der Größe des Kölner Doms, und das auch noch beim Stand von 0:0. Er vergab freistehend vor Kölns Torwart Marvin Schwäbe.

Viel zu viele Gegentore: In dieser Saison sind es schon 38

"Wenn wir das Tor machen, kann sich so ein Spiel auch komplett in eine andere Richtung bewegen...", ärgerte sich Korkut, im Wissen darum, dass das weder zu beweisen noch zu widerlegen war. Fakt war dafür dies: Anthony Modeste und Ondrej Duda schossen zur Pause eine 2:0-Führung für die Kölner heraus, wobei die Berliner kräftig mithalfen: "Die Tore haben wir ein Stück weit selber vorbereitet", sagte Korkut. Dass die Hertha durch eine zufällig ins Tor gesegelte Freistoßflanke von Vladimir Darida zum Anschluss kam (57.) und auf den Ausgleich drängte, sprach für zwar für die Mentalität der Hertha. Aber dass Kölns Jan Thielmann in der Nachspielzeit das 3:1 erzielte, passte zum Kräfteverhältnis, das in diesem Spiel zu sehen war.

Und es erinnerte die Hertha daran, dass sie in dieser Saison zu viele Gegentore kassiert, bislang waren es 38. So kommt es, dass Siege für die Berliner in dieser Saison sündhaft teuer sind, weil sie viele eigene Treffer erfordern. Und so war der Montag für Korkut vor allem von einem Gedanken geprägt: dass Jovetic und Belfodil möglichst schnell wieder fit und gesund werden.

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