Hertha BSC:Zwischen Mittelmaß und Abstiegskampf

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Ein talentiertes, aber auch unvorhersehbares Sturmduo: Stevan Jovetic (Rückkennumer 19) umarmt den Hertha-Torschützen Ishak Belfodil (Zweiter von rechts). (Foto: Soeren Stache/dpa)

Gegen Bochum zeigt Hertha BSC streckenweise ansehnlichen Fußball, das Sturmduo Stevan Jovetic und Ishak Belfodil kann überzeugen. Trotz des am Ende mageren 1:1 äußert sich Trainer Korkut optimistisch.

Von Thomas Hürner

So hätte das auch mal in der Champions League aussehen können. Der Angreifer Stevan Jovetic, 32, machte sich am Freitagabend bereit für einen Freistoß, er nahm einen kurzen Anlauf, sein Fuß schmiegte sich um den Ball. Für den Ball ist das in der Regel eine gute Nachricht, denn er freut sich über den eleganten Drall, den ihm nur feine Kicker wie Jovetic verpassen können. Und auch der Rest stimmte: die Geschwindigkeit, die Flugbahn, die plangenaue Ankunft im Strafraum.

Der Strafraum war für den Ball aber nur eine einkalkulierte Zwischenstation, er sollte dort nicht ausharren, sondern vom hochgewachsenen Stürmer Ishak Belfodil in der 23. Minute ins Tor des VfL Bochum weitergeleitet werden. Und so geschah es: Belfodil, 30, köpfte den Ball ins lange Eck, was die zu diesem Zeitpunkt hochverdiente Führung für Hertha BSC bedeutete. Aus einem möglichen, verdienten Heimsieg wurde am Ende aber nichts, weil den Bochumern in der zweiten Hälfte durch Sebastian Polter noch der Treffer zum 1:1-Endstand gelang, im Übrigen mit dem einzigen Schuss aufs Berliner Tor.

Jovetic und Belfodil scheiterten einst beim italienischen Nobelklub Inter Mailand

Heißt für die Hertha: irgendwas zwischen Mittelmaß und Abstiegskampf, aber ganz sicher nicht Champions League - und exemplarisch dafür steht auch das Sturmduo Jovetic und Belfodil.

Beiden Spielern wurde früher mal eine große Zukunft prophezeit, sie bleiben bis heute aber klassische Ja-Aber-Fußballer: Ja, die könnten mal eine beachtliche Karriere hinlegen, aber dafür müssten sie entweder ihre gläserne Knochen versiegeln lassen (Jovetic) oder an ihrer Zuverlässigkeit arbeiten (Belfodil). Dem gut vernetzten Hertha-Sportchef Fredi Bobic war das aber sicherlich bewusst, als er die Angreifer im Sommer als Zugänge präsentierte, denn er hatte sich bestimmt in Italien und insbesondere beim Nobelklub Inter Mailand detailliertes Informationsmaterial besorgt.

Die Kurzfassung ist, dass sie in der Lombardei vor einigen Jahren viel Geld für Jovetic und Beldofil bezahlt haben, weil sie dort fest an die Königsklassen-Tauglichkeit der Stürmer geglaubt hatten - und dann ernüchtert feststellen mussten, dass die oben genannten Gründe überwogen, die Jubelarien in den Gazzetten verwandelten sich rasch in Häme. Jovetic fiel in Mailand vor allem durch Eitelkeiten auf, wie sie nur Inhaber der gloriosen Rückennummer 10 für sich in Anspruch nehmen; Belfodil bekam sogar die innoffizielle und unschmeichelhafte Trophäe namens "Bidone d'oro" verliehen, die goldene Mülltonne zeichnet jährlich den schlechtesten Transfer in der italienischen Liga aus. Für die ganz großen Aufgaben konnte sich nach der enttäuschenden Station bei Inter keiner der beiden mehr empfehlen.

"Wir haben den Faden verloren", sagte Herthas Winter-Zugang Marc-Oliver Kempf

Hertha-Sportchef Bobic ist mit der Verpflichtung des Duos ein wohlkalkuliertes Risiko eingegangen, er hofft darauf, dass Jovetic und Belfodil in ihrem Karriereherbst noch einmal ihren zweiten Frühling erleben. Und der Plan könnte aufgehen, wie das Spiel gegen Bochum durchscheinen ließ. Das Sturmduo trug seinen Teil dazu, dass der Hertha-Trainer Tayfun Korkut eine "super erste Halbzeit" sah, in der laut eigener Aufzählung so gut wie alles gestimmt habe: Energie, Offensivpräsenz, Spielkontrolle.

Das Duo, das aufgrund diverser Blessuren in dieser Saison nur selten zusammen auf dem Platz stand, kombinierte gefällig, schuf Räume für die Kollegen und trat vor allem in Person von Jovetic immer wieder mit Dribblings und Torabschlüssen in Erscheinung. Das Problem war aber, dass die Hertha in der zweiten Hälfte "den Faden verloren" habe, wie es der an diesem Tag grundsolide Winter-Zugang Marc-Oliver Kempf formulierte.

Auch dieser ungewollte Tempowechsel hing indirekt mit den beiden Ex-Inter-Akteuren zusammen, die jeweils zwar sehr gewillt zu sein scheinen, ihr Leistungsvermögen durch großes Engagement abzurufen - deren Kraftreserven aber offenkundig nicht ausreichen, um 90 Minuten Abstiegskampf im nasskalten Berliner Olympiastadion zu bestreiten. Zumal in einem Spiel, in dem der Gegner große Freude daran hatte, sich in den sportlichen Überlebenskampf zu werfen. Die Bochumer arbeiteten sich zurück in eine Partie, in der zuvor ein für Hertha-Verhältnisse wirklich ansehnlicher Angriffsfußball gespielt worden war.

"Wenn wir so spielen, werden wir die nötigen Punkte holen", versicherte der Hertha-Trainer Korkut. Das mit den Prophezeiungen ist halt nur manchmal so eine Sache.

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