Unter den Berliner Hauptstadtjournalisten machte sich eine defätistische Stimmung breit. Otto Rehhagel wurde gefragt, ob sein Ziel denn überhaupt noch zu erreichen sei. Unter lautestem Getöse war der frühere Meistertrainer im Februar zu Hertha HSC gekommen, nicht um den Verein zu revolutionieren, sondern um ihn vor dem Schlimmsten, dem Abstieg, zu bewahren. "Natürlich", sagte Rehhagel nach kurzem Überlegen, "wir haben noch alle Chancen. So lange muss gefightet werden."
FC Bayern in der Einzelkritik:Ribéry gewinnt beim Schnick-Schnack-Schnuck
Der Franzose lässt seinem jungen Kollegen Toni Kroos beim Knobeln keine Chance, David Alaba spielt wie ein Energydrink, Jupp Heynckes verweigert sämtliche Handschläge. Und Arjen Robben? Überlässt Mario Gomez sogar einen Elfmeter. Die Bayern beim 6:0 in Berlin in der Einzelkritik.
Auch wenn das bereits nach einer verzweifelten Parole klingt: Rechnerisch hat der 73-Jährige Recht. Hertha BSC steht auf dem vorletzten Tabellenplatz, es sind noch 24 Punkte zu vergeben, auch die Konkurrenz spielt wenig berauschend. Der 1. FC Kaiserslautern trifft seit Wochen das Tor nicht mehr, der Hamburger SV verliert sogar zu Hause gegen den SC Freiburg.
Wer den Auftritt der Berliner beim 0:6 gegen den FC Bayern am Samstag verfolgt hat, der braucht jedoch ein wenig Fantasie, um noch an ein gutes Ende dieser Hertha-Saison zu glauben. Die Mannschaft ist verschüchtert, produziert schwer nachvollziehbare Fehler, praktisch über 90 Minuten. Seit vier Spielen ist Rehhagel nun Trainer der Berliner - drei davon gingen verloren.
Die an sich selbst berauschten Bayern kamen natürlich zum schlechtesten aller Zeitpunkte. Bald nach dem Anpfiff machte trotzdem der Gag die Runde, wie Rehhagel wohl zu dieser Aufstellung gekommen sei. Es muss sich um ein Würfelspiel gehandelt haben, so die verbreitete Meinung, schließlich fand sich kaum ein Spieler an der ihm angestammten Position wieder: Raffael durfte als Sturmspitze ran, Christian Lell wurde ins zentrale Mittelfeld versetzt, seine verwaiste Position als Rechtsverteidiger übernahm der junge Deutsch-Albaner Fanol Perdedaj. Dessen Gegenspieler des Tages war übrigens: Franck Ribéry.
Das Spiel lief dann für die Hertha außerordentlich schlecht. "Wir wollten das erste Gegentor hinauszögern und unsere Fehler auf ein Minimum reduzieren", erklärte Rehhagel später, der Plan misslang völlig. Schon nach 45 Sekunden war Ribéry Perdedaj zum ersten Mal entflitzt, fortan wirkte der U-20-Nationalspieler völlig eingeschüchtert. Das 0:1 durch Thomas Müller bereitete der Franzose schließlich über Perdedajs Seite vor (9. Minute). Nur zehn Minuten später, nach zwei Treffern von Arjen Robben, stand es bereits 0:3.
FC Bayern in der Einzelkritik:Ribéry gewinnt beim Schnick-Schnack-Schnuck
Der Franzose lässt seinem jungen Kollegen Toni Kroos beim Knobeln keine Chance, David Alaba spielt wie ein Energydrink, Jupp Heynckes verweigert sämtliche Handschläge. Und Arjen Robben? Überlässt Mario Gomez sogar einen Elfmeter. Die Bayern beim 6:0 in Berlin in der Einzelkritik.
Rehhagel hatte es ja kommen sehen. "Ich hatte extra vor Arjen Robben und Franck Ribery gewarnt, dass sie uns mit Tempoläufen in Schwierigkeiten bringen", sagte Rehhagel, was schon eine äußerst gelungene Analyse der Dinge war. Dass diese beiden Spieler außergewöhnliche Fähigkeiten besitzen, hatte sich also auch bis in die Hauptstadt durchgesprochen.
Wer den Berlinern Böses wollte, konnte gar kombinieren: Drei Tage hatte Rehhagel sein Team im Geheimtraining auf das Spiel vorbereitet. Und alles, was dabei herauskam, war eine durchgewürfelte Mannschaft und die Warnung vor Robben und Ribéry?
"Ich hatte erwartet, dass wir uns nicht abschlachten lassen"
In der Pause reagierte Rehhagel, er nahm Perdedaj heraus und befahl dem ebenfalls erst 21-jährigen Alfredo Morales die Bewachung von Ribéry. Morales ging zwar energischer zu Werke, verschuldete jedoch innerhalb von 17 Minuten zwei Elfmeter. "Wir sind nicht in die Zweikämpfe reingekommen", klagte Rehhagel, "und wenn wir reingekommen sind, gab es gleich Elfmeter." Da war Rehhagel fast schon wieder witzig.
Seine Spieler fanden den eigenen Auftritt weniger witzig, etwa Christian Lell. "Ich bin es auch leid, hier Woche für Woche zu stehen", sagte der frühere Bayern-Profi, "ich hatte schon erwartet, dass wir uns hier nicht so abschlachten lassen." Dann sagte Lell einen Satz, den er in den vergangenen Wochen bereits öfter mal fallen ließ: "Wenn wir so weiterspielen, steigen wir ab."
Rehhagel versuchte indes, den Druck von seiner verunsicherten Mannschaft zu nehmen. Er hielt sich nicht lange damit auf, sein Team zu kritisieren. Gegen die Bayern könne man verlieren, vielleicht nicht in dieser Höhe, aber einen Berliner Sieg hatte an diesem Tag ohnehin niemand erwartet. Es ging lediglich um die Art und Weise, wie sich die Mannschaft präsentiert.
Am kommenden Samstag muss Hertha zum FSV Mainz 05. "Jetzt heißt es: Das Spiel gegen Mainz angehen und die Niederlage verdauen, so schwer das auch fällt", erklärte Rehhagel. Auch gegen Mainz sei noch nichts entschieden. Er hat nun eine Woche Zeit, an der passenden Aufstellung zu tüfteln - gleich ab Montag, nachdem er am Sonntag im deutschen Bundestag den neuen Bundespräsidenten gewählt hat.