Handballerin Alina Grijseels:Bei ihr gerät der Bundestrainer ins Schwärmen

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Sieben Treffer gegen Japan: Alina Grijseels (rechts) war beim mühsamen WM-Auftakt die beste deutsche Spielerin. (Foto: Claus Fisker/Ritzau Scanpix/Imago)

Beim 31:30 zum WM-Auftakt gegen Japan tut sich das deutsche Handball-Team schwer. Die Beste ist wieder einmal Alina Grijseels. Die Kapitänin ist resistent gegen Stress - und hat ein großes Ziel.

Von Ulrich Hartmann

In Frankreich lief die Zeit für Alina Grijseels zuletzt manchmal rückwärts. In der Halle ihres neuen Klubs Metz Handball zählt eine digitale Uhr die Tage bis zu den Olympischen Spielen in Paris herunter. Aktuell sind es noch 237.

Nicht nur die vielen französischen Nationalspielerinnen des lothringischen Klubs lassen sich von dem Countdown elektrisieren. Auch Grijseels. Von Metz bis Paris sind es schließlich nur noch 280 Kilometer. Doch ihr Weg zu Olympia ist gefühlt deutlich weiter. Bei der Weltmeisterschaft in Skandinavien, wo die 27-Jährige gerade als deutsche Kapitänin aufläuft, muss ihre Mannschaft überhaupt erst mal das Ticket für ein Olympia-Qualifikationsturnier im April ergattern. Und schon das wird nicht so einfach. Das Auftaktspiel im dänischen Herning gewann Deutschland nur mühsam gegen Japan, 31:30. Den Siegtreffer erzielte Xenia Smits in der vorletzten Sekunde. Grijseels war mit sieben Treffern und vier Vorlagen beste deutsche Spielerin.

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Die gebürtige Weselerin vom Niederrhein wird entscheidenden Anteil daran haben, ob deutsche Handballerinnen erstmals seit 2008 wieder bei Olympia mitspielen dürfen. Sie spielt auf strategisch relevanter Position im zentralen Rückraum und verteilt dort die Bälle. Das beherrscht sie so gut, dass sie 2021 mit Borussia Dortmund deutsche Meisterin wurde und man sie zuletzt zweimal nacheinander zu Deutschlands Handballerin des Jahres gewählt hat.

Neues Land, neue Sprache, neue Mitspielerinnen - für Grijseels erst mal eine Herausforderung

Nach neun Jahren beim BVB wechselte sie im Sommer zum Topklub Metz, wo etwa ein Drittel der Nationalspielerinnen des aktuellen Olympiasiegers Frankreich spielt und wo in Emmanuel Mayonnade, 40, einer der weltbesten Trainer im Frauenhandball schon lange erfolgreich arbeitet. 2019 machte er in einem damaligen Zweitjob als Bondscoach außerdem die Niederländerinnen zu Weltmeisterinnen. "Metz ist ein Topklub mit vielen internationalen Topspielerinnen", sagt Grijseels, "und einen so akribischen Trainer wie Emmanuel Mayonnade hatte ich noch nie."

Die ersten Wochen waren entsprechend herausfordernd. Grijseels, zuvor in Dortmund und seit 2018 im Nationalteam als Spielmacherin zunehmend gesetzt, muss sich in Metz erst einmal hinten anstellen. "Ich bin noch nicht da, wo ich sein will", sagt sie, "aber das wird kommen." Neues Land, neue Sprache, neue Mitspielerinnen, neuer Trainer, neuer Spielstil - die Bewältigung derart vieler Herausforderungen soll sie am Ende umso stärker machen. "Das ist gut für meine persönliche und sportliche Entwicklung", sagt sie. Und damit auch gut für die Nationalmannschaft.

Bundestrainer Markus Gaugisch gerät über Grijseels leicht ins Schwärmen. "Alina ist auch in Stressmomenten sehr klar und hilft der Mannschaft durch ihre ruhige und souveräne Art." Gaugisch hat mal durchgezählt: "Bei dieser WM sind insgesamt zehn Spielerinnen von Metz dabei." Sich in einem solch hochkarätigen Klub durchzusetzen, ist für Grijseels eine gewaltige Herausforderung. "Metz ist ein riesiger Persönlichkeitsschritt für Alina", sagt auch Gaugisch, "sie muss dort jeden Tag kämpfen, aber das wird sie voranbringen."

Um an einem Qualifikationsturnier teilnehmen zu dürfen, muss die deutsche Mannschaft das WM-Viertelfinale erreichen

Bei solchen Topklubs und überhaupt in Frankreich hat Frauenhandball einen anderen Stellenwert als in Deutschland: bessere Infrastruktur, höhere Bezahlung, größeres öffentliches Interesse. In Dortmund kommen zu einem Ligaspiel um die 1000 Zuschauer, in Metz sind es in der Champions League bis zu 4500. Bei der Kaderpräsentation im Sommer fuhren die Handballerinnen mit Motorbötchen über die Mosel und schwenkten für die Fotografen und Kameraleute Vereinsfahnen. Seither spielte sich die Mannschaft an die Spitze der französischen Liga und auf den zweiten Platz ihrer Champions-League-Gruppe. "Meisterschaft und Pokalsieg sind klare Ziele", sagt Grijseels, "in der Champions League ist es das Final-Four."

Ihr persönliches Ziel heißt Olympia, und die Vorstellung, dort als deutsche Kapitänin die Kolleginnen aus der französischen Liga zu treffen, macht es noch attraktiver. Im Nationalteam spielt in Torhüterin Katharina Filter für Brest eine weitere Deutsche in Frankreich. Um an einem Qualifikationsturnier im April teilnehmen zu dürfen, muss die deutsche Mannschaft bei der WM das Viertelfinale erreichen.

Wohlwollend hat Grijseels gelesen, dass ihre Kollegin Antje Döll vor der WM behauptet hat, die deutsche Mannschaft sei so stark wie nie. So viel Optimismus gefällt ihr. Sie selbst findet nach zuletzt drei siebten Plätzen bei großen Turnieren: "Bis zur Weltspitze haben wir noch einen Schritt zu gehen, und die Kader der Topnationen sind vielleicht in der Breite ein wenig besser aufgestellt, aber ich bin überzeugt, dass uns die Erfahrungen der vergangenen Jahre weitergebracht haben." Es gehe jetzt um Konstanz, darum, sich möglichst wenige Schwächephasen zu erlauben: "Wir brauchen Coolness und Überzeugung; wir müssen in einen Flow kommen."

In Metz hat sie mitbekommen, dass man in Frankreich durchaus ehrfürchtig auf die deutschen Handballerinnen schaut. "Sie halten uns für eine sehr gute Mannschaft", berichtet Grijseels. Das macht stolz - und noch mehr Lust auf Olympia. Bei der WM will Alina Grijseels sicherstellen, dass der Countdown in Metz auch für sie weiterläuft.

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