Handball-Nationalmannschaft:Jugend hofft

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Lena Degenhardt versucht die spanische Mauer zu überwinden. (Foto: Josep Lago/AFP)

Nach dem Aus der deutschen Handballerinnen im WM-Viertelfinale überwiegt der Frust. DHB-Präsident Michelmann steht trotzdem zum Bundestrainer - und kritisiert mit Blick auf die Heim-WM 2025 Liga und Strukturen.

Von Ulrich Hartmann, Granollers/München

Am Ende waren die deutschen Handballerinnen dann doch noch prominent im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu sehen. Allerdings begann der Beitrag in den ARD-Tagesthemen am späten Dienstagabend mit Bildern ihrer Tränen. Die 21:26-Niederlage gegen Gastgeber Spanien bedeutete für das Team des Deutschen Handball-Bundes (DHB) nämlich das Aus im Viertelfinale der Weltmeisterschaft.

Solche Bilder hatte sich DHB-Präsident Andreas Michelmann nicht vorgestellt, als er zum Turnierbeginn eine generelle "Monokultur in der Sportberichterstattung" beklagte und dass die deutschen WM-Spiele von keinem einzigen TV-Sender, sondern nur im Internet übertragen wurden. "ARD und ZDF bemühen sich extrem um sprachliche Korrektheit, aber Frauensport kommt im Fernsehen kaum vor", schimpfte er auch noch am Mittwoch vor der Heimreise.

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:Deutsche Handballerinnen scheiden im WM-Viertelfinale aus

Das deutsche Team unterliegt Gastgeber Spanien. Schach-Weltmeister Magnus Carlsen deutet an, er wolle bei der nächsten WM nur gegen ein Supertalent antreten. Lemgo bezwingt die Füchse Berlin in einem Pokal-Krimi.

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Das überschaubare Interesse der Sender hat womöglich auch damit zu tun, dass die deutschen Handballerinnen seit 13 Jahren in keinem Halbfinale mehr waren und seit 14 Jahren keine Medaille mehr gewonnen haben. Seit der Niederländer Henk Groener 2018 das Amt des Bundestrainers übernommen hat, standen sie jedes Jahr zwar kurz vor dem entscheidenden Schritt ins Halbfinale, konnten ausgerechnet in den entscheidenden Spielen ihr Potenzial aber nicht mehr angemessen abrufen.

Die deutschen Spielerinnen können mit den besten Nationen mithalten - aber nur phasenweise

Das Viertelfinalspiel gegen WM-Gastgeber Spanien hat exemplarisch die gegenwärtige Situation der deutschen Handballerinnen aufgezeigt: Sie können mit den besten Nationen mithalten - aber nur phasenweise. Sie bekommen in brenzligen Spielpassagen zittrige Hände. Und einige der hoffnungsvollen jungen Spielerinnen brauchen noch Zeit, um gegen die weltbesten Mannschaften die erforderliche Kaltschnäuzigkeit zu entwickeln.

Fünf Siege zu Turnierbeginn gegen Nationen aus dem Verfolgerfeld der Weltspitze waren zwar aller Ehren wert, doch gegen die Medaillenkandidaten Dänemark (16:32) und Spanien (21:26) verlor das deutsche Team klar. "Wenn man die Vorrunde und zwei Drittel der Hauptrunde nimmt, würde ich sagen, wir haben uns weiterentwickelt", sagte die Kreisläuferin Meike Schmelzer, "aber die letzten beiden Spiele waren frustrierend." Es ist das wiederkehrende Motiv: am Anfang die Hoffnung, am Ende der Frust.

Nach vier großen Turnieren mit drei Déjà-vus soll das Präsidium im Februar entscheiden, ob Groener noch der richtige Bundestrainer ist. Seinen am Jahresende auslaufenden Vertrag hatte man zu diesem Zweck vorerst nur bis Ende April verlängert. Doch schon bevor Groener und sein Trainerteam zusammen mit dem Sportvorstand Axel Kromer in die WM-Analyse gehen, lässt Letzterer durchklingen, dass er Groener nach wie vor für den richtigen Mann hält. "Warum sollte ich nicht mit ihm weitermachen wollen?", fragt Kromer, "wir sind doch froh, wenn wir etwas entwickeln und wenn wir Konstanz im Trainerteam haben."

DHB-Präsident Michelmann nimmt die Klubs in die Pflicht: "Es wird Zeit, dass die Liga aus der Brühe kommt."

Präsident Michelmann äußerte in einem leidenschaftlichen Monolog die gleiche Meinung: "Die Trainerfrage ist nicht unser Problem. Wir müssen die Qualität der Spielerinnen erhöhen, indem wir solche Strukturen schaffen, wie sie andere Nationen im Frauenhandball längst haben. Wir stellen immer irgendwelche Ziele auf, haben strukturell aber noch nichts verbessert. Es wird Zeit, dass die Liga aus der Brühe kommt. Und für die Landesverbände gilt das Gleiche, denn ohne Geld wird es nicht gehen. Unser Ziel ist, bis zur Heim-WM 2025 eine konkurrenzfähige Mannschaft zu haben." Er stehe zu seiner Aussage von 2020, dass Groener der richtige Bundestrainer sei. "Aus Respekt vor dem Präsidium muss ich aber sagen, dass am Ende das Präsidium entscheidet."

"Ich habe ein gutes Gefühl in der Arbeit mit der Mannschaft": Bundestrainer Henk Groener. (Foto: Marco Wolf/Wolf-Sportfoto/Imago)

Und was sagt Groener selbst? Der 61-Jährige hat einst die Niederlande aus dem Mittelmaß in die Weltspitze geführt. Das hat aber auch ein paar Jahre gedauert. "Wir haben gezeigt, dass wir gewachsen sind", sagte er am Mittwoch und stellt unverändert in Aussicht, den Erfolg aus seiner Heimat in Deutschland wiederholen zu können. "Ich habe ein gutes Gefühl in der Arbeit mit der Mannschaft", sagt Groener und suggeriert damit, dass er Bundestrainer bleiben möchte. Explizit danach befragt, wollte er sich indes nicht äußern, sondern die kommenden Wochen abwarten.

Die Struktur der Mannschaft gibt Hoffnung auf eine Verbesserung in den kommenden Jahren. Junge Handballerinnen wie die Rechtsaußen Amelie Berger (22, Borussia Dortmund) und die Torfrau Katharina Filter (22, Buxtehuder SV) sowie die Rückraumspielerinnen Julia Maidhof (23, SG Bietigheim), Emily Bölk (23, Ferencvaros Budapest), Mia Zschocke (23, Dortmund) und Alina Grijseels (25, Dortmund) bekommen bereits reichlich Spielanteile und können sich noch verbessern. "Wir sind mit einem jungen Team auf dem richtigen Weg", sagt Sportvorstand Kromer und will dies vermutlich auch das Präsidium so wissen lassen, um ihm im Februar die Entscheidung in der Trainerfrage zu erleichtern.

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