Datenanalyse zur Handball-WM:Wo die deutschen Handballer Stärken und Schwächen haben

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Kreisläufer Jannik Kohlbacher visiert sein Lieblingseck an: unten rechts. (Foto: dpa)

Im Halbfinale trifft das DHB-Team auf Norwegen. Statistiken zeigen, wie es mit dem Finaleinzug klappen könnte.

Von Saskia Aleythe, Hamburg, Julian Hosse und Benedict Witzenberger

Um falschen Hoffnungen vorzubeugen: Es gibt keine Formel dafür, wie man das Halbfinale einer Handball-WM gewinnen kann. Spieler, die plötzlich zum Matchwinner werden, obwohl sie vorher im Turnier keine Rolle gespielt haben. Leistungsträger, die genau in der wichtigsten Partie ein Zitterhändchen haben und nur noch Fehlwürfe zeigen. Torhüter mit Formschwäche, schnell verteilte Zeitstreifen, schwerwiegende Verletzungen - es gibt viele Unwägbarkeiten, die über Sieger und Verlierer eines Halbfinals entscheiden.

Was es aber auch gibt, sind Zahlen über den bisherigen Turnierverlauf, die Stärken und Schwächen der deutschen Handballer im Vergleich mit den anderen Mannschaften verdeutlichen. Welche Angriffsseite ist erfolgreicher, wo steht der Abwehrblock am dichtesten und wo sollte Uwe Gensheimer besser keinen Ball hinwerfen? Ein Blick in die Daten vor dem Halbfinale:

Wo Deutschland am ehesten Tore erzielt

Wenn Sie heute Abend vor dem Fernseher das Halbfinale verfolgen, müssen Ihnen bei einem Wurf am wenigsten die Nerven flattern: Fliegt der Ball in Richtung rechtes unteres Toreck, ist er mit der größten Wahrscheinlichkeit ein Treffer. Die Erfolgsquote für diesen Wurf liegt bei 85,2 Prozent, bei 61 Versuchen konnten lediglich neun Versuche vom gegnerischen Torwart verhindert werden. Es ist die Lieblingsecke des deutschen Kreisläufers Jannik Kohlbacher, der jeden seiner elf Würfe in diese Ecke versenkte. Norwegens Torhüter Espen Christensen, der mit 42 Prozent gehaltener Bälle derzeit der beste WM-Torhüter ist, hat ausgerechnet wo seine Schwachstelle? Richtig, unten rechts: Nur einen Ball konnte er bisher dort abwehren (von 15 Versuchen).

Unten links ist es für die Deutschen fast genauso vielversprechend (84,7 Prozent), dort hat das Team von Christian Prokop bisher auch die meisten der insgesamt 219 Tore erzielt: 61, woran Linksaußen Uwe Gensheimer mit 15 Toren den größten Anteil hat.

Den Ball zu Gensheimer bitte

Ein Fünftel aller deutschen Tore hat Uwe Gensheimer erzielt: Der Linksaußen von Paris Saint-Germain füllt seine Rolle als Kapitän nicht nur mit Charakter, sondern auch mit Treffern aus. Dass er der gesetzte Siebenmeter-Schütze ist, erhöht natürlich die Ausbeute. Nur seine Würfe auf halbe Höhe auf der rechten Torseite sollte er besser lassen: Von neun Versuchen landeten nur zwei Treffer im Netz.

Sein Gegenüber au Norwegen heißt Magnus Jondal, der Gensheimer nicht nur mit vier Treffern mehr übertrumpft, sondern auch bei der Verlässlichkeit: 90 Prozent Trefferquote erreicht Jondal. Ein absoluter Spitzenwert, den bei der hohen Anzahl an Würfen niemand überbietet. Überhaupt sind die Norweger in Sachen Effizienz das Top-Team der WM: 70 Prozent aller Würfe landen im Tor (DHB-Auswahl: 65 Prozent). Das liegt auch an der hohen Anzahl an Tempogegenstößen: Jedes vierte Tor haben die Norweger per Konter erzielt, die heißen nicht umsonst einfache Tore. Und sind ein Manko bei den Deutschen, die damit nur 16 Prozent ihrer Treffer erzielt haben.

Wo Wolff am ehesten verwundbar ist

Die meisten Gegentore hat die deutsche Mannschaft bisher unten rechts bekommen (38 bei 55 Versuchen), oben links ist die Quote der abgewehrten Bälle aber von allen vier Ecken am schlechtesten: Kracht ein Ball der Gegner dorthin, ist er in fast 80 Prozent der Fälle auch drin.

Im Handballtraining ist die Ansage klar: Keine Würfe auf halber Höhe platzieren, bitteschön, die sind in der Regel für den Torwart kein Problem. Auch oben oder unten in der Mitte führen die Schüsse selten zum Erfolg. Andreas Wolff gehört mit einer Quote von 36 Prozent gehaltener Bälle zu den neun besten Torhütern der WM, seine besondere Stärke: Unten rechts wehrt er jeden dritten Ball ab, der auf ihn zufliegt (so oft wie dort haben es die Angreifer bei ihm auch nirgends sonst versucht). Unten links ist er bei den vier Ecken am anfälligsten für Gegentreffer.

Auf welcher Seite der Angriff am stärksten ist

Aus der Mitte haben die Deutschen bisher ihre meisten Tore erzielt, vor allem vom Kreis aus. Am effizientesten sind aber die Handballer, die sich auf der linken Seite tummeln: 64 Prozent der abgefeuerten Bälle (Kreisläufer einbezogen) führten zum Tor. Auch auf den Außenpositionen jubilieren die Deutschen links öfter als rechts - ein weiteres Zeugnis der Stärke von Uwe Gensheimer. Und bei einer Sache muss man sich weniger Sorgen machen als gedacht: Obwohl technische Fehler im Angriff der Deutschen immer mal vorkamen, sehen sie im internationalen Vergleich nicht mehr so dramatisch aus: 73 leisteten sich die Deutschen, Norwegen kommt auf einen mehr, Frankreich sogar auf 79. Nur Dänemark ist beeindruckend konzentriert und brachte es gerade mal auf 45 Fehler.

Wiencek blockt so viel wie ganz Norwegen

Nur zwölf Gegentreffer hat die deutsche Abwehr in den bisherigen acht WM-Partien auf der halbrechten Position kassiert - ein sehr niedriger Wert, der die starke Defensive widerspiegelt. Auf der linken Seite sind es kaum mehr, nur die Außenposition ist in der Verteidigung eine Schwachstelle. Kommen die Gegner dort zum Abschluss, ist es zu 73 Prozent ein Treffer. Allerdings können die Gegner dort auch freier werfen als etwa im Rückraum. Von der Mitte hat Deutschland die meisten Tore kassiert, aber auch dort hadert der Gegner öfter mit abgewehrten Bällen als etwa die Deutschen beim eigenen Angriff. 55 Prozent der Bälle aus der Mitte konnten abgewehrt werden. Blockstark.

Besonders eindrucksvoll sind die Zahlen bei Patrick Wiencek: Der Abwehrspezialist hat 14 Bälle abgeblockt im Turnier - genauso viele wie alle Norweger zusammen. Dass die eigene Defensive vom deutschen Team selber immer wieder als Prunkstück bezeichnet wird, schlägt sich auch in den Statistiken nieder. Auf 33 Blöcke kommt kein anderes Team, nicht mal annähernd.

Wer hart zupackt, muss fair bleiben - der deutschen Auswahl gelingt das bei dieser WM ganz gut. 32 Zeitstrafen haben sich Paul Drux und Co. bisher abgeholt, das macht vier Stück pro Partie. Norwegen kommt auf 28. Die wenigsten hat das vereinte Team von Korea eingesammelt (19), sie haben allerdings die Vorrunde nicht überstanden.

Was bleibt also fürs Halbfinale zu empfehlen? Unten rechts werfen, am besten von links - und die Abwehr den Rest erledigen lassen.

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