Deutsche Handball-Nationalmannschaft:Eine Enttäuschung, aber keine Krise

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Hände hoch! Bundestrainer Alfred Gislason (im roten Hemd) und seine Einwechselspieler feuern die Mannschaft auf dem Parkett an. (Foto: Khaled Elfiqi/AP)

In Ägypten verpassen die deutschen Handballer frühzeitig das ausgegebene Ziel - und doch ist die Lage nicht so dramatisch, wie sie auf den ersten Blick aussieht.

Kommentar von Joachim Mölter

In Deutschland ist das Handballspiel erfunden worden, nirgendwo sonst betreiben es so viele Menschen, die Bundesliga gilt als stärkste Liga auf dem Globus, kein anderes Land war häufiger bei Weltmeisterschaften dabei, 26 Mal bei 27 Austragungen - aus alldem leiten sich gewisse Ansprüche ab. Bei einer WM das Viertelfinale zu erreichen, ist das Mindeste, was man als Außenstehender verlangen kann. Das war auch der Anspruch, den die Nationalauswahl selbst für das Turnier in diesem Jahr formuliert hatte.

Dieses Minimalziel hat sie frühzeitig verfehlt, schon vor dem vorletzten Spiel der Hauptrunde stand das fest. Nun ist sogar möglich, dass die deutschen Handballer im Abschlussklassement so weit unten eingestuft werden wie nie zuvor bei einer WM. Platz elf im Jahr 2011 war das bislang schlechteste Abschneiden.

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So deutlich unter den eigenen Ansprüchen geblieben zu sein, ist nicht schön, das ist nicht gut, das muss man hinterfragen. Schon bei oberflächlicher Analyse stellt sich aber heraus: Das ist auch nicht so dramatisch, wie es auf den ersten Blick aussieht.

Die deutschen Fußballer wären bei der WM 2014 auch nicht weit gekommen ohne Hummels, Boateng und Mertesacker

Die WM in Ägypten findet unter besonderen Umständen statt. Nun macht die Corona-Pandemie um keines der teilnehmenden Länder einen Bogen, aber die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) ist stärker gebeutelt als andere Teams. Nebst einem halben Dutzend fast schon gewohnter verletzungsbedingter Absagen gab es auch vier Routiniers, die wegen Corona nicht mitflogen. Der Verband hatte das den Nationalspielern explizit freigestellt, was lobenswert ist, aber eben auch wesentlich zum Abschneiden beigetragen hat.

Denn unter diesen vier Profis waren auch jene drei, die zuletzt ein beeindruckendes Abwehrbollwerk gebildet hatten: Hendrik Pekeler, Patrick Wiencek und Finn Lemke. Diese Lücke konnte der Bundestrainer Alfred Gislason in der Kürze der Vorbereitungszeit einfach nicht schließen mit dem noch zur Verfügung stehenden Personal. Um mal einen Quervergleich zu wagen: Die deutschen Fußballer wären bei der WM 2014 auch nicht weit gekommen, wenn ihnen damals die etablierten Verteidiger Mats Hummels, Jérôme Boateng und Per Mertesacker gefehlt hätten.

So mäßig das WM-Abschneiden 2021 auch ist, es ist kein Ausdruck einer Krise, wie sie 2011 einsetzte mit besagtem Platz elf. Danach scheiterten die DHB-Handballer gleich dreimal an der sportlichen Qualifikation für Großereignisse: Olympia 2012, EM 2014, WM 2015. Am letztgenannten Turnier nahmen sie dann dank einer Wildcard teil, das gab neuen Schub. Seinerzeit wurde zwecks Aufbruchstimmung das Ziel "Olympia-Gold in Tokio" ausgerufen. Im Hinblick darauf hat diese WM die deutsche Auswahl nicht aus der Bahn geworfen, nur kurz ausgebremst. Bei der Olympia-Qualifikation im März und gegebenenfalls beim Olympia-Turnier im Sommer sind sicher wieder alle Mann an Bord.

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