Handball-WM der Frauen:Die gewaltige Werferin

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Eben noch verletzt, jetzt überzeugt Emily Bölk bei der WM. (Foto: imago/Christian Schroedter)
  • Mit erst 19 Jahren soll Emily Bölk das deutsche Handball-Team zum WM-Erfolg führen.
  • Bölks Voraussetzungen dafür sind nicht schlecht: Schon die Oma spielte in der Nationalmannschaft, die Mutter war sogar Weltmeisterin.

Von Saskia Aleythe, Leipzig

Emily Bölk hat sich die Zeit in Leipzig erst mal anders vertrieben als geplant. Ihre Eltern waren extra aus Buxtehude nach Sachsen gekommen, um die 19-Jährige beim WM-Debüt anzufeuern, doch als die Hymne zum ersten Mal durch die Arena hallte, war Bölk nicht auf dem Spielfeld. Sie war auch nicht dabei, als die Deutschen ihr zweites Gruppenspiel gewannen. Bölk saß auf der Tribüne. Zwei Tage vor dem WM-Start war sie im Training umgeknickt, Kapsel und ein Band im Fuß waren kaputt, Bölk musste warten. Und das mit der Geduld, das fällt ihr nicht immer so leicht.

Emily Bölk hat Potenzial, das Gesicht des deutschen Frauenhandballs zu werden, dafür ist so eine WM im eigenen Land ja auch wie gemacht. Umso härter war das Warten zu Beginn, "da hab ich erst mal meine Mutter vollgeheult", sagt Bölk, sie spricht, wie es ihr in den Sinn kommt. Und ihre Mutter ist ja die beste Ratgeberin. Andrea Bölk hat die Medaille schon gewonnen, die ihre Tochter gerne mal um den Hals tragen würde: WM-Gold. 1993 war das und bis heute der letzte Titel deutscher Auswahl-Handballerinnen. Die kann sie aus dem Gedächtnis zeichnen, sagt Emily Bölk, daheim in Buxtehude hängt sie an der Wand, "hier habe ich sie aber auch im Köpfchen".

"Ich messe mich nicht an meiner Mutter"

Wer Emily Bölk mit den andern deutschen Frauen erlebt, sieht einen Teenager, der die Chance der Heim-WM verinnerlicht hat, aber sich dennoch erlaubt, eine WM-Debütantin zu sein. "Ich messe mich nicht an meiner Mutter", sagt Bölk, die ihren Namen eher als Ehre denn als Druck begreift. Ihre Oma spielte einst in der DDR-Mannschaft, ihre Mutter besucht sie nun regelmäßig im Teamhotel der deutschen Frauen, "wenn ich nachfrage, gibt sie mir auch Tipps". Verkrochen hat sich Bölk trotz der Verletzung zu Beginn nicht, sie nimmt unbedarft mit, was ihr die WM bietet.

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Samstagmittag, Medientermin, Bölk steht nur ein paar Meter vom Podium entfernt, auf dem Bundestrainer Michael Biegler gerade Auskunft zu ihrer Verletzung gegeben hat. "Emmy ist eine ganz junge Spielerin, sie bekommt von mir alle Zeit der Welt", sagt Biegler also und wird allgemeiner: "Ich schicke keine Spielerin aufs Feld, wo es kein Mensch verantworten kann." Bölk wiederum sagt, mit der Manschette am Fuß: "Ich kann morgen eigentlich schon wieder spielen". Es wird klar, warum die Sorgfalt um sie herum berechtigt ist.

In der Leipziger Arena wird es laut, wenn bei der Vorstellung der Spielerinnen ihr Name durch die Lautsprecher dröhnt, Bölk hat schon jetzt eine Fangemeinde. "Das ist einmalig, wenn man hier extra bejubelt wird", sagt sie. In der Bundesliga erlebt sie das beim Buxtehuder SV, wo sie schon mit 16 Jahren ihr Debüt gab. Was auch nicht zufällig passierte: Mit 14 ging sie für ein Jahr nach Dänemark an die anerkannte Handball-Akademie in Viborg, "das hat mich handballerisch ganz weit nach vorne gebracht", findet sie. Bei der U18-WM 2014 wurde sie zur wertvollsten Spielerin des Turniers gekürt, als 16-Jährige. "Ich habe in meiner Karriere schon immer recht früh erreicht, was ich wollte", sagt Bölk. Am Ende der Saison läuft ihr Vertrag aus, ein Vereinswechsel ins Ausland wäre eine Option, "ich möchte gerne mal Champions League spielen", sagt sie.

Es gibt ein Geräusch dafür, was sie auf dem Feld kann. Am Mittwochabend im vierten Gruppenspiel gegen China (24:9) schraubte sie sich vor der Abwehr hoch und dann zischte es. Nicht jeder erfolgreiche Torwurf bringt ein Tornetz zum Zischen, doch bei Bölk ist der Wurf gewaltig. "Ich bin glücklich, dass ich gute Aktionen hatte, die mir auch Sicherheit geben für die nächsten Spiele", sagte Bölk; sie muss sich nach der Verletzung noch herantasten an ihre Turnierform. Die ersten Würfe missglückten, macht das nervös? "So viel darf man darüber nicht nachdenken", sagt Bölk. Und dann kommt etwas, was selbstverständlich klingt, aber vor allem ihre Stärke beschreibt: "Das macht einen Rückraumspieler aus, dass man trotzdem weitermacht und torgefährlich bleibt."

Mit der Torgefahr der deutschen Frauen ist es so eine Sache. Die große Durchschlagskraft haben sie im bisherigen Turnierverlauf noch nicht konstant herausarbeiten können, was auch an diversen Ausfällen im Rückraum lag. "Ich bin da nicht ganz so unruhig", sagt Trainer Biegler. Er hat die WM durchgeplant, die Vorrundenpartien nutzt er auch, um angeschlagenen Spielerinnen einen sanften Start ins Turnier zu geben. "Man sieht, es hat gedauert, bis Xenia Smits und Bölk ins Spiel kommen", sagte Sportdirektor Wolfgang Sommerfeld, und Biegler ergänzte: "Es muss auch einen Weg zurück geben." Immer mal Pausen gönnen, wenn es nicht so läuft, das kennzeichnet auch seine Arbeit.

Gegen die Niederlande geht es um den Gruppensieg

Ganz auskuriert ist Bölks Verletzung nicht, "bei Emmy gibt es schon noch ein paar Nachwehen nach der Belastung von gestern", sagte Biegler nach dem Sieg gegen China. Sie muss viel Physiotherapie machen, hat einen Tape-Verband um den Fuß. Doch wenn es am Freitagabend gegen die Niederlande um den Gruppensieg geht (18 Uhr/Sport 1), hofft sie auf den nächsten Fortschritt. Ohnehin könnte ihr nun eine Schlüsselrolle zukommen, waren die bisherigen Gegnerinnen doch eher von niedrigerer Klasse.

Das Halbfinale hat man sich beim Deutschen Handballbund (DHB) als Ziel gesteckt, für Bölk ist das nicht unrealistisch. Karten für Familie und Freunde sind schon reserviert, finden die Halbfinals doch in Hamburg statt, nicht weit entfernt von Buxtehude. Ein doppeltes Heimspiel wäre das für Bölk, die nun aber auch gelernt hat, dass manch schwierige Phase dazwischenkommen kann.

© SZ vom 08.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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