Handball-Pokal:Ein Meister, zwei Topteams und ein Pokalschreck

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Zupackend: Wer an Gedeon Guardiola (links) vorbei will, muss mit Schmerzen rechnen. Hier bekommt Magdeburgs Gisli Thorgeir Kristjansson (in weiß) einen Vorgeschmack auf das Pokal-Halbfinale am Samstagabend. (Foto: Franziska Gora/Jan Huebner/Imago)

Beim Final-Four-Turnier ist Magdeburg Favorit, Flensburg kommt mit einer beeindruckenden Siegesserie, die Rhein-Neckar Löwen können die Krise beenden - und Lemgo hat schon einmal überrascht. Fest steht nur, dass es einen neuen Titelträger geben wird.

Von Ralf Tögel, München

Dass der Pokal seine eigenen Gesetze hat, ist eine jener strapazierten Phrasen, die man eigentlich gar nicht mehr bemühen sollte. Gleichwohl bewahrheitet sich die Floskel Jahr für Jahr - oder wer hätte erahnt, dass sich der Fußball-Profi Jamal Musiala wie ein aus der Balance geratener Balletttänzer mit ausgebreiteten Armen in den Schuss von Nicolas Höfler wirft und damit das Pokal-Aus des großen FC Bayern gegen kleine Freiburger verschuldet? Eben.

Genauso wahr ist, dass der Pokal eigene Geschichten schreibt. Und her ist kein Vorbeikommen am Handball-Profi Gedeon Guardiola. Der Spanier ist Weltmeister, Europameister, deutscher Meister und: deutscher Pokalsieger. Einmal gewann er die 49 Zentimeter hohe und fein versilberte Trophäe mit den Rhein-Neckar Löwen, einmal mit dem TBV Lemgo - unter kuriosen Umständen. Denn eigentlich war Guardiola im Pokal-Wettbewerb 2020 ausgeschieden, im Viertelfinale unterlag er mit den Löwen gegen Hannover. Doch wegen der Pandemie wurde der Wettbewerb ausgesetzt und das Final Four erst im Juni 2021 nachgeholt (der Pokalwettbewerb 2021 wurde daher gestrichen). Guardiola aber wechselte im Sommer 2020 von den Rhein-Neckar Löwen zum TBV Lemgo. Die hatten das Final Four erreicht - und Guardiola hatte als Abwehrchef im Team der Lipperländer maßgeblichen Anteil am Überraschungscoup. Erst eliminierte Lemgo den Topfavoriten Kiel und holte gegen Melsungen den Pott.

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Lemgo ist also klarer Außenseiter in seinem Halbfinale gegen Magdeburg, zumal der Meister Titelverteidiger Kiel im Viertelfinale entthront hat. In der Liga spielt Lemgo keine tragende Rolle, ist aktuell 13. und kassierte zuletzt eine 35:36-Niederlage beim Abstiegskandidaten Minden. Aber der TBV ist Pokal-Spezialist, hat die Endrunde nun zum dritten Mal in Folge erreicht. Nach dem Triumph von vor zwei Jahren musste sich das Team von Trainer Florian Kehrmann im Vorjahr im Halbfinale dem späteren Sieger Kiel knapp 26:28 beugen, auch in der Liga lassen die Nordrhein-Westfalen regelmäßig mit Erfolgen gegen Topteams aufhorchen: gegen Flensburg, die Rhein-Neckar Löwen und in Kiel. Trainer Kehrmann, als Aktiver Welt- (2007) und Europameister (2004), hat sich einen Namen als Talententwickler gemacht, muss diese aber regelmäßig an finanziell potente Topklubs ziehen lassen. So steht der Wechsel von Nationalspieler Lukas Zerbe bereits fest, der Rechtsaußen wird kommende Saison in Kiel spielen.

Flensburgs Kader ließt sich wie eine skandinavische Auswahl der Topnationen Dänemark, Schweden und Norwegen

Von den Spielernamen kann Lemgo mit der Konkurrenz freilich nicht mithalten, zwar stehen neben Zerbe und Guardiola in den Niederländern Bobby Schagen und Niels Versteijnen, dem Österreicher Lukas Hutecek und dem Schweizer Samuel Zehnder weitere Auswahlspieler im Team, auf Seiten Magdeburgs indes gehen fast ausschließlich Profis großer Handball-Nationen zu Werke. Neben den Deutschen Philipp Weber und Lukas Mertens seien nur die dänischen Weltmeister Michael Damgaard und Christian O'Sullivan, die schwedischen Europameister Daniel Pettersson und Oscar Bergendahl oder der Isländer Gisli Kristjansson genannt.

Ähnlich verhält es sich mit den Kontrahenten des zweiten Halbfinales, die Löwen etwa wissen Shootingstar Juri Knorr in ihren Reihen, der Spielmacher bildet mit dem Nationalteamkollegen Jannik Kohlbacher ein kongeniales Duo, das bei der WM jüngst überzeugte. Die Außen-Zange Patrick Groetzki (33 Jahre) und Uwe Gensheimer (36) ist zwar etwas in die Jahre gekommen, zählt aber nach wie vor zum Besten, was die Bundesliga zu bieten hat - und die gilt bekanntlich als die stärkste der Welt.

Ärger wegen des Spiels um Platz drei: Das finden viele angesichts der Belastungen überflüssig, erhöhte Prämien sind kaum Trost

Mindestens genauso edel ist Flensburg besetzt, das zudem mit einer beeindruckenden Siegesserie in die Lanxess-Arena nach Köln reist. Das Team von Maik Machulla gab in den vergangenen zehn Spielen nur einen Punkt ab, liest sich wie eine skandinavische Auswahl der drei Top-Nationen Dänemark, Schweden und Norwegen - und wird von Kapitän Johannes Golla angeführt, der auch Spielführer des deutschen Nationalteams ist. Ärger bereitet Machulla indes der Spielplan, denn bereits kommenden Dienstag spielt Flensburg das zweite Viertelfinale in der European League gegen den spanischen Vertreter BM Granollers. Das ist sicher bedeutender als ein Vergleich der Verlierer, Flensburg ist nämlich Ausrichter des Finalturniers im zweithöchsten europäischen Wettbewerbs. Die Partie um Rang drei am Sonntagmittag sei angesichts der immensen Belastungen überflüssig, zumal diese erstmals seit 13 Jahren wieder ausgetragen wird.

Dass die Prämien erhöht wurden, ist kaum Trost: Im Vorjahr gab es für jedes der vier Teams 90 000 Euro, nun bringt der Sieg 200 000, Rang zwei 150 000 und Platz drei 120 000 Euro, der Letzte wird vergütet wie bisher. Auch der Spielort ist neu, die mit 20 000 Zuschauern ausverkaufte Kölner Halle löst fortan den Spielort Hamburg ab, wo das Turnier seit 1994 stattfand.

Gedeon Guardiola im Übrigen wechselt nach der Saison nach Erlangen. Dieses Mal wäre ein Pokal-Aus für ihn - anders als vor zwei Jahren - endgültig.

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