Zweite Handball-Bundesliga:Neue Pfeile im Köcher

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Geschäftsführer Jan Gorr übernimmt nach der Entlassung von Brian Ankersen bis Saisonende auch den Trainerposten beim HSC Coburg. (Foto: Matthias Rietschel/Imago)

Nach der Entlassung von Trainer Brian Ankersen soll Jan Gorr den HSC Coburg in Doppelfunktion als Geschäftsführer und Trainer wieder auf Kurs bringen. Das hat mit dem Sieg in Dresden verheißungsvoll begonnen.

Von Ralf Tögel

Ob Brian Ankersen die Kabine verloren hatte? Natürlich ist Jan Gorr die Herleitung dieser Frage klar, diese Formulierung wurde im Zusammenhang mit der Causa Julian Nagelsmann ja reichlich strapaziert. Gorr will es nicht so ausdrücken wie die Verantwortlichen der FC-Bayern-Fußballer, er sagt: "Ich glaube, die Spieler haben nicht mehr daran geglaubt, dass es einen Weg gibt, die momentane Situation positiv zu ändern." Der Geschäftsführer des Handball-Zweitligisten HSC Coburg ruft seinem entlassenen Trainer also immerhin keinerlei Vorwürfe hinterher.

Unter dem Dänen hatte die Mannschaft zuletzt ein bedenkliches Bild abgegeben, in den vergangenen sechs Spielen gelang nur ein Remis gegen Aufsteiger Potsdam. Die jüngste Heimpleite im Derby gegen den TV Großwallstadt schließlich veranlasste die Verantwortlichen, die Reißleine zu ziehen. Zumal sich die Coburger zusehends der Abstiegszone näherten. Fortan hat Gorr, der am Donnerstag seinen 45. Geburtstag feierte, beim HSC selbst wieder den Cheftrainerposten inne, den er früher sieben Jahre lang bekleidet hatte.

Eigentlich sollte Ankersen jenen Neuanfang begründen, der seinem Vorgänger Alois Mraz nicht geglückt war. Mraz wiederum hatte das Traineramt vor zwei Jahren nach dem Aufstieg in die erste Liga eben von Gorr übernommen, der den HSC in seiner siebenjährigen Amtszeit nach 2016 zum zweiten Mal in die Beletage des deutschen Handballs geführt hatte. Gorr wechselte auf den Posten des Geschäftsführers, Mraz übernahm - und konnte den sofortigen Wiederabstieg nicht verhindern. Was ihm angesichts der Qualität der Konkurrenz und der eigenen finanziellen Möglichkeiten zunächst nicht angekreidet wurde - als aber die folgende Zweitligasaison mit vier Niederlagen in sechs Spielen begann, wurde Mraz durch Ankersen ersetzt.

Der hatte den Zweitliga-Konkurrenten Bietigheim in Abstiegsgefahr übernommen und in seiner ersten Station als Cheftrainer auf Rang sechs geführt. Renommee genug für Gorr, um dem 34-jährigen Trainertalent den Neuaufbau anzuvertrauen, den Mraz nicht hinbekommen hatte.

Im Februar noch waren die Verantwortlichen von Ankersen so überzeugt, dass sein Vertrag um ein Jahr plus Option verlängert wurde

Die erste Saison von Ankersen beim HSC schloss der Däne auf Rang elf ab, zu Beginn der laufenden Saison folgte der große Umbruch, acht neue Spieler kamen. Mit einer Platzierung im oberen Tabellendrittel formulierte Gorr für seinen Trainer ein machbares Saisonziel, im Vordergrund stand der Aufbau eines Teams, das attraktiven Handball spielt und in der kommenden Spielzeit wieder oben angreifen kann. Denn das ist der Anspruch des HSC, den der Trainer Gorr höchstselbst definiert hat, als er 2013 ebenfalls als Trainertalent den Drittligisten übernommen und nur drei Jahre später ins Pokal-Achtelfinale sowie die erste Bundesliga geführt hatte. Gorr hinterließ eine Zweitliga-Spitzenmannschaft, die den Blick stets nach oben richten sollte.

Man wollte Ankersen die nötige Zeit geben, Anfang Februar noch verlängerte die Führungsetage um den Aufsichtsratsvorsitzenden Matthias Dietz dessen Vertrag vorzeitig um ein Jahr plus Option auf ein weiteres Jahr. Was dem Dänen nun immerhin finanzielle Sicherheit bringt, die Verantwortlichen indes schlecht aussehen lässt. Die Entlassung zeitigte umgehend Erfolg: Gleich das erste Spiel unter dem neuen, alten Trainer bei Elbflorenz Dresden wurde 30:29 gewonnen - und offenbarte verloren geglaubte Qualitäten. Coburg spielte gefestigt und überstand nach zwischenzeitlich deutlicher Führung sogar eine enge Schlussphase erfolgreich.

Gorr bleibt bis Saisonende Geschäftsführer und Trainer in Doppelfunktion, weiter will er derzeit nicht denken

Die Stabilität war das große Problem der Mannschaft, es gab zwar immer wieder sehr gute Leistungen mit Siegen gegen Topteams, aber ebenso unansehnliche Auftritte - die sich in jüngerer Vergangenheit zudem gehäuft hatten. Gorr ist natürlich klar, dass in so kurzer Zeit weder taktisch noch athletisch große Änderungen möglich sind, er konzentriert sich daher auf den mentalen Bereich. "Es passiert sehr viel im Kopf der Spieler", so Gorr, denen die "Sicherheit fehlt, auf ihre Pfeile im Köcher zurückzugreifen". Er habe viel mit den Akteuren gesprochen, mit dem Ziel, ihnen den "Rücken zu stärken, auch beim Coachen". Zudem hat Gorr die Abwehr kompakter aufgestellt und defensiver ausgerichtet. Den schnellen Erfolg will Gorr nicht überbewerten, der nächste Schritt soll an diesem Samstag im Heimspiel gegen Dormagen folgen: "Es bleibt noch sehr viel Arbeit."

Zunächst wird Gorr bis Saisonende in Doppelfunktion Trainer und Geschäftsführer bleiben, und danach? "Jetzt ist nicht der Zeitpunkt, um darüber nachzudenken." Er beschäftige sich vorerst nur mit der Kabine.

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