Frauen-Handball:Erst Erfolgscoach, dann lahme Ente

Lesezeit: 3 Min.

Erfolg schützt vor Trennung nicht: Trainer Csaba Szücs muss den ESV Regensburg nach der Saison verlassen. (Foto: Jan Kaefer/Beautiful Sports/Imago)

Zweitligist ESV Regensburg steht so gut da wie nie, da beschließt der Verein überraschend, den Vertrag mit Csaba Szücs nicht zu verlängern. Den Spielerinnen ist das Training zu monoton, der Trainer ist schockiert.

Von Mathias von Lieben

In den vergangenen drei Jahren führte der Weg der Handballerinnen des ESV Regensburg nur in eine Richtung: nach oben. 2021, gleich in der ersten Spielzeit unter Trainer Csaba Szücs, gelang der Aufstieg in die zweite Handball-Bundesliga. Auf Anhieb wurden die Oberpfälzerinnen mit Platz fünf zum erfolgreichsten Aufsteiger seit Einführung der eingleisigen zweiten Liga. In der aktuellen Saison liegen sie nach 23 von 30 Spieltagen wieder auf Platz fünf. Anfang des Jahres war der ESV kurzzeitig sogar Tabellenführer. Die Heimspiele sind regelmäßig ausverkauft, es läuft in Regensburg. Sollte man meinen.

Doch dann gab der Verein vor knapp zwei Wochen in einer Pressemitteilung bekannt, dass der Vertrag des Erfolgstrainers nach Ablauf der Saison nicht verlängert wird - fast beiläufig mit wenigen Sätzen, versteckt hinter einem Spielbericht. Warum? Das blieb unklar. "Ich war schockiert, als unser Abteilungsleiter mir das mitgeteilt hat", sagt Csaba Szücs mehr als eine Woche nach der offiziellen Ankündigung immer noch ungläubig. "Wir haben doch erfolgreich Handball gespielt."

So überraschend das Ende des Trainers auch wirken mag, intern hatte es sich durchaus angebahnt. Ende des vergangenen Jahres kamen einige Spielerinnen aus dem Mannschaftsrat erstmals auf den Trainer zu, es gab Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Trainingsinhalte. "Es war ihnen zu monoton", sagt Szücs: "Ich habe dann versucht, das Training etwas abwechslungsreicher zu gestalten. Aber bestimmte Übungen müssen einfach sein, um Automatismen in unser Spiel zu bekommen." Ausgeräumt waren die Differenzen damit nicht.

Erst Differenzen wegen der Trainingsinhalte, dann sportlicher Misserfolg, nun wird der Vertrag mit dem Trainer nicht verlängert

Ab Mitte Januar lief es dann auch sportlich nicht mehr ganz so rund. Fünf Spiele, vier Niederlagen, ein Unentschieden. Die Spitzenposition war dahin, die Euphorie ebenfalls. Der Konflikt zwischen Spielerinnen und Trainer köchelte erneut auf. Zu fundamentalen Veränderungen an seinem Stil war Szücs aber immer noch nicht bereit. 117 Länderspiele für die Tschechoslowakei und die Slowakei stehen in seiner Vita; so einer hat das Selbstvertrauen, zu wissen, worauf es ankommt. Und am größten sei der Erfolg immer dann gewesen, wenn alle im Team die Automatismen verinnerlicht hätten. "Anders kann ich heute auch nicht trainieren", bekräftigt der Trainer seine Haltung.

Vor wenigen Wochen zog der Mannschaftsrat dann die Reißleine. "Die Spielerinnen sind auf mich zugekommen und haben sich einen Wechsel auf der Trainerposition gewünscht", sagt Handball-Abteilungsleiter Dieter Müller: "Sie wollten nach drei Jahren eine neue Herausforderung. Auch wenn es mir menschlich schwerfällt, konnte ich mich da nicht querstellen." Und sowieso: Dass nach drei Jahren der Trainer gewechselt werde, sei doch im Sport nichts Ungewöhnliches. So argumentiert nun neben den Spielerinnen auch der sportliche Leiter Robert Torunsky.

In der Tat ist es nicht unüblich, dass nach drei gemeinsamen Jahren mit hunderten von Trainingseinheiten eine gewisse Abnutzung eintritt. Zwischenmenschlich, das beteuern alle Beteiligten, gebe es keine Probleme - eher im Gegenteil. Aber inhaltlich gingen die Vorstellungen immer weiter auseinander. Trotz oder vielleicht auch wegen des Erfolgs. Denn als Saisonziel war ja ursprünglich nur ein Platz im Mittelfeld auserkoren worden, diese Vorgabe hätten Mannschaft und Trainer aktuell mit Platz fünf ja sogar übererfüllt. Aber das gute Abschneiden hat bei den Spielerinnen Lust auf mehr geweckt - auch im Training.

Abteilungsleiter Müller hat das Saisonziel von Mittelfeldplatz auf Klassenverbleib korrigiert - als aktueller Tabellenfünfter

Kurz vor dem letzten Heimspiel Ende März wurde Szücs jedenfalls die endgültige Entscheidung mitgeteilt. Nur haarscharf entgingen die Regensburgerinnen einen Tag später mit dem 26:26-Remis der Blamage gegen den Vorletzten SG Herrenberg. Dennoch soll Szücs für die restlichen sieben Saisonspiele im Amt bleiben. "Eine komische Situation", wie er selbst eingesteht. Durchziehen will er es dennoch. Dass er zu einer "lame duck" werde, diese Gefahr sieht aber offenbar nicht nur Szücs. Handball-Abteilungsleiter Müller gibt als neues Saisonziel den Klassenverbleib aus - als aktuell Fünftplatzierter mit elf Punkten Vorsprung auf die Abstiegszone. Es läuft nicht mehr in Regensburg, könnte man meinen.

Nachdem der Spielbetrieb nun zwei Wochen ruhte, hat Szücs nach einwöchiger Pause am Ostermontag wieder zum Training gerufen. Es habe nochmals ein klärendes Gespräch gegeben, ist aus dem Lager der Spielerinnen zu vernehmen. Im Training sei jetzt wieder viel mehr Power drin, jede wolle im Saisonfinale ihr Bestes geben. Unter Beweis stellen können die "Bunkerladies", wie sich die Mannschaft wegen des Hallen-Spitznamens nennt, dies bereits am Samstag beim Schlusslicht SG Schozach-Bottwartal (20 Uhr). Eine Woche später geht es dann zum Aufstiegskandidaten Frisch Auf Göppingen. Dann wird sich zeigen, wie es läuft in Regensburg.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: